AfD-Abgeordnete treten Rückzug an
Der eine hetzte bei Facebook, der andere hatte Verbindungen zur rechtsextremen „Reichsbürger“-Bewegung: Nach öffentlichem Druck verzichten zwei gerade gewählte Kreistagsabgeordnete der AfD in Hessen auf ihre Mandate.
Angela Merkel wünschte er den Tod am Galgen, mit einer verurteilten Holocaust-Leugnerin erklärte er sich solidarisch, den Bundestag wollte er vor ein Erschießungskommando stellen: Der hessische AfD-Politiker Bernd Ebhardt nahm auf seinem Facebook-Profil kein Blatt vor den Mund. Bei der Kommunalwahl am 6. März war der 65-Jährige aus Alheim als einer von acht Abgeordneten der rechtspopulistischen Partei in den Kreistag des Landkreises Hersfeld-Rotenburg gewählt worden. Weil seine freimütigen Postings durch Medienberichte ruchbar geworden sind, nimmt er sein Mandat nun jedoch nicht an.
Ganz freiwillig geschieht das offenbar nicht: Bei Facebook veröffentlichte der ehemalige Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn ein Statement, in dem er seinen Austritt aus der AfD ankündigte. Unter Protest: Die Parteiführung habe sich durch einen „bezahlten Schreiberling“ – gemeint sind die Autoren dieses Artikels – in „Betriebsamkeit“ versetzen lassen, schimpfte Ebhardt, „und Grundsätze wie Meinungs- und Informationsfreiheit sind ohne weitere Prüfung der tatsächlichen Gegebenheiten ad acta.“
Neben dem Verlust seiner politischen Heimat droht dem Mann zudem Ärger mit der Justiz: Man prüfe, ob Ebhardts Beiträge in dem sozialen Netzwerk strafrechtlich relevant sind, erklärte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Osthessen in Fulda. Die älteren Postings des Noch-AfDlers sind mittlerweile nicht mehr aufrufbar. Bis einige Tage nach der Wahl aber war für alle Welt lesbar gewesen, was der Mann monatelang in hoher Frequenz verbreitet hatte. Vor allem seinem Hass auf die Bundeskanzlerin hatte er dabei freien Lauf gelassen – gipfelnd in der Forderung, man müsse „dieses Weib hängen“. Wohlwollend kommentierte er eine Fotomontage, die Merkel in KZ-Kleidung neben US-Präsident Barack Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hinter Stacheldraht zeigt. Titel der Montage: „Die Welt wäre friedlicher, wenn die Täter dort wären, wo sie hingehören.“
Solidarität mit Holocaust-Leugnerin
Bundestagsabgeordnete nannte er „Politverräterpack“ oder „Politlakaien der Alliierten“. Als eine rechte Internetseite die Falschmeldung lancierte, der Bundestag habe einstimmig beschlossen, die Inschrift „Dem deutschen Volke“ vom Giebel des Reichtstagsgebäudes zu entfernen, schäumte Ebhardt: „Das ganze Pack gehört vors Peloton!!!“ Vor ein Erschießungskommando also. Als die notorische Holocaust-Leugnerin Sylvia Stolz im Februar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, schrieb er in Großbuchstaben: „SOLIDARITÄT MIT FRAU STOLZ!!“ Und rief zum Boykott der „Bild“-Zeitung auf, die über den Prozess berichtet hatte. Mehrere von ihm geteilte Links führten zu Texten, in denen der nationalsozialistische Massenmord an Europas Juden bestritten wird.
Und auch sonst war seine Facebook-Chronik dicht gefüllt mit Verweisen auf rechtsextreme und antisemitische Internetveröffentlichungen. Fast jede braune Verschwörungstheorie ist vertreten – von der systematischen Vergiftung des deutschen Volks durch „Chem-Trails“ (vulgo Flugzeug-Kondensstreifen) über die von Angela Merkel geplante „Ausrottung der Deutschen“ bis zur jüdisch-amerikanischen Weltherrschaft. Regelmäßig postete Ebhardt dabei auch Links zu Texten aus dem Umfeld der so genannten „Reichsbürger“-Bewegung. Deren Anhänger glauben, dass das Deutsche Reich rechtlich immer noch besteht, und erkennen die Bundesrepublik und ihre Institutionen deshalb nicht an. Gleich mehrere konkurrierende „kommissarische Reichsregierungen“ gibt es, die sich als die einzig legalen Vertreter Deutschlands sehen. Manche von ihnen geben sogar Ausweise oder Führerscheine aus.
Minister einer selbst ernannten „Reichsregierung“
Ein ehemaliger „Reichsinnenminister“ war ebenfalls in die AfD-Kreistagsfraktion Hersfeld-Rotenburg gewählt worden: Der Forstassessor Axel von Baumbach aus Kirchheim hatte sich Anfang 2012 zum Minister einer selbst ernannten „Reichsregierung“ machen lassen. Weil das von der „Frankfurter Rundschau“ berichtet wurde, nimmt nun auch er sein Abgeordnetenmandat nicht an.
Ein mittlerweile gestorbener Mann, der sich den klangvollen Namen Fürst Nikolai Georg Lange-Tschernow verliehen hatte (aber eigentlich schlicht Jürgen Lange hieß), war 2010 aus einer der zahlreichen „Reichsregierungen“ geflogen. Flugs gründete er sich eine neue, machte sich zum „Reichspräsidenten“ – und ernannte Anfang 2012 Axel von Baumbach zu seinem Innenminister.
Der frühere Lokalpolitiker der CDU hatte einst eine Protesterklärung unterzeichnet, als die Union ihren Rechtsaußen Martin Hohmann – bei der Kommunalwahl AfD-Spitzenkandidat im Kreis Fulda – aus der Partei ausschloss. Als Gast und Vortragsredner besuchte er die von Rechtsextremen durchsetzte Kasseler Burschenschaft Germania. Und 2009 pries der Bundeswehrmajor der Reserve einen ehemaligen Neonazi-Kader in seiner Reservistenkameradschaft als Vorbild.
Mit der „Reichsbürger“-Bewegung aber will er sich trotz seiner Ernennung zum „Reichsinnenminister“ nie identifiziert haben. Dass er sich den anmaßenden Titel trotzdem hat verleihen lassen, erklärt er mit einem geradezu erpresserischen Druck, den sein damaliger Geschäftspartner Klaus Weichhaus auf ihn ausgeübt habe: ein nach Namibia ausgewanderter deutscher Rechtsextremer und Holocaust-Leugner, der ebenfalls dem „Kabinett“ von Lange-Tschernow angehörte und noch heute offensiv als „Minister des Deutschen Reichs für besondere Aufgaben im Ausland“ auftritt.
Um den Umgang mit Ebhardt und von Baumbach hatte sich im AfD-Landesvorstand unter anderem Peter Münch gekümmert. Mit Parteiordnungsverfahren wegen Zweifeln an der Verfassungstreue kennt sich der Rechtsanwalt aus Bad Homburg aus: Das Landesschiedsgericht der damals noch von Bernd Lucke geleiteten AfD hatte ihn im März 2015 seines Postens im Landesvorstand enthoben, weil er bei seinem Parteieintritt frühere Funktionärstätigkeiten und Kandidaturen für die extrem rechten Republikaner verschwiegen habe. Keine drei Monate später war er im Zuge der Grabenkämpfe, die schließlich zur Spaltung der AfD führten, dann erneut in den Vorstand gewählt worden.