Amtsgericht München

Zehn Monate Haft für Angriff auf Pressefreiheit

Fast ein Jahr nach einer Attacke auf einen Reporter des Bayerischen Rundfunks fiel am Montag ein Urteil. Für den rechten Intensivtäter Luis T. erhöht sich damit die Zahl der Monate, die er voraussichtlich in Haft verbringen muss. 

Dienstag, 08. August 2023
Thomas Witzgall
Luis T. verdeckt sein Gesicht vor den anwesenden Journalisten
Luis T. verdeckt sein Gesicht vor den anwesenden Journalisten

Die Attacke auf den Reporter hatte damals eine Debatte über die Sicherheit von Medienschaffenden ausgelöst, gerade bei Veranstaltungen, die ein verschwörungsideologisch orientiertes Publikum anziehen, ob als Teilnehmer oder als Störer. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hatte damals eine öffentliche Pressekonferenz auf dem Marienplatz gegeben, auf der für die Corona-Impfung geworben wurde. 

Der Angreifer Luis T. hatte sich auf der Veranstaltung zunächst rustikal verbal bemerkbar gemacht. Ob es dabei schon zu einem tätlichen Angriff auf den Reporter des Bayerischen Rundfunks gab, konnte bei Gericht nicht mehr final geklärt werden. Zumindest war von wilden Bewegungen mit den Armen auszugehen, dem der Journalist noch ausweichen konnte. Platzverweise gegen Luis T. folgten. 

Beim zweiten Angriff konnte der als Nebenkläger auftretende Medienvertreter nicht mehr ausweichen und wurde im Gesicht getroffen. Er hatte sich laut eigener Aussage im vertieften Gespräch mit Impfgegnern befunden und hatte es nicht kommen sehen. Weil die zu schützende Pressekonferenz hier schon beendet war, war die Polizei bereits abgezogen und interessierte sich auch nicht mehr für den Platzverweis gegen Luis T., obwohl dieser wegen einer langen Straftatenserie mit rassistischen Beleidigungen und Volksverhetzung als polizeibekannt gelten dürfte. Der noch anwesende private Sicherheitsdienst hielt Luis T. fest, bis hinzugerufene Streifen eintrafen. 

Auf dem Weg zur Wache und in der Zelle beleidigte er die Beamten unter anderem noch homophob. An die ausgesprochene Drohung „Ich bringe euch alle um“, die damals auch durch die Medien ging, konnte sich dagegen niemand mehr konkret erinnern und der Vorwurf der Bedrohung wurde im Einvernehmen aller Beteiligten fallengelassen. 

Presse, Polizei, Politik - niemand ist vogelfrei 

Die Folgen des Angriffs waren für den Reporter des Bayerischen Rundfunks vor allem psychischer Natur. Der Mann ging erstmal in den geplanten Urlaub, sagte aber später noch Aufträge ab. Ein Coaching half ihm dabei, sich wieder auf unüberschaubare Menschenansammlungen einzulassen, in der er als Videojournalist beruflich eintauchen müsse. Den Marienplatz habe er erst zwei Monate später wieder ohne Gedanken an den Vorfall betreten können. 

Staatsanwaltschaft und Gericht betonen in ihren Ausführungen auch, dass sie den Angriff auf den Reporter als Angriff auf die Pressefreiheit strafverschärfend werten würden und die Verteidigung der Rechtsordnung eine Freiheitsstrafe verlange. Niemand sei wegen seiner Tätigkeit, egal ob als Presse, Polizei und in der Politik vogelfrei, so die Richterin. Die Verteidigung von T. meinte dagegen, es habe sich um eine persönliche Auseinandersetzung gegen den konkreten Journalisten gehandelt. 

