Xavier Naidoo mit rechten Aktivisten: Neue Querdenken-Hymne?

Donnerstag und Freitag wurden zwei Lieder nebst Videoclips publiziert, in denen der Soulsänger und Verschwörungsideologe Xavier Naidoo auch mit verschiedenen Musikern und Aktivisten aus dem rechten bis rechtsextremem Spektrum kooperiert. Einer der Macher sprach in einer Tonnachricht von einem „medialen Angriff auf allen Fronten“ gegen den Mainstream, den dieser nicht mehr ignorieren könne.

Samstag, 22. Mai 2021
Michael Klarmann

Am Donnerstagabend veröffentlichten rund 20 Rapper und Aktivisten den ersten Song nebst offizielles Video ihres Kooperationsprojektes „Rapbellions“. In dem Song „Ich mach da nicht mit“ steuert Naidoo unter anderem den Refrain bei. Die anderen Musiker bilden einen Querschnitt zwischen solchen, die die gängigen Verschwörungsmythen verbreiten, bei „Querdenken“-Versammlungen aufgetreten sind und zum Teil auch Bezüge zur rechtsextremen Szene und zu „Reichsbürgern“ haben. Aufsehen erregte das Video nicht nur, weil Naidoo dabei mit einer Reihe von umstrittenen Musikern kooperiert, sondern auch, weil im Text und im Video ein militanter Widerstand gegen Corona-Schutzmaßnahmen und Impfzentren glorifiziert wird.

Freitagabend wurde dann der Song „Heimat“ veröffentlicht. Hier sind mehr als zwanzig Musiker und Aktivisten involviert die unter dem Label „Die Konferenz“ firmieren. Das Lied ist eine deutschtümelnde Hymne, die mittels Text und Video Inhalte transportiert, die von der „Identitären Bewegung“, der AfD und Pegida her bekannt sind. Durch Sequenzen im Video von Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen wirkt der Song zudem so, als empfehle er sich als neue Hymne für eine Art „Corona-Pegida“. Der überwiegende Teil der Mitwirkenden neben Naidoo stammt aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum. Zurück geht die Kooperation auf ein Vernetzungstreffen von Medienaktivisten in einem Musikstudio in Ribnitz-Damgarten (Mecklenburg-Vorpommern) am Osterwochende.

Medialer „Angriff auf allen Fronten“

Beide Songs respektive die offiziellen Videos dazu wurden in der Szene kurz vor sowie im Zuge der Veröffentlichung umfangreich szenenintern beworben. Publiziert wurden sie fast zeitgleich über Telegram, Videoportalen wie YouTube und wichtigen Musikportalen oder Streamingdiensten wie Apple Music, Spotify, Deezer oder Amazon Music.

In einigen Charts jener Plattformen erreichte der Song binnen kurzer Zeit hohe Platzierungen. Teilweise wurden er und die Videos aber auch von den Anbietern wieder entfernt. Insbesondere die „Rapbellions“ hatten damit offenbar schon gerechnet und verbreiten nun den Vorwurf, gegen sie werde Zensur ausgeübt. Gegen andere Plattformen gab es Aufrufe zu einem Shitstorm, weil sie die Lieder oder Videos nicht mehr verbreiten.

„Rapbellions“ firmierten von Beginn an als gemeinsames Kooperationsprojekt. Gleichberechtigt nebeneinander werden Musiker und Medienaktivisten oder Grafiker zwar meist unter ihren Künstlernamen benannt, jedoch wird darauf verzichtet einzelne Personen besonders hervorzuheben. Gleichwohl fiel zuvor auf, dass insbesondere der „Fakten, Frieden, Freiheit“-Aktivist Sebastian Verboket aus dem südlich von Mönchengladbach gelegenen Heinsberg und der „Unblogd“-Macher Miró Wolsfeld aus dem Kölner Raum auffallend früh auf ihren Kanälen schon sehr konkret für das Projekt warben. Wolsfeld war es auch der via Telegram von einem „medialen Angriff auf allen Fronten“ auf den Mainstream sprach, dem man nun „hart auf den Sack“ gehen werde.

Zwischen Verschwörungsmythen und Rechtsradikalismus

Beide begannen ihre Influencer-Laufbahn als eher klassische Verschwörungsgläubige, haben sich derweil jedoch dem Rechtsaußen-Spektrum stark angenähert oder gehören diesem selbst an. Der rechtsradikale, verschwörungsideologische Medienaktivist Verboket singt im Video der „Rapbellions“ etwa als „Der Typ“ an der Seite der unterdessen vom nordrhein-westfälischen Landesverfassungsschutz beobachteten „Corona Rebellen Düsseldorf“, die den „Reichsbürgern“ nahe stehen. In dem Videoclip hockt neben Verboket zudem als Statist der rechtsextreme „Reichsbürger“ Sascha V. aus Jüchen (Rhein-Kreis Neuss), der als Rapper „Master Spitter“ auf Versammlungen von Rechtsextremen, „Gelbwesten“ und „Querdenkern“ aufgetreten ist.

Konkreter benennt „Die Konferenz“ die Rollen der Mitwirkenden im Song „Heimat“ und dem zugehörigen Videoclip. Xavier Naidoo, Gründungsmitglied der Musikgruppe „Söhne Mannheims“, ehemaliger Dozent an der Popakademie Baden-Württemberg, ehemaliger Juror bei „The Voice of Germany“ und 2015 zurückgezogener deutscher Teilnehmer beim „Eurovision Song Contest“, wird als Komponist und Texter genannt. Neben ihm fungiert als Komponist Michael Grawe, in dessen Tonstudio an Ostern das Vernetzungstreffen nebst erster Aufnahmen stattfanden.

„Reichsbürger“-Ideologie und die „Heimat“

Auf der Webseite seines Tonstudios gab Grawe im April im Impressum an, er sei „freiwerdender Mensch“ nach dem Staatsangehörigenrecht von 1913. Offenbar steht er also der „Reichsbürger“-Ideologie nahe oder betrachtet sich selbst als Bürger des Deutschen Reiches, Stand 1913. Grawe, der in der Szene auch unter dem Label „Kulturstudio“ firmiert, wird auch als Produzent des Songs „Heimat“ benannt, ebenso hat er diesen abgemischt und gemastert. Neben Naidoo wird als Texter zudem Verboket genannt sowie „Ukvali“, ein verschwörungsideologischer Rapper aus Hessen. Kameramann und Filmproduzent war Wolsfeld.

Als Sänger treten neben Naidoo im Song „Heimat“ rund 15 Personen in Erscheinung, die restlichen Mitwirkenden bei „Die Konferenz“ – darunter Medienaktivisten aus der rechten Szene wie Billy Six, „Kla.TV“ und Oliver Janich – übernehmen offenbar andere Aufgaben. Weitere Sänger sind der rechtsradikale „Aktivist Mann“, also Matthäus W. aus dem Kreis Minden-Lübbecke, der wegen seiner äußerst radikalen Positionen und Aktionen nunmehr ehemalige AfD-Politiker Heinrich Fiechtner sowie der Kölner Anwalt Gordon Pankalla aus dem „Querdenken“-nahen Juristennetzwerk „Anwälte für Aufklärung“.

Naidoo und die rechtsextreme Hooligan-Band „Kategorie C“

Neben diesen und Naidoo singt auch Hannes Ostendorf, Kopf der eigentlich aufgelösten rechtsextremen Hooligan-Band „Kategorie C“ (KC). KC haben 2019 auf dem vom Neonazi und NPD-Funktionär Thorsten Heise organisierten „Schild & Schwert“-Festival in Ostritz ihr Abschiedskonzert gespielt. Ostendorf veröffentlichte gleichwohl seitdem unter dem Namen „Hannes“ weiter Songs, publizierte mit anderen Musikern der Rechtsrock-Szene ein „Corona-Lied“ und ist zudem mit seiner rechtsextremen Band „Nahkampf“ weiter präsent.

KC hatte vor Jahren schon den Soundtrack der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) abgeliefert. Im Zuge der Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen hatten Ostendorf und HoGeSa 2020 versucht, sich offiziell der „Querdenken“-Bewegung anzunähern. Es verwundert daher wohl nicht, dass die Macher des Songs „Heimat“ sich darum bemüht haben, auch Ostendorf als einen der Sänger zu gewinnen und so eine Brücke zu dessen politischen und aktionistischen Umfeld zu bauen. Dass Ostendorf und Naidoo nun jedoch kooperieren stellt für den Soul-Sänger eine neue Offenheit und Nähe zum Rechtsextremismus dar.

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