Jahresrückblick
Zivilgesellschaft in prekärem Zustand
Der Bundesverband Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus hat erstmals einen Jahresbericht vorgelegt. Der Dachverband von ca. 50 bundesweit tätigen Beratungsteams mit Sitz in Dresden will damit die Öffentlichkeit aufrütteln. Er kommt zu dem alarmierenden Schluss, dass sich die Zivilgesellschaft in einem prekären Zustand befindet.

In seiner Bestandsaufnahme sieht der Dachverband der Mobilen Beratungsteams die AfD als größte Gefahr für die Demokratie an. Dagegen sind neonazistische Zusammenschlüsse „unsichtbarer“ geworden, aber keineswegs weniger aktiv. Überhaupt finden diverse Absprachen und Bewerbung von Events verstärkt in den sozialen Medien statt, wobei Telegram eine Spitzenrolle einnimmt. Die AfD tritt oft mit Vorfeldorganisationen wie der Identitären Bewegung in Erscheinung. Als Kaderschmiede für AfD-Anhänger oder -Personal hat sich das „Institut für Staatspolitik“ herauskristallisiert.
Demokratiefeindliche Corona-LeugnerInnen und ImpfgegnerInnen haben sich in ihrer Protestattitüde als themenbeweglich gezeigt, die sich auch bei Klimafragen oder zur aktuellen Inflation mobilisieren lassen. Ferner zählen zum Erscheinungsbild des Rechtsrucks Reichsbürger und völkische SiedlerInnen. Die Mobilen Beratungsstellen listen in ihrem Report dazu die Gruppierung „Königreich Deutschland“ auf, die vor allem auf die Anschaffung von eigenen Immobilien setzt. Als sektenartiger Zusammenschluss agiert zudem die „Anastasia-Bewegung“. Von diesem Klientel angeboten werden Seminare unter dem Titel „Systemausstieg“, aber auch Initiativen mit dem Aufbau eigener Schulstrukturen, um der staatlichen Schulpflicht zu entgehen.
Migration aktuelles Agitationsthema
Der Komplex Flucht und Migration hat sich nach der Covid-Pandemie als Agitationsthema etabliert. Dabei tauchen gewaltbereite neonazistische Protestgruppen auf, die bereits 2015 anzutreffen waren. Allein in den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden 1.515 Angriffe gegen Geflüchtete oder deren Einrichtungen registriert. Aktuell zeigt sich ein massiver Anstieg von antisemitischen Vorfällen.
Inmitten multipler Krisen stellt der Bundesverband besorgt fest, dass die Widerstandskraft der Zivilgesellschaft schwächer geworden ist. Dabei geht es nicht nur um fehlende Wertschätzung und personell wegbrechende Ressourcen, sondern auch um fehlende Kontinuität in der Projektarbeit und wegfallende Geldtöpfe. Der Dachverband nutzte seine Pressekonferenz mit der Jahresvorstellung seiner Aktivitäten am Montag daher auch dafür, einen dringlichen Appell an die Politik loszuwerden: „Stärken Sie zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus!“ Außerdem geht die Empfehlung an Kommunalvertreter wie Kreistage oder Stadträte, „sich besser für den Umgang mit der AfD aufzustellen.“
Die Mobile Beratung hat noch einmal auf ihr Handwerkszeug hingewiesen: Sie kann bei Anfeindungen und Bedrohungen vor Ort eingeschaltet werden. Dazu kann das vorhandene Know-how für Aufklärungsveranstaltungen oder bei der Organisation von Nachbarschaftsfesten abgerufen werden.