50 Meter „Neumünster wehrt sich“

Der erste nennenswerte Demonstrationsversuch der rechten Szene in Schleswig-Holstein seit Agieren der Pegida-Bewegung und all ihrer selbst ernannten Ableger sollte am 14. November in Neumünster über die Bühne gehen, doch Gegenproteste sorgten dafür, dass es nach 50 Metern Laufweg kein Weiterkommen für die Anti-Flüchtlingsgruppe unter dem Namen „Neumünster wehrt sich“ gab.

Montag, 16. November 2015
Horst Freires

Alle denkbaren Routen und Ausweichstrecken der rechten Flüchtlingsgegner waren am Samstag von Gegendemonstranten gleich zu Beginn versperrt worden und die Polizei machte in Abwägung der Sicherheitslage vor Ort keine Anstalten, dies zu ändern. Das brachte den Ordnungshütern Schimpftiraden von einem der Demonstrationsinitiatoren, Manfred Riemke, ein. Seit über einem Jahr hatte dieser mit Internet-Postings auf eine entsprechende Mobilisierung im nördlichsten Bundesland hingewirkt. Demonstrationsanmelder für „Neumünster wehrt sich“ war Enrico Pridöhl aus Ostholstein. Knapp 80 Gesinnungsgenossen aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg kamen am 14. November zum Sammelplatz nach Neumünster, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Tagungsstätte des FDP-Landesparteitages befand. Die knapp 200 Nord-Liberalen unterbrachen wegen des unrühmlichen Anlasses ihre Sitzung und zeigten Riemke, Pridöhl und Co. geschlossen ihre rote Stimmkarte.

Unter die „Wehrt-sich“-Demonstranten mischten sich auch NPD-Aktivisten wie etwa der Neumünsteraner Ratsherr Mark Michael Proch oder der Hamburger Parteifunktionär Lennart Schwarzbach, der wegen des strömenden Regens aber nur selten zu seiner Kamera griff, um Fotos zu machen. Auf ihrer Facebook-Seite hatte Hamburgs NPD sowohl den Termin in Neumünster wie eine nahezu zeitgleiche NPD-Kundgebung im niedersächsischen Fallingbostel beworben. Schwarzbach ist einer der führenden Köpfe im gemeinsamen Verband der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten Hamburg-Nordland, die die JN-Aktivitäten in der Hansestadt und in Schleswig-Holstein bündelt. Außer Proch fand sich kein weiterer NPD-Spitzenfunktionär aus Schleswig-Holstein ein; ein Indiz dafür, dass die angeblichen Spannungen zwischen der Landesspitze der Partei und Riemke wohl mehr als nur Gerede sind.

Angemeldete Kundgebungen ohne Teilnehmer

Als die Organisatoren Riemke und Pridöhl nach Absprache mit der Polizei dazu aufriefen, die zurückgelegten 50 Meter zum Ausgangsort für eine Abschlusskundgebung zurückzugehen, zeigte sich schließlich die unkoordinierte Zusammensetzung der „Wehrt-sich“-Teilnehmer. Autonome Nationalisten übernahmen kurzerhand die Wortführerschaft und verwarfen die Ansage von Riemke und Pridöhl. Pridöhl war in jüngerer Vergangenheit vor allem dadurch aufgefallen, dass er fünfmal Kundgebungen gegen Pädophile und so genannte Kinderschänder, der von Neonazis verwendete Begriff für Sexualstraftäter, anmeldete, wegen Ausbleibens von Mitdemonstranten dann aber meistens wieder absagte. Das war zweimal im brandenburgischen Prenzlau und zuletzt im schleswig-holsteinischen Bad Malente der Fall. Dazwischen lag noch ein Demonstrationsversuch in Kassel. Der „Nordkurier“ schrieb über die gescheiterte Kundgebung des 40-Jährigen in Prenzlau Anfang des Jahres,  als sich neben Pridöhl nur der NPD-Kreistagsabgeordnete David Weide aus Schwedt einfand: „Stell Dir vor, es gibt eine Demo, und keiner geht hin.“

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