Kampagne gegen Hamado Dipama
AfD-Abgeordnete wollen deutschen Rundfunkrat abschieben
Im Zuge der Auseinandersetzung um die Besetzung der NDR-Sendung „Klar“ und Julia Ruhs baute sich vor allem auf „X“ und in extrem rechten Krawallmedien eine Kampagne gegen Hamado Dipama auf, der aus Burkina Faso stammende Mann ist Mitglied im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Zwei bayerische AfD-Landtagsabgeordnete forderten, er müsse umgehend abgeschoben werden. Dipama ist mittlerweile eingebürgert.
Den Anfang der Kampagne machte der „ÖRR-Blog“ auf X, der Hamado Dipama schon ein paar Mal in den Fokus rückte. Er könnte unter besonderer Aufmerksamkeit der rechten Aktivisten stehen. Der anschließend verbreitete Screenshot mit den lobenden Worten des BR-Rundfunkrats in Richtung NDR zur Entscheidung, nach internen Protesten nicht mit Ruhs weiterzuarbeiten vom 18. September entstand neun Minuten nach dem Posting.
Weitaus größer war die Reichweite allerdings für den zwei Tage später folgenden Beitrag des ÖRR-Blogs, der schließlich auch den Ton für die kommende Kampagne gegen Dipama setzte. Er ist im Vergleich zu anderen Ruhs-Kritikerinnen und -Kritikern wie Jan Böhmermann oder Anja Reschke kein deutschlandweit bekannter Protagonist mit nur annähernd vergleichbarer Wirkmacht in die Gesellschaft hinein. Sein Beitrag über Ruhs hat nach etlichen Tagen Aufregung und Solidaritätsadressen keine hundert Likes.
Was Dipama allerdings zum fast perfekten „Opfer“ für die Kampagne macht, ist, dass rechte Krawallmedien ausgehend von der legitimen Debatte über seine Kritik an Ruhs hier noch fast alle migrationsfeindlichen Narrative und Spins einbringen können, die extrem rechte und auch konservative Kreise in den letzten Jahren aufgebaut haben und die die Wut in völkisch-rassistischen Szenen steigern, auf die die entsprechenden Portale mit ihren Inhalten auch abzielen:
Dipama ist Schwarz, aus Burkina Faso geflohen, weil er dort verfolgten linken Kreisen angehörte, ist allerdings damals über Frankreich eingereist. Stichwort: sicherer Drittstaat. Sein Asylantrag wurde ursprünglich abgelehnt. Er ist aktiv in der Anti-Rassismus- und Anti-Diskriminierungsarbeit, berät Geflüchtete, unterstützt bei der Integration und testete aktivistisch Diskothekenbetreiber und Vermieter auf möglichen Rassismus beim Zutritt zu Clubs oder bei der Vergabe von Wohnungen. Trotz schwieriger Beweislast nicht ohne Erfolge. Zu guter Letzt besuchte er kürzlich Burkina Faso – Stichwort „Urlaub“ im Land der ursprünglichen Verfolgung. Eigentlich fehlt in dem Konglomerat nur noch der Hinweis auf behandelte Zähne.
Fast alle diese Elemente bestimmen die Headlines, die bei Apollo News, Tichys Einblick, Kettner Edelmetalle oder Report24 erscheinen. Subtext: Dipama sollte eigentlich gar nicht mehr hier sein. Für ein Portal zeige er durch seine Kritik an Ruhs „Undankbarkeit“ gegenüber Deutschland. Für die Junge Freiheit hetze er „gegen Weiße“. Für den ÖRR-Blog ist die Einreise über Frankreich so wichtig, dass der BR aufgefordert wird, dies müsse zwingend in einem Beitrag erwähnt werden, in dem auf Dipamas später wegen Sicherheitsbedenken abgesagten Vortrag in Regensburg hingewiesen wird. Die Behauptung, er hätte Weiße als „Neandertaler“ bezeichnet, hat der ÖRR-Blog wohl inzwischen zurückgezogen; jedenfalls wurde der Post kommentarlos gelöscht. So laufen die Links auf Krawallseiten, die hier auf den ÖRR-Blog auf X verweisen, ins Leere, wiederholen aber dennoch den Vorwurf, wie etwa Journalistenwatch.
