9. Mai 1945 - „roter“ Sieg im „braunen“ Gedenken
Zu den bittersten Paradoxien im Umgang mit der vaterländischen, auf dem Moment des Triumphs am 9. Mai 1945 basierenden Vergangenheit gehört zweifelsohne das Aufleben eines postsowjetischen Rechtsextremismus, der sich ebenfalls auf diesen Pfeiler stützt. So veröffentlichte die am 10. Juli 2002 gegründete, sich für „Recht und Ordnung“ sowie das Wohl der von „der Gefahr ausländischer Einwanderer“ bedrohten ethnischen Russen engagierende Partei „Bewegung gegen illegale Immigration“ (DPNI)1) anlässlich des 65. Jubiläums des „heiligen Datums“ im Mai 2010 ein sich an alle „wahren“ Patrioten der Russländischen Föderation richtenden Appell:
Der anschließend gemeinsam mit der antisemitische und rassistische Ressentiments lancierenden „Russischen Gesamtvölkischen Bewegung“ (ROD) ausgesprochenen Einladung zur feierlichen Kranzniederlegung vor dem Partisanen-Denkmal an der Metrostation Belorusskaja am 9. Mai 2010 folgten rund 200 Sympathisanten,3) ungeachtet des Faktums, dass auch Vorfahren der von ihnen verschmähten „illegalen Immigranten“ aus den ehemaligen Republiken der UdSSR neben den Russen in der Partisaneneinheiten gegen die faschistischen Belagerer kämpften.
Die Vertreter der neonazistischen Organisationen in Russland gedenken jedoch nicht nur den russischen Opfern im Großen Vaterländischen Krieg, sondern auch deren Hauptpeiniger – Adolf Hitler. Obwohl dem Innenministerium Russlands im Frühjahr 2000 keine Angaben über eventuelle xenophobe Aktionen anlässlich des Geburtstags Adolf Hitlers am 20. April vorlagen, leitete die Oberbehörde zusätzliche Maßnahmen zur Verhinderung von Unternehmungen rechtsextremer Gruppierungen ein. Alle Personen, unter anderem Minderjährige, deren Namen in Verbindung mit extremistischen Aktivitäten in den Polizeiregistern auftauchen, stehen in diesen Tagen unter besonders strenger Kontrolle, verlautbarte der Stellvertretende Innenminister Michail Suchogol'skij:
Die jungen Leute erhielten Mahnungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit solcher Aktionen, bei den Minderjährigen wurden die Eltern in Kenntnis gesetzt. Solche präventiven Vorgehensweisen gaben der Polizei in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, die Situation am 20. April vollständig zu kontrollieren und ernsthafte Vorfälle zu verhindern.4)
Denn die Diskriminierung der Ausländer am Ehrentag des deutschen Tyrannen etablierte sich in Russland zu einer finsteren Tradition: Seit Ende der 1980er Jahre veranstaltet die russische Neonazi-Szene öffentliche Hetzjagden auf Bürger mit Migrationshintergrund, vor allem kaukasischer und zentralasiatischer Herkunft, begleitet von Gräberprofanationen auf jüdischen Friedhöfen.5) Jährlich warnen die Moskauer Universitäten ihre ausländischen Studierenden davor, rund um den 20. April die Wohnheime zu verlassen. Die Medizinische Se?enov-Akademie forderte im Vorfeld des bevorstehenden „Ereignisses“ über 2 000 ausländische Kommilitonen aus 82 Ländern dazu auf, ausreichend Essensvorräte anzulegen und in den nächsten drei Tagen in ihren Wohnheimzimmern zu verweilen. Das Rektorat der renommierten Hochschule befürchtet, es könnten in den Tagen um „Hitlers Wiegenfest“ aggressive Mitglieder ultra-nationaler Assoziationen auftauchen, um Parolen zu rufen und die nicht-europäisch aussehenden Jugendlichen anzugreifen. Lediglich Mediziner im Praktikum und diejenigen, die eine Sondererlaubnis der Universitätsleitung erhielten und eine Unterschrift zur eigenen Risikoübernahme leisteten, dürften das Gebäude verlassen, schildert der Armenier Karen Karachnjan.6) Das Studentenwohnheim, ein renoviertes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert im südlichen Teil Moskaus, in dem über 500 junge Menschen aus Afrika, Zentralasien und dem Kaukasus leben, bleibt aufgrund brutaler Überfälle und Bombenanschläge schon seit einigen Jahren an jedem 20. April geschlossen.7)
Fußnoten:
1) DPNI = Dviženije protiv nelegal' oj immigracii; aus dem Russischen: Bewegung gegen illegale Immigration, vgl. hierzu: Programma DPNI ot 1 ijulja 2009 g. [Programm der DPNI vom 1. Juli 2009], URL: http://www.dpni.org/articles/dokumenti/13255/ [10.11.2009]
2) 9 maja Rissija otme?ajet Den' Pobedy v Velikoj Ote?estvennoj vojne. [Am 9. Mai feiert Russland den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg]. Ein Flugblatt der DPNI in Moskau / 6.05.2010.
