Analyse

Wer wählte die AfD bei der Europawahl?

Die AfD legte bei den Europawahlen knapp fünf Prozent zu. Der Blick auf einschlägige Daten veranschaulicht, dass von einer weiteren Festigung als Wahlpartei auszugehen ist. Allerdings ist dies auch kein soziales Gesetz, wie andere Länder zeigen.

Dienstag, 11. Juni 2024
Armin Pfahl-Traughber
AfD

Die AfD erhielt bei der Europawahl am 9. Juni 15,9 Prozent der Stimmen. Damit konnte sie ein Plus von 4,9 Prozent gegenüber der vorherigen Wahl verbuchen. Erstmals wurde sie damit bundesweit die zweitstärkste Partei, im Osten sogar die stärkste Partei. Zwar erreichte die AfD demnach national nicht 20 Prozent und mehr, wie ihr in den Monaten zuvor in Wahlumfragen prognostiziert wurde. Gleichwohl kann auch der geringere Anstieg als gewisser Erfolg verstanden werden, schreckten doch diverse Skandale ihre Wähler nicht ab.

Blickt man auf die dazu vorliegenden Daten der Wahlforschung, so lassen sich meist Kontinuitäten, aber auch einige Neuerungen konstatieren. Darauf will die folgende Analyse aufmerksam machen, welche sich auf Infratest dimap stützt. Zunächst dazu aber noch folgende Daten: Die AfD erhielt insgesamt 6.324.008 Stimmen, also 2.219.555 mehr als noch 2019 mit 4.104.453 Stimmen. Dies waren seinerzeit 11 Prozent, 2023 waren es 15,9 Prozent. Für die folgende Darstellung ist der letztgenannte Gesamtwert entscheidend.  

Erneuter Anstieg jüngerer Wähler

Blickt man auf die Geschlechterzusammensetzung, so lässt sich nach wie vor ein größerer Anteil von Männern konstatieren: Von den Frauen wählten nur 12 Prozent, von den Männern 19 Prozent in diesem Sinne. Bezogen auf das Alter zeigte sich hinsichtlich der einschlägigen Gruppen, dass die 30- bis 44-Jährigen mit 20,1 Prozent und die 45- bis 59-Jährigen mit 17,7 Prozent hier Wähler waren. Überdurchschnittlich stimmten aber auch die 16- bis 29-Jährigen für die Partei, womit sich ein jüngst zu beobachtender neuerer Trend fortsetzt.

Zunächst hatte die älteste und jüngste Gruppe unterdurchschnittlich für die Partei votiert, die AfD erhält aber auch seit den letzten Jahren mehr Stimmen von der jüngeren Wählergruppe. Bezogen darauf spricht einiges für eine längerfristige Stabilisierung eines solchen Wahlverhaltens. Für die AfD stimmten unterdurchschnittlich lediglich die über 60-Jährigen. Auch bei der formalen Bildung bestand Kontinuität: Hauptschule und Mittlere Reife waren mit 18,7 und 22,5, Hochschulreife und Hochschulabschluss nur mit 12,7 und 7,3 Prozent vertreten.

Blick auf den Wählerstrom

Bei den Berufsgruppen und dem Erwerbstatus gab es ebenfalls bekannte Spezifika: Für die AfD votierten 25,5 Prozent der Arbeitslosen und 25,1 Prozent der Arbeiter. Gewerkschaftsmitglieder gehörten mit 18,5 Prozent ebenfalls leicht überproportional der Wählerschaft an. Bezogen auf die Konfession waren es mit gleichermaßen 14 Prozent sowohl evangelische wie katholische Wähler. Auffällig war hier bezogen auf das AfD-Elektorat aber auch, dass sechs Prozent der muslimischen Wähler so stimmten. Es handelt sich um einen auffälligen, wenn auch unterdurchschnittlichen Wert.

AfD Europawahl

Und dann sei noch der Blick auf den Wählerstrom geworfen. Woher kamen für die AfD die Stimmen, wofür votierten deren Wähler zuvor? Von der CDU/CSU und SPD stammten jeweils 570.000 Stimmen, von der FDP 430.000 und von „Die Linke“ 150.000 Stimmen. Selbst 50.000 frühere Anhänger der Grünen stimmten für die Partei. Lediglich 160.000 ehemalige AfD-Anhänger votierten für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW).

Mehr Ideologie, weniger Protest

Eine andere wichtige Detailerkenntnis bezieht sich auf das artikulierte Motiv zum Votum, benannten doch 70 Prozent inhaltliche Überzeugungen als entscheidend. Demnach trägt die ohnehin immer bedenkliche Auffassung, wonach es sich nicht um Ideologie, sondern um Protest handele, schon lange nicht mehr als Erklärung. Bilanzierend betrachtet sprechen bezogen auf die AfD die Daten für eine weitere Stabilisierung als Wahlpartei.

Man konnte knapp fünf Prozent der Stimmen hinzugewinnen, ist im Osten die stärkste Partei, die zweitstärkste Partei im Westen, landete auch bei den Jüngsten nur knapp auf Platz 2, konnte gar in das den Grünen zugerechnete Wählermilieu eindringen, verlor an das BSW nur wenige Stimmen und weist eine zunehmend ideologisch gefestigte Wählerschaft auf. Es lässt sich für die AfD aber nicht von einem unaufhaltsamen Aufstieg sprechen, wie der Blick in andere Länder lehrt. Im europäischen Norden mussten ähnliche Parteien deutliche Rückschläge hinnehmen. Eine Analyse der Gründe dafür wird wichtig werden.

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