Erste Sitzung des Bayerischen Landtages
Viel Halemba und kein Platz im Präsidium für die AfD
Am Montag hat sich der Bayerische Landtag mit einer stark vergrößerten AfD-Fraktion konstituiert. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand der Haftbefehl um den neu gewählten Abgeordneten Daniel Halemba. Die befürchtete Provokation um eine Verhaftung im Landtag blieb aus.
Am Montagvormittag verbreitete sich die Meldung von der Verhaftung Halembas in Kirchheim unter Teck in der Nähe von Stuttgart rasant über die Nachrichtenticker. Der neu gewählte Landtagsabgeordnete war seit Freitag per Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Würzburg gesucht und nicht angetroffen worden. Die befürchtete Provokation um eine medienwirksame Verhaftung Halembas vor oder im Landtag, der als jüngster Abgeordneter bei der Konstituierung des Landtags im Präsidium hätte Platz nehmen dürfen, fand somit nicht statt. Beim Aufruf seines Namens galt er als entschuldigt. Der Haftrichter hat am Abend noch den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Meldeauflagen und das Verbot des Kontakts zu Mitbeschuldigten sollen laut BR den Haftgründen Flucht- und Verdunklungsgefahr entgegenwirken.
AfD-Abgeordneter stellt sich offenbar in Tradition von Rechtsterroristen
Halemba hatte über seinen Rechtsanwalt, den wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraften ehemaligen AfD-Funktionär Dubravko Mandic, ein Video verbreiten lassen, teilweise mit martialischen Botschaften wie „Unser Volk wird dieses Schauspiel durchschauen“. Der Abgeordnete warf der Staatsanwaltschaft eine politische Motivation vor. Dafür verdrehte er eine Aussage des früheren bayerischen Innenministers Günther Beckstein, damit sie ins Konzept passte. Der ehemalige CSU-Politiker hatte 2011 unter dem Eindruck der NSU-Selbstenttarnung Vorwürfe halbherziger Ermittlungen gegen Rechtsterroristen zurückgewiesen. Im Gegenteil sei man etwa bei der Verhinderung des Anschlags der Gruppe um Martin Wiese auf das Jüdische Gemeindezentrum auch über das rechtlich erlaubte hinausgegangen und habe eine Kamera im Schlafzimmer eines Verdächtigen deponiert. Halemba verkaufte dieses Zitat, bei der es um die Bekämpfung rechten Terrors wie des NSU oder der Wiese-Gruppe ging, nun zum Leitmotto der CSU im Umgang mit Parteien rechts von ihr und bezieht es auf sich und seine Parteifreunde.
Beim rechtsextremen Netzwerk „Ein Prozent“ wurde für Halemba nun ein Solidaritätskonto eingerichtet und sammelt Spenden. „Wir wollen dem blutjungen Abgeordneten unter die Arme greifen und ihn in diesen schweren Stunden nicht allein lassen“, schreibt die rechtsextreme Organisation. Zur Einordnung: Die Entschädigung für Landtagsabgeordnete war zuletzt auf 9.215 Euro angehoben worden. Zuletzt hatte auch die Identitäre Bewegung Geld für die Betroffenen einer Razzia nach einer geflüchtetenfeindlichen Aktion gesammelt. Die anvisierten 25.000 Euro kamen allerdings nicht über eine graswurzelartige Unterstützung zusammen, sondern im Wesentlichen durch drei Großspenden. Auch „Ein Prozent“ will einen vierstelligen Betrag überwiesen haben.
Nicht neu: AfD-Kandidaten fürs Präsidium fallen durch
Aber auch jenseits der Diskussion um Halemba bot die erste Sitzung des Landtages einige Erkenntnisse über die neue Legislatur. Die AfD-Fraktion nominierte für das Amt des Vizepräsidenten den Nürnberger Matthias Vogler. Der bringt es als neu gewählter Abgeordneter allerdings auf keinerlei Erfahrung im Landtag, hätte aber als Mitglied des Präsidiums Sitzungen leiten sollen. Erfahrung hätte er allerdings bereits mit Ordnungsmaßnahmen gesammelt.
Als Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Sichert störte er von der Besuchertribüne aus die Vereidigung Angela Merkels 2017 im Reichstag. Punkten sollte wohl seine Vita als Zeitsoldat und Rettungsassistent. Vogler ist flügelnah und nahm etwa am Flügeltreffen in Greding 2018 teil. Gewählt wurde er nicht. Mit 29 Ja-Stimmen erhielt er zwei Stimmen weniger als seine eigene Fraktion Stimmberechtigte an dem Tag hatte.
Auch Hitler-Sucherin Roon bekommt keine Mehrheit
Eine Stimme mehr bekam Elena Roon bei der Kandidatur für das Amt der Schriftführerin. 30 Ja reichten aber auch hier nicht für die Wahl. Roon ist neu im Landtag vertreten, Teil des AfD-Landesvorstandes und begann ihre "politische Laufbahn" mit geflüchtetenfeindlichen Demonstrationen auf Basis russischer Fake-News. Mit der Behauptung eines schlechten Sprachverständnisses kam sie um den wohl fälligen Rauswurf aus der AfD herum, als sie mindestens eine hitler-freundliche Botschaft in Chats teilte und ein Video der bekanntesten deutschen Shoah-Leugnerin Ursula Haverbeck. Mit der Begründung damals zumindest ein bemerkenswerter Vorschlag zur Schriftführerin.