3) Den' Pobedy – 2010. Vozloženije cvetov. [Tag des Sieges – 2010. Blumenniederlegung], URL: http://www.dpni.org/articles/media_novo/15593/ [13.05.2010].
4) Zitiert nach: Hitlers Geburtstag: Moskauer Polizei auf der Hut, URL: http://de.rian.ru/society/20090419/121198159.html [19.04.2009].
5)Vgl. hierzu Rževskaja, I.: Vesna 43-go – konez fašisma. Besna 95-go – na?alo?... [Frühling '43 – das Ende des Faschismus. Frühling '95 – Beginn?...], in: Literaturnaja gazeta 10 / 1995; Verchovskij, Aleksandr; Michajlovskaja, Ekaterina; Pribylovskij, Vladimir: Nacionalism i ksenofobija v rossijskom obš?estve. [Nationalismus und Xenophobie in der russländischen Gesellschaft]. Moskva 1998.
6)Karen Karachanjan: Student an der Medizinischen Se?enov-Akademie in Moskau. Interview am 6.07.2008 in Moskau.
7)Milen Karapetjan: Studentin an der Medizinischen Se?enov-Akademie in Moskau. Interview am 6.07.2008 in Moskau.
Die meisten Opfer im Großen Vaterländischen Krieg verzeichneten die slawischen Brüdervölker: Russen, Ukrainer, Weißrussen. Sie leisteten den höchsten Beitrag zur Zerschlagung der Einheiten fremdländischer Okkupanten, die es wagten, auf das Territorium unserer Heimat einzudringen. 85,3 Prozent aller Opfer an der Front verzeichneten Russen, Ukrainer, Weißrussen. 88,25 Prozent aller Kriegsauszeichnungen – Russen, Ukrainer, Weißrussen. Deshalb können wir voller Inbrunst behaupten, dass dieser Sieg in erster Linie ein RUSSISCHER SIEG war. Die Lehre aus diesem Krieg sollte sein – die Schrecken solch einer fremdländischen Invasion dürfen sich niemals wiederholen!2)
Der anschließend gemeinsam mit der antisemitische und rassistische Ressentiments lancierenden „Russischen Gesamtvölkischen Bewegung“ (ROD) ausgesprochenen Einladung zur feierlichen Kranzniederlegung vor dem Partisanen-Denkmal an der Metrostation Belorusskaja am 9. Mai 2010 folgten rund 200 Sympathisanten,3) ungeachtet des Faktums, dass auch Vorfahren der von ihnen verschmähten „illegalen Immigranten“ aus den ehemaligen Republiken der UdSSR neben den Russen in der Partisaneneinheiten gegen die faschistischen Belagerer kämpften.
