Compact-Magazin
Von Links- nach Rechtsaußen: Die Autobiographie von Jürgen Elsässer
Der Herausgeber des Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, bewegte sich lange in linksextremistischen Kontexten. Seit Beginn der 2000er Jahre wechselte er dann in die rechtsextremistische Richtung. In seiner Autobiographie „Ich bin Deutscher. Wie ein Linker zum Patrioten wird“ zeichnet er diesen Prozess nach. Bei aller Einseitigkeit und Selbstgefälligkeit hat man es mit einem Werk zu tun, worin interessante Einflussfaktoren und Motivationen, Personen und Zusammenhänge thematisiert werden.

Gelegentlich entwickeln sich frühere Linksextremisten auch zu Rechtsextremisten. Dabei handelt es sich um kein Massenphänomen, gleichwohl gibt es einschlägige Fälle wie den von Horst Mahler von besonderer Relevanz. Das gegenwärtig bedeutsamste Beispiel dafür dürfte Jürgen Elsässer sein. Der Chef des Compact-Magazins arbeitete zuvor für ganz andere Publikationsorgane, wozu von „Konkret“ über „Junge Welt“ auch das „Neue Deutschland“ zählte. Zuvor war er im „Kommunistischen Bund“ politisch sozialisiert worden.
Seine politische Entwicklung hat er nun zum Gegenstand einer umfangreichen Monographie gemacht: „Ich bin Deutscher. Wie ein Linker zum Patrioten wurde“, erschienen bei dtw-Buch, Berlin. Es handelt sich um eine Autobiographie, welche auch die Entwicklung der politischen Milieus, worin sich seit den 1970er Jahren der Verfasser bewegte, thematisiert. Es versteht sich bei einer Autobiographie von selbst, dass dabei die subjektive Dimension dominiert. Bei diesem Autor kommen noch eine besondere Eitelkeit und Selbstgefälligkeit hinzu.
Serbischer Nationalismus als Geburtshelfer des deutschen Nationalismus
Gleichwohl verdient die Beschreibung durchaus Interesse, wofür es ganz unterschiedliche Gründe gibt. Dabei fällt der Blick zunächst auf Elsässers politische Entwicklung. Bezogen auf den Beginn bemerkt er: „Über die Verlockungen sexueller Freizügigkeit rutschen wir ins linke Lager“. Auffällig ist hier wie bei anderen Ausführungen, dass inhaltliche Gründe für politischen Protest kaum ein ausführlicheres Thema sind. Eher hat man bei dem Autor den Eindruck, dass es um politische Abweichungen um der politischen Abweichungen willen geht. Elsässer schildert dann ausführlich seine Entwicklung innerhalb der Linken, wobei dann der Bruch und die Hinwendung nach rechts interessant sind.
Als entscheidenden Gesichtspunkt nennt er hier die Serbien-Solidarität, die für ihn während der Auseinandersetzung um den Jugoslawien-Konflikt aufkam: „Mein serbischer Patriotismus war der Geburtshelfer meines deutschen“. Und nach diesen Ereignissen driftete er nach rechts, wobei auch hier inhaltliche Begründungen nicht vorgebracht werden.
Persönliche Blicke auf Mitstreiter
Ein zweiter interessanter Aspekt der Autobiographie besteht darin, dass in das Innenleben der jeweiligen politischen Szenen geblickt wird. Bei aller subjektiven Einseitigkeit ist dies immer wieder von besonderem Interesse. So wird etwa eine Diskussion mit Götz Kubitschek, der das „Institut für Staatspolitik“ gegründet hat und für die Neue Rechte als Organisator und Stratege wirkt, entgegen wohl dessen Wünschen nachgedruckt. Dadurch offenbaren sich viele Gemeinsamkeiten, etwa auch hinsichtlich der Absicht von Elsässer zum „Sturz des Regimes“ und der Betonung von Kubitschek zum „kommunikativen Rücksichtnehmen“.
Aber auch die Beschreibung und Einschätzung von Protagonisten ist immer wieder bedeutsam. Das gilt auch für Hermann L. Gremliza, den früheren Chef von Elsässer bei der linken „Konkret“-Zeitschrift. Er war demnach persönlich eine bescheidenere Person als in der öffentlichen Wahrnehmung, lebte aber auch in einer Hamburger „Villa“. Mitunter entsprechen Klischees auch sozialen Realitäten.
Hoffnung auf „Impfgegner“ und „Querdenker“
Und dann sind die Aktivitäten und Kontakte bedeutsam, womit sich Elsässer immer wieder ins gefällige Licht rücken mag. Ihm gelang es aber auch immer wieder für die Konferenzen des Compact-Magazins prominente Redner zu gewinnen, wobei die meist älteren Gemeinten womöglich gar nicht verstanden, in welchen Kontexten sie sich dann jeweils bewegten. Egon Bahr oder Peter Scholl-Latour gehörten dazu. Insbesondere wenn es um NATO-kritische und Russland-freundliche Positionen ging, waren gerade derartige Referenten für die öffentliche Wirkung überaus interessant.
Elsässer macht darüber hinaus kontinuierlich deutlich, dass er die AfD in ihrer Fundamentalopposition bestärken will, was seine „Flügel“-Nähe und Höcke-Unterstützung veranschaulicht. Am Ende seiner politischen Lebensbetrachtung stellt er aber auf andere Protagonisten ab, die „Querdenker und Impfkritiker“, welche für Elsässer als angeblich widerständige Massenbewegung wohl das neue revolutionäre Subjekt sein sollen.