Verbreiten von NS-Propaganda
Weitere Anklagen gegen Neonazi-Kader Thorsten Heise
Gegen den „Die Heimat“-Funktionär und rechtsextremen Multiaktivisten Thorsten Heise sind jetzt schon drei Gerichtsverfahren anhängig. Nach einer Anklage wegen Hakenkreuzen hat die Staatsanwaltschaft den braunen Strippenzieher und Szene-Unternehmer auch wegen des Vertriebs von mutmaßlich volksverhetzender Musik sowie von T-Shirts mit dem Logo einer NS-Organisation angeklagt.
Viele Jahre lang konnte Thorsten Heise als eine Art Justizwunder gelten: Egal, was der umtriebige Neonazi-Führer tat, die Behörden ließen ihn glimpflich davonkommen. Oder gleich ganz ungeschoren. Nicht einmal, als in seinem Haus im thüringischen Fretterode eine Uzi-Maschinenpistole, ein Maschinengewehr und eine hinter einem Spiegel versteckte Pistole gefunden wurden, hatte das strafrechtliche Konsequenzen. Seit 2009 hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD, die sich heute „Die Heimat“ nennt, nicht mehr vor Gericht gestanden. Damals war er wegen der Produktion volksverhetzender CDs verurteilt worden, zu einer Bewährungsstrafe, wieder einmal. Seine letzte Gefängnisstrafe – verhängt wegen eines Angriffs auf Polizeibeamte – hat Heise bereits vor mehr als 20 Jahren abgesessen.
Jetzt aber scheinen die Ermittlungsbehörden ein verschärftes Interesse an dem 54-Jährigen entwickelt zu haben. Bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Staatsanwaltschaft in Mühlhausen warten mittlerweile schon drei Anklagen gegen den militanten Neonazi auf ihre Verhandlung, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte.
„Ich fei’re heut’ Adis Ehrentag“
Die älteste ist bereits ziemlich genau zwei Jahre alt, es geht um vier Hakenkreuze, die Heise in den steinernen Türsturz eines pseudohistorischen Neubaus auf seinem Grundstück in Fretterode einmeißeln ließ. Aufgefallen war das allerdings nicht der Polizei, sondern der linken Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss, die Heise wegen des Verwendens verbotener NS-Symbole anzeigte. Bereits sechs Mal sollte darüber vor dem Amtsgericht in Heiligenstadt verhandelt werden, doch immer wurden die Termine kurzfristig wieder abgesagt – zuletzt Anfang Februar, weil Heises Verteidiger sich krank gemeldet hatte. Der nächste Anlauf soll am 29. Mai gemacht werden.
Dann soll eine zwischenzeitlich ergangene weitere Anklage gleich mitverhandelt werden: Die Staatsanwaltschaft wirft Heise vor, über seinen „Nordland-Verlag“ die Doppel-CD „Hautnah“ des Neonazi-Barden Frank Rennicke vertrieben zu haben. Darauf befindet sich ein Lied mit dem Titel „Birthday im April“, das die Anklagebehörde für volksverhetzend hält. In der Hymne zum 20. April, dem Geburtstag Hitlers, singt Rennicke: „Ich fei’re heut’ Adis Ehrentag, weil ich den Adolf gerne mag. Den find’ ich stark, der ist okay – von wegen das ist alter Schnee.“ Im Abspann tut der Liedermacher zwar so, als besinge er den österreichischen Sozialdemokraten Adolf Schärf, geboren am 20. April 1890. Doch die Staatsanwaltschaft hält das für vorgeschoben. „Der Text lässt vermuten, dass es um Adolf Hitler geht“, erklärt die Sprecherin.
NS-Propaganda verbreitet?
Die dritte Anklage war ursprünglich ebenfalls zum Amtsgericht Heiligenstadt erhoben worden. Das Verfahren soll aber abgegeben werden an das Landgericht Gera, das in Thüringen für Staatsschutzverfahren zuständig ist. Hier lautet der Vorwurf: „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“. Auch in diesem Fall brachte die Linken-Politikerin König-Preuss das Verfahren mit einer Anzeige ins Rollen. Auf T-Shirts der „Arischen Bruderschaft“ – einer von Heise geführten überregionalen Neonazi-Kameradschaft – hatte sie das Logo der 1933 gegründeten „Arbeitsgemeinschaft deutsch-arischer Bekleidungsfabrikanten“ (ADEFA) erkannt. Die ADEFA war nach der nationalsozialistischen Machtübernahme geschaffen worden, um als „jüdisch“ geltende Betriebe aus dem Geschäft zu drängen.
Thorsten Heise ist schon seit Jahrzehnten eine zentrale Führungsfigur der militanten Rechten in Deutschland und Europa. Der einstige Führungsfunktionär der 1995 verbotenen FAP, einer offen nationalsozialistischen Kleinstpartei, sitzt nicht nur in Bundes- und Thüringer Landesvorstand von „Die Heimat“ alias NPD, er ist auch international hervorragend vernetzt. Als Szene-Unternehmer produziert er rechtsextreme Musik, organisiert einschlägige Events und betätigt sich erfolgreich als brauner Versandhändler und Verleger. Seine „Arische Bruderschaft“ löste er im vergangenen Jahr jedoch auf – offenbar, um einem befürchteten Verbot zuvorzukommen.
Erstmals nach 15 Jahren muss er nun wieder auf einer Anklagebank Platz nehmen. Allzu gravierende Konsequenzen drohen dem Neonazi-Kader für das, was ihm die Staatsanwaltschaft Mühlhausen zur Last legt, gleichwohl nicht. Möglich sind Freiheitsstrafen von maximal drei Jahren oder Geldstrafen. Aber: Es schwebt auch noch ein weiteres Verfahren über ihm. Und das könnte gewichtiger werden. Im vergangenen Oktober wurde bei einer bundesweiten Großrazzia gegen ein mutmaßliches Netzwerk von Produzent*innen volksverhetzender Musik auch Heises Anwesen in Fretterode durchsucht. Die Generalstaatsanwaltschaft in Celle ermittelt wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.