Die Vertreter der neonazistischen Organisationen in Russland gedenken jedoch nicht nur den russischen Opfern im Großen Vaterländischen Krieg, sondern auch deren Hauptpeiniger – Adolf Hitler. Obwohl dem Innenministerium Russlands im Frühjahr 2000 keine Angaben über eventuelle xenophobe Aktionen anlässlich des Geburtstags Adolf Hitlers am 20. April vorlagen, leitete die Oberbehörde zusätzliche Maßnahmen zur Verhinderung von Unternehmungen rechtsextremer Gruppierungen ein. Alle Personen, unter anderem Minderjährige, deren Namen in Verbindung mit extremistischen Aktivitäten in den Polizeiregistern auftauchen, stehen in diesen Tagen unter besonders strenger Kontrolle, verlautbarte der Stellvertretende Innenminister Michail Suchogol'skij:
Die jungen Leute erhielten Mahnungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit solcher Aktionen, bei den Minderjährigen wurden die Eltern in Kenntnis gesetzt. Solche präventiven Vorgehensweisen gaben der Polizei in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, die Situation am 20. April vollständig zu kontrollieren und ernsthafte Vorfälle zu verhindern.4)
Denn die Diskriminierung der Ausländer am Ehrentag des deutschen Tyrannen etablierte sich in Russland zu einer finsteren Tradition: Seit Ende der 1980er Jahre veranstaltet die russische Neonazi-Szene öffentliche Hetzjagden auf Bürger mit Migrationshintergrund, vor allem kaukasischer und zentralasiatischer Herkunft, begleitet von Gräberprofanationen auf jüdischen Friedhöfen.5) Jährlich warnen die Moskauer Universitäten ihre ausländischen Studierenden davor, rund um den 20. April die Wohnheime zu verlassen. Die Medizinische Se?enov-Akademie forderte im Vorfeld des bevorstehenden „Ereignisses“ über 2 000 ausländische Kommilitonen aus 82 Ländern dazu auf, ausreichend Essensvorräte anzulegen und in den nächsten drei Tagen in ihren Wohnheimzimmern zu verweilen. Das Rektorat der renommierten Hochschule befürchtet, es könnten in den Tagen um „Hitlers Wiegenfest“ aggressive Mitglieder ultra-nationaler Assoziationen auftauchen, um Parolen zu rufen und die nicht-europäisch aussehenden Jugendlichen anzugreifen. Lediglich Mediziner im Praktikum und diejenigen, die eine Sondererlaubnis der Universitätsleitung erhielten und eine Unterschrift zur eigenen Risikoübernahme leisteten, dürften das Gebäude verlassen, schildert der Armenier Karen Karachnjan.6) Das Studentenwohnheim, ein renoviertes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert im südlichen Teil Moskaus, in dem über 500 junge Menschen aus Afrika, Zentralasien und dem Kaukasus leben, bleibt aufgrund brutaler Überfälle und Bombenanschläge schon seit einigen Jahren an jedem 20. April geschlossen.7)
Fußnoten:
1) DPNI = Dviženije protiv nelegal' oj immigracii; aus dem Russischen: Bewegung gegen illegale Immigration, vgl. hierzu: Programma DPNI ot 1 ijulja 2009 g. [Programm der DPNI vom 1. Juli 2009], URL: http://www.dpni.org/articles/dokumenti/13255/ [10.11.2009]
2) 9 maja Rissija otme?ajet Den' Pobedy v Velikoj Ote?estvennoj vojne. [Am 9. Mai feiert Russland den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg]. Ein Flugblatt der DPNI in Moskau / 6.05.2010.
3) Den' Pobedy – 2010. Vozloženije cvetov. [Tag des Sieges – 2010. Blumenniederlegung], URL: http://www.dpni.org/articles/media_novo/15593/ [13.05.2010].
4) Zitiert nach: Hitlers Geburtstag: Moskauer Polizei auf der Hut, URL: http://de.rian.ru/society/20090419/121198159.html [19.04.2009].
5)Vgl. hierzu Rževskaja, I.: Vesna 43-go – konez fašisma. Besna 95-go – na?alo?... [Frühling '43 – das Ende des Faschismus. Frühling '95 – Beginn?...], in: Literaturnaja gazeta 10 / 1995; Verchovskij, Aleksandr; Michajlovskaja, Ekaterina; Pribylovskij, Vladimir: Nacionalism i ksenofobija v rossijskom obš?estve. [Nationalismus und Xenophobie in der russländischen Gesellschaft]. Moskva 1998.
6)Karen Karachanjan: Student an der Medizinischen Se?enov-Akademie in Moskau. Interview am 6.07.2008 in Moskau.
7)Milen Karapetjan: Studentin an der Medizinischen Se?enov-Akademie in Moskau. Interview am 6.07.2008 in Moskau.