Aus der Verhandlung ausgeschlossen

Obwohl der Angeklagte mit 24 Jahren nicht mehr unter das Jugendstrafrecht fiel, versuchten sich alle Prozessbeteiligten darin, im Sinne der Resozialisierung Brücken zu bauen. Der verletzte Journalist akzeptierte 500 Euro im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches. Für den mittellosen Angeklagten sprang hier seine Mutter ein. Zur Entschuldigung mit dem recht formelhaften Satz „ich akzeptiere ihre journalistische Arbeit“ musste der Täter von seiner Anwältin mit einem der zahlreichen Stupser in den Rücken animiert werden. Die dabei gezeigte Körperhaltung, die sehr an einen unmotivierten und missmutigen Schüler erinnerte, weckte Zweifel, ob die Entschuldigung tatsächlich ernst gemeint war. Aber darüber blickten alle wohlwollend hinweg. Die Verteidigung hatte weiter versucht, Pluspunkte zu sammeln, etwa, indem ein Teil der Vorwürfe eingeräumt wurde, jedenfalls wurde nichts definitiv bestritten. 

Den Weg zu einer Strafaussetzung zu Bewährung verbaute sich der Angeklagte, der erkennbar unter psychischen Problemen leidet, meist selbst. Am ersten der beiden Prozesstage hatte er für alle hörbar, anwesende Medienvertreter beschimpft. Dann fiel er immer wieder Zeugen und dem Oberstaatsanwalt Felix Obermair ins Wort, der hier eine enorme Geduld bewies und dem Angeklagten immer wieder versuchte, ihm die Regeln des Prozesses zu erklären. Der Angeklagte wähnte sich als Opfer einer Verschwörung. Alle Zeugen würden lügen und trotz divergierender Aussagen alle unter einer Decke stecken. 

Turm an Taten

Während des Plädoyers des Oberstaatsanwalts, als dieser zu erkennen gab, dass er eine Freiheitsstrafe für tat- und schuldangemessen halte, war Luis T. dann auch nicht mehr einzufangen. Er schlug mit der Hand auf den Tisch, warf dem Anklagevertreter zudem ein „der spinnt doch“, „was stimmt mit dem nicht“ und dass er kein Schläger sei, entgegen und unterbrach zudem die Richterin. 

Hier war dann die gezeigte Geduld am Ende, es wurde zunächst ein Ordnungsgeld von 200 Euro festgesetzt und kurz danach der Ausschluss des Mannes aus der Sitzung verfügt. Mit ihren Forderungen lagen die Staatsanwaltschaft, die elf Monate forderte und Verteidigerin, die auf acht Monate plädierte, nicht weit auseinander. Die Frage nach einer möglichen günstigen Sozialprognose, also, ob von dem Angeklagten zukünftig keine Straftaten mehr zu erwarten wären und so Bewährung gewehrt werden könnte, hatte Luis T. durch sein Verhalten bereits selbst gegeben. 

Gericht und Staatsanwaltschaft sahen noch einen langen Weg, den der Angeklagte vor sich habe. Schon bei einem früheren Verfahren im Februar musste er aus der Verhandlung ausgeschlossen werden. Damals hatte er einen harten Konfrontationskurs gegen die Verhandlung gefahren, sprach schon zu Beginn der Verhandlung großspurig vom „Ausräuchern“ und bedrohte später noch die Richterin. Gestern sprach eher die Enttäuschung über die Aussicht auf eine verlängerte Zeit in der Justizvollzugsanstalt aus ihm.

Oberstaatsanwalt Obermeir nannte es Hafteindruck, den der Angeklagte seit seinem Haftantritt Mitte Dezember 2022 erhalten habe. Allerdings habe er in eigenverantwortlichen Handlungen jede Menge Straftaten begangen und er erkenne nun wohl, welchen Turm er dadurch aufgebaut habe, der ihn gestern und in den vergangenen Verhandlungen nun eingeholt habe. Mit über 50 Strafverfahren hatte er die Staatsanwaltschaft immens beschäftigt und jüngst zu einer Verurteilung am Landgericht zu addiert 2 Jahren und sechs Monaten Haft geführt. 

Weder die Verurteilung gestern noch das Urteil der Berufungsverhandlung am Landgericht sind bislang rechtskräftig.

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