Landtagspräsidentin will keine „verfassungsfeindlichen Gesinnungstrinker“ im Landtag
Ilse Aigner, wiedergewählte Präsidentin des Landtages, ging in ihrer Ansprache auf den Wahlkampf und einige Vorfälle im Plenum ein. Die Geschäftsordnung soll noch nachgeschärft werden, etwa mit finanziellen Konsequenzen aus Verfehlungen. Als Beispiel nannte sie explizit die Vorfälle bei Treffen von völkischen Burschenschaftern im Landtag, als ein Journalist bedrängt wurde und rassistische Handzeichen gemacht wurden. Aigner nannte die Teilnehmer "verfassungsfeindliche Gesinnungstrinker".
In der neuen Legislatur drohen neue „Gelage“. Neben den bekannten völkischen Burschenschaftern und damaligen Ausrichtern des Treffens, Christoph Maier und Ferdinand Mang, zog mit Benjamin Nolte ein Alter Herr der Münchner Danubia ein. Seit einem rassistischen Vorfall bei einem Burschenschafter-Treffen ist für ihn der Spottname "Bananen-Nolte" geläufig. Halemba zählt wohl zur Aktivitas der Prager Burschenschaft Teutonia Würzburg und hat bekanntlich ein Zimmer „auf dem Haus“.
AfD: Austritt und Rauswürfe schmerzen nun mehr
Geändert wurde die Geschäftsordnung bereits in einem Punkt. Die Reihenfolge der Reden soll sich zukünftig an der aktuellen Stärke der Fraktionen ausrichten und nicht mehr an der Größe zu Beginn der Legislatur. Eine Austrittswelle aus der AfD wie in den letzten fünf Jahren würde bedeuten, dass Katrin Ebner-Steiner & Co. den inoffiziellen Titel als "Oppositionsführer" wieder an die Grünen abgeben müssten, die dann als erste auf Regierungserklärungen antworten dürften.
Bei der Wahl zur Fraktionsvorsitzenden stimmten immerhin vier Abgeordnete gegen die Höcke-Vertraute. Während etwa die AfD in Hessen einen Gewählten wegen bekannt gewordener extrem rechter Vorfälle nicht in ihre Mitte aufnahm, gab es laut Medienberichten Gedankenspiele, den innerparteilichen Gegenspieler von Ebner-Steiner, den Rosenheimer Unternehmer Franz Bergmüller, außen vor zu lassen, was schon viel über die innere Ausrichtung der bayerischen AfD-Fraktion aussagt. Der mit einem Ermittlungsverfahren belastete Halemba wurde dagegen ohne bekannt gewordene Diskussionen aufgenommen.
Aigner beklagt Angriffe auf Politiker und Journalisten. AfD: Das ist Demokratie!
Die erste Sitzung ging ohne Rügen aus, allerdings gab es diverse Ermahnungen durch Alterspräsident Paul Knoblach. Besonders der AfD-Politiker Christoph Maier versuchte in der Debatte um die Geschäftsordnung möglichst viele Kampfbegriffe wie „Kartellparteien“ und „Zuwanderer aus fremden Kulturkreisen“ unterzubringen und vereinnahmte Aiwangers „sich die Demokratie zurückholen“ für seine Partei. Aigners Sorge um den Ton im Land und die Verrohung im Wahlkampf nannte er laut vorläufigem Protokoll dagegen „Demokratie“.
Der von Konservativen und Rechtspopulisten besonders mit heftigen Anfeindungen gegen die Grünen geführte Wahlkampf schwappte trotz der Ermahnung von Aigner auch noch an anderer Stelle ins Plenum. Während etwa der Vize-Präsident aus den Reihen der SPD, Markus Rinderspacher, 143 Ja-Stimmen und nur 27 Nein-Stimmen erhielt, fielen die Ergebnisse bei den beiden Kandidierenden der Grünen um den Platz im Präsidium als Vize-Präsident und Schriftführerin schlechter aus. Gegen Ludwig Hartmann, den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden, stimmten mit 57 Abgeordneten bei 106 Ja-Stimmen auch etliche Abgeordnete aus den Reihen der demokratischen Fraktionen. Verena Osgyan, neben Ilse Aigner die einzige Frau im Präsidium, erhielt 109 Ja-Stimmen. Mit Nein stimmten hier 45 Stimmberechtigte bei 41 Enthaltungen.
In der Wartezeit auf die Wahlergebnisse für die Schriftführer hob der Landtag auf Antrag des Leitenden Oberstaatsanwalts von Würzburg noch die Immunität eines Abgeordneten auf. Auch ohne Nennung des Namens war klar, um wen es sich hier handelte. Auf Aussprache wurde mit Zustimmung aller Fraktionen, also auch der AfD, verzichtet.