AfD auf Kurs in Richtung Pegida

Geht es nach André Poggenburg, tastet sich die AfD am Wochenende noch einmal einen Schritt weiter nach rechtsaußen. Sachsen-Anhalts AfD-Chef will, dass der Bundeskonvent der Partei die ohnehin arg löchrige Abgrenzung zu Pegida auch ganz offiziell aufweicht.

 

Donnerstag, 01. März 2018
Rainer Roeser

Der Konvent, das höchste Organ zwischen den Parteitagen, hatte im Juni 2016 unter anderem verfügt, dass AfD-Mitglieder weder als Redner noch mit Parteisymbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten dürfen. Das Verbot hatte schon in den letzten Monaten nicht verhindern können, dass AfDler bei den Veranstaltungen der selbst ernannten Retter des Abendlandes in der sächsischen Landeshauptstadt ans Mikrofon traten. Doch nun soll es auch ganz offiziell verschwinden.

„Bei den Bürgern in Ostdeutschland“ sei die Regelung „ohnehin schon seit Langem auf Unverständnis“ gestoßen, sagte André Poggenburg der „Welt“. Alle hätten „nur darauf gewartet, dass sich das Verhältnis zwischen AfD und Pegida endlich normalisiert“. Per Facebook ließ er seine Anhänger wissen: „Die gekünstelte Distanzierung zu einer der größten Bürgerbewegungen in Deutschland muss endlich ein Ende finden.“ Er ahnt, auf welches Echo die Partei stoßen wird, wenn sie sich der Truppe um Lutz Bachmann annähert, hält aber eine Kooperation für nahezu zwingend: „Dürfen wir den stark provokanten, aber in den letzten Jahren zweifelsfrei erfolgreichen Kurs unserer AfD – die AfD Sachsen wurde bspw. mit einem verbalaggressiven und Pegida-gestützten Wahlkampf stärkste Kraft – einfach verlassen, nur weil Aussagen unserer Politiker ein Aufheulen der Systempresse und der Merkel-Riege nach sich ziehen?“

„Pegida verfolgt ähnliche Ziele“

Eigentlich hat Poggenburg keine guten Monate hinter sich. Als stellvertretender Bundessprecher, der er gern geworden wäre, fiel er beim Parteitag im Dezember in Hannover durch. Dem neuen Bundesvorstand gehört er nicht mehr an. Sogar im heimischen Sachsen-Anhalt wird das Murren gegen den Landes- und Fraktionschef immer vernehmbarer. Manche sind des autoritären Stils überdrüssig, mit dem er seinen Landesverband auf Rechtskurs hält. Andere sind es leid, für Poggenburgs verbale Fehltritte in Mithaftung genommen zu werden – wie jüngst, als er gegen „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ vom Leder zog. Doch in Sachen Pegida stehen der rechte Parteiflügel und insbesondere die Nachbarlandesverbände aus Sachsen, Thüringen, Brandenburg hinter ihm.

In den letzten Wochen hatten Parteirechte sich überhaupt nicht mehr die Mühe gemacht, auf Abstand gegenüber den Pegida-Oberen zu achten. „Wir wissen, dass Pegida ähnliche Ziele verfolgt wie wir“, sagte Sachsens neuer AfD-Vorsitzender Jörg Urban Anfang Februar am Rande des Landesparteitags in Hoyerswerda: „Das sind gute Leute.“ (bnr.de berichtete) Pegida-Boss Lutz Bachmann fand die Elogen offenbar so gut, dass er gemeinsam mit seinem Adlatus Siegfried Däbritz in Hoyerswerda anrückte, um Urban zu seiner Wahl zu gratulieren.

„Ein großer, wichtiger Teil unserer Bewegung“

Keine zwei Wochen später konnten sich Bachmann & Co. bei einem „politischen Aschermittwoch“ der AfD im sächsischen Nentmannsdorf mit Sprechchören feiern lassen. Poggenburg lobte dort ihre „mutige und engagierte Bürgerbewegung“. Brandenburgs Landeschef Andreas Kalbitz dankte ausdrücklich den „Mitstreitern von Pegida“. Und auch der Vormann des rechten Flügels, Björn Höcke, mochte nicht zurückstehen. „Ohne euch wären wir nur halb so stark“, rief er Bachmann zu. „Ihr seid ein großer, wichtiger Teil unserer Bewegung!“ – und der manchmal notwendige „Tritt in den Hintern“ der AfD. 

Er halte es für „realistisch, dass der Konvent das Redeverbot aufweicht“, sagt der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter mit Blick auf Pegida Dresden. Einst zählte er zum Lager Frauke Petrys, die Wert legte auf Distanz zur Bachmann-Truppe. Petry verließ die AfD, er blieb und ist nun einer der beiden Vorsitzenden des Bundeskonvents, wie die Chemnitzer „Freie Presse“ berichtete.

