1. Mai in Erfurt: Auch „Kameraden“ schämen sich fremd
„Es wird immer schlimmer“, sagte gestern am frühen Nachmittag eine junge Frau zu ihrem Begleiter, nachdem sie ihre Fahrräder im Erfurter Hauptbahnhof an einer Gruppe Neonazis vorbei geschoben hatten. Dort saß auf einer Bank, umringt von gut einem Dutzend Polizisten, der Vize-Chef der thüringischen NPD, Thorsten Heise, nebst einer Handvoll Unterstützern, und biss genüsslich in eine Bratwurst. Auch wenn der einschlägig vorbestrafte Heise und seine Funktionärsclique ihren Anhängern bei der Demonstration zum 1. Mai unter dem Motto „Die etablierte Politik macht Deutschland arm - Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen“ einen anderen Eindruck vermitteln wollte, die Veranstaltung war hartes Brot und zäh wie Leder. Zumal im nahen Saalfeld mehr als drei Mal so viele Neonazis demonstrierten.
Um 11.00 Uhr, dem offiziellen Beginn, hatten sich erst neun NPD-Demonstranten am Sammelpunkt eingefunden. Unsicher standen die zwei Frauen und sieben Männer, unterm Arm ein Transparent der NPD Ingolstadt, auf dem großen, von „Hamburger Gittern“ eingezäunten Platz. Es dauerte mindestens 30 Minuten, bis die restlichen Teilnehmer aus dem Bahnhof kommend von der Polizei zu dem verlorenen Häufchen geführt wurden. Wer nun mit einem baldigen Auftakt gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Zunächst musste die Partei fünf Ordner nachmelden, da die vorgeschlagenen Personen nicht über eine weiße Vorstrafen-Weste verfügten. Anschließend hatte das Neonazi-Liedermacherduo „A3stus“ bei seinem Kurzauftritt mit technischen Problemen zu kämpfen. Ein „Lied“ musste drei Mal angestimmt werden. Diese laienhafte Darbietung und die amateurhaft gereimten Texte rangen den wenigsten der rund 200 anwesenden Demonstranten mehr als einen Höflichkeitsapplaus ab, einige schauten peinlich berührt zu Boden. Bei dem ein oder anderen war sogar ein krampfhaft unterdrücktes „Fremdschäm-Lächeln“ zu erkennen.
Parolen und Hetze im Minutentakt
In Bewegung setzte sich der Tross dann auf einer menschenleeren Hauptverkehrsstraße. Erst später bogen die Marschierer in ein Wohngebiet ein, wo sie auf ein paar neugierige Beobachter trafen, die aus ihren Wohnung in den oberen Stockwerken munter Fotos schossen. Ein paar Dutzend NPD-Gegner schafften es trotz einer weiträumigen Absperrung der Polizei an die Strecke und machten ihrem Unmut lautstark Luft. Die Partei-Anhänger antworteten mit den bekannten Parolen wie „Antifa-Hurensöhne“. Ansonsten hielten sie sich ebenfalls nicht zurück. „Nationaler Sozialismus jetzt“, „Hier marschiert der Nationale Widerstand“ oder „Wir wollen keine Asylantenheime“ schallte es mal mehr, mal weniger laut durch die Gassen. Von einer Mäßigung, die der neue Landesvorstand um Tobias Kammler seiner Truppe auferlegt hat, war nichts zu spüren.

NPD-Demonstration auf dem Weg durch menschenleere Straßen (Foto: ENDSTATION RECHTS.)
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