Thüringen: Landratswahl in Sonneberg: „Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte“
Zehn Jahre nach ihrer Gründung und sechs Jahre nach dem Einzug der rechtsextremen Partei in den Bundestag hat die AfD im Kreis Sonneberg in Thüringen an der Grenze zu Bayern erstmals ein kommunales Spitzenamt erobert.

Die AfD stellt mit dem derzeitigen AfD-Landtagsabgeordneten und Rechtsanwalt Robert Sesselmann ihren ersten Landrat in der Bundesrepublik Deutschland. In einer Stichwahl hat sich der 50-jährige Sesselmann gegen den amtierenden CDU-Landrat Jürgen Köpper durchgesetzt. Sesselmann kommt nach vorläufigem Endergebnis auf 52,8 Prozent und CDU-Kandidat Köpper auf 47,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,6 Prozent (28.411 Stimmen). Sesselmann und die AfD bestritten den Wahlkampf vor allem mit Bundesthemen wie dem umstrittenen Heizungsgesetz, der hohen Inflation oder gestiegenen Flüchtlingszahlen. Auf Wahlplakaten war zu lesen: „Euro abschaffen“, „Grenzen schließen“, „Frauen vor dem Islam schützen“, „Rundfunkbeiträge abschaffen“, „Gegen Windräder – für Diesel“ oder „Gegen Sanktionen – für billiges Gas aus Russland“.
Der AfD-Bundesverband verschickte am Freitag per E-Mail einen Rundbrief mit der Aufforderung „Robert Sesselmann zum Landrat wählen!“. Darin heißt es: „Setzen Sie deshalb ein Zeichen gegen Grün-Gelb-Rot-Schwarze Enteignungsphantasien der Altparteien!“
Zweitkleinster Landkreis Deutschlands
Im Kreistag verfügt die AfD über neun von insgesamt 40 Mandaten. Sonneberg ist mit rund 57.000 Einwohnern und rund 48.000 Wahlberechtigten der zweitkleinste Kreis in Deutschland.
In Thüringen hatten Vertreter von Linke, SPD, Grüne und FDP ebenso wie der DGB dazu aufgerufen, den CDU-Kandidaten Köpper zu unterstützen. Auch einige Unternehmen, Handwerker und Kulturschaffende der Region warben für eine Entscheidung für eine demokratische und weltoffene Region.
Höcke kommentierte das gemeinsame Vorgehen der Demokraten mit den Worten: „Daß die anderen Parteien sich wieder in DDR-Manier zu einer `Nationalen Front´ hinter dem aussichtsreichsten Gegenkandidaten zur AfD versammeln würde, war klar. Massiv wurde aus dem ganzen Bundesgebiet auf den Wahlkampf eingewirkt. Es hat alles nichts genutzt: Weder die Diffamierungen, noch die Belehrungen, nicht die Drohungen und auch nicht die Boykottaufrufe oder die Blockparteientaktik. Billige Nougat-Versprechen verfehlten ebenso das Ziel wie die Einmischung einer Bundesbehörde oder fadenscheinige Strafanzeigen gegen den Spitzenkandidaten.“
Der Rechtsextremist gibt sich siegessicher: „Die Zeit der Gängelung neigt sich dem Ende. Immer mehr durchschauen die miesen Spielchen. Noch kann man eine Alternative wählen — und immer mehr machen von diesem Recht Gebrauch.“ Ins gleiche Horn wie Höcke posaunte Sesselmann in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“ kurz vor der Landratswahl, als er abschätzig von einem „Parteienkartell aus den Altparteien“ sprach.
Nikolai Nerling auf Wahlparty
Bei der AfD-Wahlparty in Sonneberg waren auch Thüringens Landesvorsitzender Björn Höcke und der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla zugegen. Die AfD Thüringen gratulierte ihrem Kandidaten auf Twitter zum ersten Landratsamt für die Partei. „Es werden weitere folgen. Wie holen uns unser Land zurück!“, heißt es in dem Tweet. Das breite Parteienbündnis, was sich hinter den CDU-Politiker Köpper gestellt hatte, bezeichnete die AfD Thüringen als „DDR-Allüren“. Unter den Feiernden war auch der notorische Antisemit und rechtsextreme Holocaustleugner Nikolai Nerling.
Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als „Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte“. Nun heiße es, „parteipolitische Interessen hintanzustellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen“. „Das ist ein Dammbruch, den die demokratischen politischen Kräfte in diesem Land nicht einfach hinnehmen dürfen“, so Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Der frühere AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat die zunehmende Radikalisierung der AfD scharf kritisiert. Mit seinem Abgang sei das gemäßigte Lager innerhalb der Partei zerfallen, „die Radikalen haben die Kontrolle über die AfD übernommen“, sagte Meuthen in einem am Wahltag veröffentlichten Interview. Sie sei heute eine „Partei am rechten Rand mit völkisch-nationalistischen Positionen, die von einer einzigen Person dominiert wird, und das ist Björn Höcke“.
Kommendes Jahr werden die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt.