Dortmunder Neonazi-Szene
West-Ost-Vernetzung: Neonazi-Kader aus Dortmund agieren im Harz
Die neonazistischen Aktivitäten in Dortmund waren vorübergehend zurückgegangen. Nachdem Kader vor einiger Zeit nach Chemnitz abgewandert sind und weitere Aktivposten inhaftiert waren oder zur Fahndung ausgeschrieben wurden, sind andere Neonazis nunmehr in Halberstadt aktiv.

So fiel der Organisator des rechtsextremistischen Fight-Events „Kampf der Nibelungen“, Alexander Deptolla, zuletzt mehrfach in Halberstadt auf. In der Stadt im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt nahmen er und weitere Neonazis – darunter offenbar auch Besucher aus Dortmund – an neonazistischen Aktionen und rechten „Montagsdemonstrationen“ teil. Deptolla soll nun in Halberstadt wohnen.
Inzwischen ebenfalls in Ostdeutschland wohnhaft soll Markus Walter sein, einst in Niedersachsen in der NPD aktiv, später im Kölner Umland Funktionär von „Die Rechte“ (DR). Walters DR-Kreisverband Rhein-Erft gehörte zu den ersten, die rund um den Jahreswechsel 2022/2023 wieder zur NPD überliefen. In seiner damaligen Wahlheimat Kerpen versiegten danach neonazistische Aktivitäten. Via Facebook kommentierte Walter kürzlich in einer Debatte über Proteste gegen Rechts, dass auch er nun in Halberstadt ansässig sei.
Eklat im Dortmunder Stadtrat
Auch Matthias Deyda wurde bei rechten Aktionen in Halberstadt gesehen. Er gehört dem Rat der Stadt Dortmund an und war seinerzeit für Michael Brück nachgerückt, der sein Mandat nicht angetreten hatte. Erst im November sorgte Deyda im Stadtrat für einen Eklat, weil er dort laut Medienberichten Israel das Existenzrecht abgesprochen und den Terror der Hamas verharmlost haben soll.
Bereits vor einigen Jahren zogen Neonazi-Kader aus Dortmund in den Raum Chemnitz um, darunter auch ehemalige Funktionäre der Splitterpartei „Die Rechte“. Ende 2020 zog beispielsweise der Neonazi Michael Brück dorthin. Brück engagiert sich inzwischen bei den „Freien Sachsen“. Zwischenzeitlich schien die braune Szene in der einstigen Hochburg Dortmund dadurch geschwächt. Der Kader und Verleger Sascha Krolzig musste unter anderem eine Haftstrafe verbüßen.
„Die Heimat“ statt „Die Rechte“
Im Jahr 2021 verstarb die Szene-Ikone Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt. Der verurteilte Neonazi und Influencer Steven F. tauchte im November 2023 vor einem anstehenden Haftantritt unter. Dennoch entstand in jener Zeit eine neue Szene mit jungen „Kameraden“, die durch Gewalttaten und Bedrohungen auffielen und für Schlagzeilen sorgten.
Um den Jahreswechsel 2022/2023 hatte sich die Szene in Dortmund und Nordrhein-Westfalen neu strukturiert. Das Gros der DR-Mitglieder wechselten zur NPD, die sich später in „Die Heimat“ umbenannte. Krolzig wurde Kreisvorsitzender in Dortmund, Alexander Deptolla sein Stellvertreter in dem NPD- respektive „Die Heimat“-Verband. Zuvor war er nordrhein-westfälischer Landeschef der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ gewesen.
Deptolla zu Gast in der alten Heimat
Wirklich geschwächt ist die Dortmunder Szene nicht. Nach eigenen Angaben hat man dort am Vorabend des 20. April – „Führergeburtstag“ – einen „Stützpunkt“ der „Jungen Nationalisten“ (JN) gegründet. In einer Pressemitteilung heißt es dazu, mit „Deptolla als Gastredner [sic!] haben wir am Freitagabend, im Kreise vieler Kameraden von nah und fern, den Eintritt in die JN verkündet und gefeiert.“
Am 20. April selbst fand in den von Neonazis bewohnten Häusern im Stadtteil Dorstfeld eine Lesung beziehungsweise Podiumsdiskussion zum neuen Buch von Michael Brück statt. Es trägt den Titel „Kampf um Dortmund – Vier Jahrzehnte Widerstand“ und wurde in den Räumen der „Kreisgeschäftsstelle“ von „Die Heimat“ vorgestellt. An der Veranstaltung nahmen unter anderem Brück, sein Verleger Krolzig und Deptolla teil.
Sorgen im Harz
Mit Sorge beobachten antifaschistisch Engagierte das Auftreten und Engagement von Neonazis aus NRW im Harz. Während der Pandemie mischten sich in Halberstadt ein Protest-Milieu aus Corona-Leugnern, Impfgegnern und Rechtsextremen. Schlagzeilen machte diese Szene, als sie 2022 mit Fackeln vor das Haus des Bürgermeisters zog und so bundesweit für Aufsehen sorgte. Beteiligt war damals die rechtsextreme Gruppe „Harzrevolte“, die inzwischen inaktiv sein soll.
Bei der Nachfolge jener früheren „Spaziergänge“, die weiter an Montagen in Halberstadt stattfinden, fielen nun auch Deptolla und seine „Kameraden“ auf. Im rund zwanzig Kilometer von Halberstadt entfernten Wienrode haben derweil völkische Siedler Fuß gefasst. Erst vor wenigen Wochen machte der Verfassungsschutz neue Erkenntnisse über den Harzer Verein „Weda Elysia“ öffentlich. Die Behörde geht nun davon aus, dass auch in Wienrode eine gesicherte rechtsextremistische Gruppierung aktiv ist.