Versuchter Mord: Sieben Jahre Haft für Hamburger Neonazi
Wegen versuchten Mordes hat das Landgericht Hamburg heute den Rechtsextremisten Ulf M. zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er hatte aus rassistischen Motiven durch die Tür seiner muslimischen Nachbarin geschossen.

Das Landgericht Hamburg sah es als erwiesen an, dass Ulf M. die Tat aufgrund seines rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts begangen hat – am Abend des 27. Mai hatte der Neonazi durch die Wohnungstür seiner muslimischen Nachbarin geschossen – und verurteilte ihn zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe wegen versuchten Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes.
Eine deutlich ausgeprägte Fremden- und Ausländerfeindlichkeit attestierte das Landgericht dem 49-jährigen Hamburger, der Mann habe bereits in der Jugend eine Nähe zur Neonazi-Szene aufgewiesen, ab 2019 habe dann eine weitere Radikalisierung des Mannes stattgefunden. Die eigentliche Tat sei durch weitere Faktoren, die Richterin sprach von einem Motivbündel, bedingt gewesen. Dabei sei es neben Fremdenfeindlichkeit auch zu einer Vorbelastung durch Vormieter gekommen.
„Gleich sterbt ihr“
Gleichzeitig wirft die Richterin M. vor, die Tat durch seine Einlassung teilweise bagatellisiert zu haben, vieles sei letztendlich durch zahlreiche ausgewertete Videos, die der Neonazi an jenem Tag Ende Mai aufgenommen hatte, ohnehin belegt. „So, jetzt geht es ab“ und „Scheiß Kanacken, gleich sterbt ihr“, war in Videos zu hören, die der Mann wenige Minuten vor der Tat aufgenommen hatte. Er bereue es, niemanden getroffen zu haben, sagte er noch kurz nach seiner Festnahme auf dem Polizeikommissariat.
Es waren nicht die einzigen Aussagen, die die rassistische und rechtsextreme Gesinnung von Ulf M. deutlich unterstrichen. Viele Aussagen entnahmen die Ermittler zudem einer Whatsapp-Gruppe: „Da bleibt einem ja nur der Amoklauf“, hatte er dort bezugnehmend auf seine Nachbarn geschrieben. „Ich leg euch um, ich leg euch um“, sagte er in einem weiteren Video aus dem Frühjahr. Auf seinem Smartphone wurden zudem zahlreiche Bilder mit NS-Bezug gefunden, auf einem Foto ist M. mit einem Hitlergruß zu sehen.
Staatsanwaltschaft spricht von Schutzbehauptungen
Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer eine achtjährige Haftstrafe gefordert, Ulf M. habe das Herbeiführen des Todes beabsichtigt, sein Motiv: Ausländerhass. Der 49-Jährige habe seine Nachbarin zum Auszug bewegen wollen, ein deutsches älteres Ehepaar hätte stattdessen einziehen sollen. Mittlerweile wohnen ohnehin sowohl die Betroffene als auch M. nicht mehr in dem Haus. Die 25-Jährige mit pakistanischem Migrationshintergrund lebt wieder bei ihrer Mutter, der Mann, der seitdem in U-Haft sitzt, habe seine Wohnung verkauft.
Dass M. mit dem Schuss niemanden wirklich habe treffen und nur für Ruhe sorgen wollte, nimmt die Staatsanwältin ihm nicht ab, auch nicht dessen Aussage, dass ihm „eine Sicherung durchgebrannt“ sei. Die Aussagen wertet sie als Schutzbehauptungen. Es sei unglaubwürdig, niemanden treffen zu wollen, wenn man aus einem Meter Höhe aus der Hüfte schieße.
Keine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit
Seine vorherigen Distanzierungen von rechtem Gedankengut stuft sie als „unglaubhaft“ und attestiert ihm aufgrund der Handyauswertung eine „absolut rassistische und fremdenfeindliche Gesinnung“. Es habe sich um eine „absolut geplante Tat“ gehandelt, es sei eben keine „Sicherung durchgebrannt“. M. war zum Tatzeitpunkt zwar deutlich betrunken, ein Gutachter hatte jedoch darauf hingewiesen, dass dessen Steuerungsfähigkeit dadurch nicht groß eingeschränkt gewesen sei.
Auch M.s Verteidigung musste anerkennen, dass die gefundenen Videos ihren Mandanten von seiner „denkbar schlechtesten Seite“ zeigen. M. lebe in seiner eigenen Welt, die von Alkohol geprägt sei. Einige Monate zuvor war bereits seine Lebensgefährtin ausgezogen und kam in psychiatrische Behandlung. Ohne konkrete Benennung forderte die Verteidigung ein Strafmaß, das fünf Jahre nicht überschreite.
In seiner Whatsapp-Chatgruppe, seiner Kneipe und Nachbarschaft seien die Pläne des Neonazis bekannt gewesen und „dennoch widersprach oder reagierte niemand“, schreibt das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ in einem Statement nach dem heutigen Urteil. Das sei der eigentliche Skandal in dem Prozess – dass es überhaupt erst zu dem Anschlag kommen konnte.