Risikofaktor Bachmann

Von den beiden Parteichefs ist offenbar kein ernsthafter Widerspruch zu erwarten. Jörg Meuthen sagt: „Wenn es in Richtung Landtagswahl geht, dann ist es vielleicht nicht klug, an dem Kooperationsverbot festzuhalten, das sagen mir auch meine Parteikollegen in Dresden.“ Pegida nennt er eine „Volksbewegung aus Sachsen“. Auch Ko-Sprecher Alexander Gauland hält eine „Annäherung“ für möglich. Allerdings ist der unter anderem wegen Körperverletzung, Einbruch und Drogenhandel vorbestrafte Bachmann ein Risikofaktor. Gauland im „Stern“: „Ich will unsere bürgerlichen Wähler nicht verlieren. Deswegen wäre es klug von Pegida, wenn Herr Bachmann aus dem Schaufenster der Bewegung verschwindet.“

Doch Bachmann denkt nicht an einen Abgang. Auf der Straße feiern ihn seine Anhänger, in den Sälen umschmeicheln ihn AfD-Rechte. Pegida sei die „größte, erfolgreichste Bürgerbewegung Europas“, fühlt er sich stark. „Zwischen unser Team treibt niemand einen Keil, soviel ist sicher! Das haben schon andere versucht!“, wettert Bachmann gegen Gaulands Rückzugswunsch. Und Däbritz betont: „Pegida ohne Lutz Bachmann – das wird nicht passieren. Dies ist keine Option.“

Deutliche Warnung von AfD-Vize Padzerski

Mehr noch als Gauland ist in den letzten Tagen aber AfD-Vize Georg Pazderski ins Bachmannsche Visier geraten. Der Berliner Landeschef hatte in einem Interview erklärt, die Frage nach einer Zusammenarbeit stelle sich derzeit überhaupt nicht. Die Bundes-AfD müsse „natürlich auch an die Verbände im Osten appellieren und sagen, denkt darüber nach, mit wem ihr euch da einlasst“. Pazderski: „Herr Bachmann ist ein mehrfach verurteilter Straftäter und er ist kein Ansprechpartner für die AfD. Von daher kann ich nur sagen, ich warne davor, dass man mit so einem Mann überhaupt verhandelt.“

Bachmanns Reaktion folgte umgehend. Und sie fiel unterirdisch aus. Zunächst verhunzte Bachmann Pazderskis Namen („Pazdersdings“, „Pazdingens“, „Paddelsky“, „Pazderlingsdings“), um ihn dann als „Flachzange“, „Weichei“, „Anti-Patrioten“ und „Fanboy der mutmaßlichen Steuerhinterzieherin, Meineidschwörerin, Fördermittelbetrügerin, Wahl-Bescheißerin und Wählerbetrügerin Frau Kepetry“ zu beschimpfen. Öffentlicher Widerspruch seiner Freunde in der AfD blieb aus. Bachmanns Jargon ist der Tonfall derer, die Leute wie Höcke für einen „großen, wichtigen Teil unserer Bewegung“ halten.

„Keine konservative Wende, sondern rechtsextreme Kleinpartei“

Teile von Pegida könne man „am extrem rechten Rand des politischen Meinungsspektrums verorten“, warnt Jens Wilharm, Sprecher der „Alternativen Mitte“ in Niedersachsen. „Das passt vielleicht ganz gut zu einzelnen Mitgliedern der AfD, die ihrerseits am äußerst rechten Rand der Partei stehen oder die Tore dorthin weit offen halten. Das passt aber nicht zu einer bürgerlich konservativen Partei, die politisch mehrheitsfähig werden und ihren Teil zu einer konservativen Wende in Deutschland beitragen will.“ Die AfD sei über das Stadium der Protestpartei, die mit Demonstrationen auf sich aufmerksam machen müsse, längst hinausgewachsen, meint er. „Wer die AfD für Pegida und die IB öffnen will, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse kippen will und sich überdies auch jetzt schon nicht mehr darum schert, der will keine konservative Wende, sondern der will die AfD zu einer weiteren rechtsextremen Kleinpartei entwickeln.“

Doch es wirkt so, als würden Wilharm und andere von der „Alternativen Mitte“ (AM) Schlachten kämpfen, die längst verloren sind. Mit dem Landtagsabgeordneten Christoph Grimm nahm unlängst einer der AM-Mitbegründer in Mecklenburg-Vorpommern an einer Diskussionsveranstaltung mit Bachmann teil. Er befand, AfD und Pegida hätten die gleichen Ziele im „Kampf gegen die Islamisierung Deutschlands“. Eine Annäherung, so Grimm, sei daher überfällig. Die AM setzte ihn daraufhin vor die Tür. Grimm kann es wohl verschmerzen. Die Zeit arbeitet für ihn – und die anderen, die es auf eine Bühne mit Bachmann zieht.

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