Abtrünnige Parteichefs

Gleich zwei Kleinstparteien am rechten Rand haben überraschend ihre Vorsitzenden verloren: Christian Worch verließ die neonazistische Partei „Die Rechte“, Christoph Hörstel die verschwörungsideologische „Deutsche Mitte“.

Freitag, 03. November 2017
Theo Schneider

Bei der Neonazi-Partei „Die Rechte“ hat am Dienstag überraschend Christian Worch sein Amt als Bundesvorsitzender niedergelegt. Der langjährige Neonazi hatte die Partei 2012 gegründet, derzeit soll sie rund 700 Mitglieder haben. Sie diente in der Vergangenheit vor allem als Auffangbecken für Mitglieder verbotener Neonazi-Gruppierungen. Hintergrund des Rückzugs ihrer Gründungsfigur sollen inhaltliche Differenzen auf dem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende im Ruhrgebiet gewesen sein. Zunächst war Worch in seinem Amt noch als Vorsitzender mit deutlicher Mehrheit bestätigt worden: 78,4 Prozent votierten für den Parteigründer, der ohne Gegenkandidat antrat. In einer Mitteilung auf der Homepage der Partei heißt es, Worch wollte später jedoch eine Beschlussvorlage des Thüringer Landesverbands nicht mittragen, in dem gefordert wurde: „Der Bundesparteitag möge beschließen, dass die Partei DIE RECHTE sich voll und ganz zur deutschen Volksgemeinschaft bekennt.“

Trotz seiner Gegenrede, wonach Worch den Vorschlag „vor allem aus juristischen, aber auch aus politischen Gründen ablehne“, stimmte die Mehrheit auf dem Parteitag für den Antrag. Daraufhin hatte Worch umgehend seine Tätigkeit als Tagungspräsident niedergelegt und den Parteitag verlassen. Die konstituierende Vorstandssitzung musste ohne ihren wiedergewählten Vorsitzenden stattfinden. Am darauf folgenden Tag verkündete er, sein Amt zum 31. Oktober niederlegen zu wollen.

Westdeutsche Neonazis übernehmen Bundespartei

Der Bundesvorstand ernannte daraufhin am Mittwoch den Dortmunder Neonazi Christoph Drewer zum kommissarischen Bundesvorsitzenden. Damit übernimmt die jüngere Generation der westdeutschen Neonazi-Szene komplett die Führung der Partei. Bereits in der Zusammensetzung des neu gewählten Vorstands wurde deutlich, dass die aktionsorientierten Neonazi-Aktivisten um Dortmund größeren Einfluss auf die Bundespartei nehmen wollen. Nicht ein Mitglied aus den ostdeutschen Verbänden ist im neuen Vorstand vertreten, stattdessen mit Sascha Krolzig, Michael Brück, Markus Walter und Wolfgang Mond vor allem Nordrhein-Westfalen sowie Holger Niemann und Leon Dreixler aus Niedersachsen und Baden-Württemberg.

Ebenfalls Mitglied im DR-Vorstand ist mit Stefan Wijkamp ein niederländischer Neonazi, der „die freundschaftlichen Beziehungen in das westliche Nachbarland intensivieren soll“, wie es auf der Homepage heißt. „Die Rechte“ ist mit dieser Zusammensetzung keineswegs auf dem Weg der Mäßigung. Ob allerdings wirklich die Radikalisierung und die umstrittene Passage zur Volksgemeinschaft ausschlaggebende Gründe für Worchs Rückzug aus der Partei sind, darf bezweifelt werden. 

Antisemitische Bildsprache im Wahlkampf

Mit Christoph Hörstel verliert auch die Splitterpartei „Deutsche Mitte“ ihre Gründungs- und Führungsfigur. Er ist Ende Oktober ausgetreten und mit ihm fast der gesamte Bundesvorstand. Hörstel hatte die Partei erst 2013 gegründet, die derzeit über rund 3300 Mitglieder verfügen soll und im vergangenen Wahlkampf mit antisemitischer Bildsprache auf ihren Plakaten auf sich aufmerksam machte. Aufgrund ihrer personellen Bezüge zur neurechten Friedensbewegung und der Truther-Szene wurde die DM von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) als „rechte Querfrontpartei“ eingeordnet.

Schon seit längerem herrschte Unmut in der DM über Hörstels autoritären Führungsstil, zudem wurde das intransparente Finanzgebaren der Parteiführung beklagt. Nachdem der Landesvorstand in Bayern versuchte, Einblick in die Parteifinanzen zu bekommen und Kritik äußerte, wurde er kurzerhand von der Bundesführung abgesetzt. Als der Landesvorstand Baden-Württemberg daraufhin mit einem „Protestschreiben“ Kritik an Hörstel übte und dabei Unterstützung vom Bundesvorstandsmitglied und bekennenden Impfgegner Hans Tolzin bekam, flog letzterer ebenfalls umgehend aus der DM.

„Ethik in die Politik“ lautete stets das Credo der Partei, mit dem es die Führung offenbar selbst nicht so genau nah: Von veruntreuten Geldern, Parteiausschlüssen von Kritikern bis hin zu Affären samt daraus resultierten unehelichem Kind reichen die Vorwürfe, die derzeit unter den verbliebenen Mitgliedern die Runde machen. Dennoch wolle man an dem Projekt DM weiter arbeiten, Tolzin sieht in Hörstels Ausstieg die Chance für „innerparteiliche Reformen“ und hofft auf eine „Bewältigung der aktuellen Krise“.

40.000 Euro Schulden in Parteikasse

Doch die Ausgangslage dafür sieht schlecht aus. Hörstel selbst spricht in einem Rundschreiben zu seinem Rücktritt von der DM als einen „Reparaturfall“ mit einem Schuldenberg von 40.000 Euro in der Parteikasse. Grund dafür sei die schlechte Zahlungsmoral der Mitglieder: „500-700 Mitglieder zahlen keine Beiträge“, so Hörstel. Die Kritiken weist er von sich, die „Diskussion um die Rechenschaftsberichte“ sei ihm „komplett unverständlich“. Doch den Bogen hatte er mit den Parteiausschlüssen offenbar überspannt und der innerparteiliche Druck scheint zu groß geworden.

Doch auch Hörstel will nicht aufgeben, rief mit der „Neuen Mitte“ (NM) umgehend eine neue Partei aus. Das Programm der DM solle zwar inhaltlich übernommen werden, fortan sollen aber nur noch loyale Personen, für die sich Mitglieder verbürgen, neu aufgenommen werden. Offensichtlich will Hörstel einen Kontrollverlust wie in der DM diesmal bereits von vornherein unterbinden: „Jeder Bewerber benötigt drei Empfehlungen aus den Reihen der Mitglieder; diese ‚Paten‘ bleiben Zeit seiner Mitgliedschaft für ihn zuständig – und werden im Fall von Auseinandersetzungen ebenso angehört wie das neue Mitglied selbst“, heißt es im Gründungsaufruf der NM.

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