Gelöscht wurde auch ein Post, in dem Dipama von Seiten des ÖRR-Blogs kurzfristig vorgehalten wurde, den Vortrag in Regensburg nur abgesagt zu haben, „um sich als Opfer zu inszenieren.“ Von dem kruden Vorhalt, möglicherweise eine Anspielung auf den abgelehnten Asylantrag, existiert noch ein Screenshot beim Account „wenig Worte“.
Dass aus Interviews hervorgeht, dass er seit 2014 eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt, steht deutlich weniger prominent in den unteren Spalten der Texte. Solche lauten Hetz-Kampagnen kommen dann auch in der Politik an. Die bayerische AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner lässt die Information über den Aufenthaltsstatus ganz weg. Für sie stellt sich die Frage, wie ein „abgelehnter Asylbewerber“ in den bayerischen Rundfunkrat gelangen könne. Auch hier dürfte zumindest die Botschaft intendiert sein: Er dürfe nicht mehr im Land und auch nicht im Rundfunkrat sitzen.
Deutlicher wurden in der Sache ihre zwei Fraktionskollegen René Dierkes und Benjamin Nolte. Sie forderten in separaten Postings, Dipama müsse „umgehend abgeschoben“ werden. Der Danubia-Burschenschaftler Nolte sprach gar von einem Fall von „Rassismus gegen Weiße im Staatsfunk“, womit Schluss sein solle. Dipama ist die einzige migrantische Stimme in dem 50-köpfigen Gremium.
Was der geforderten Abschiebung allerdings im Wege stehen dürfte, ist die deutsche Staatsbürgerschaft, die Dipama seit 2022 besitzt. Nolte und Dierkes dürften sich mit ihrer Forderung, die Erinnerungen an die Diskussionen rund um das Treffen in Potsdam hervorruft, auf die Recherchen der genannten Krawallportale verlassen haben, die hier aber bewusst, unbewusst oder vielleicht sogar bösartig eine Lücke ließen. In den Kommentaren unter der Pressemitteilung Dipamas bestätigt eine Bayreuther Stadträtin ebenfalls die Information und klagt, ein Anruf bei ihr hätte genügt, um die Einbürgerung zu bestätigen. Heute könne man „Nachrichten machen, ohne journalistische Grundprinzipien einzuhalten. Kein Verifizieren, keine Möglichkeit zur Stellungnahme, bevor man die ‚Story‘ bringt“ – womit bestimmte Prinzipien dieser Portale wohl treffend umschrieben sind.
Bei Nolte dürfte die Information inzwischen angekommen sein: Der Beitrag wurde kommentarlos entfernt. Die Kommunikationskanäle zum Parteikollegen sind offenbar nicht die besten. Auch mehrere Tage, nachdem die Hinweise auf die Einbürgerung öffentlich wurden, ist die Forderung bei Dierkes abrufbar. Dipama hatte am 25. September auf seine Staatsbürgerschaft hingewiesen, vom selben Tag stammt auch die Vertreibungsforderung des rechtspolitischen Sprechers der bayerischen AfD-Landtagsfraktion.
Der BR-Rundfunkrat sieht selbst Parallelen zur Verleumdungskampagne gegen die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf. Aber es drängt sich noch ein anderes Beispiel auf. Als der heutige Autor der Welt, Deniz Yücel, in türkischen Gefängnissen saß, orderte die heutige AfD-Parteichefin Alice Weidel von ihrer Social-Media-Abteilung eine „Kachel“. Ihr war es wichtig, auf die aus ihrer Sicht „doppelten Fake News“ in den Medien hinzuweisen. Yücel sei „weder Journalist noch Deutscher“.
Was rechtfertigte in beiden Fällen die Forderung, die mehrere Jahre andauernde und etablierte Existenz in Deutschland zwangsweise zu beenden? Beide hatten sich dezidiert, streitbar und diskussionswürdig ablehnend über aktuelle „Darlings“ konservativer und rechter Kreise geäußert. Ihre „Verbrechen“ in beiden Fällen: simple Meinungsäußerung.