Neugründung "Renaissance"

Stürzenberger Abspaltung will ebenfalls über Marktplätze touren

Unter dem neuen Namen „Renaissance“ wollen altbekannte islamfeindliche Akteure Kundgebungen auf deutschen Marktplätzen abhalten. Nach der ersten Veranstaltung in Nürnberg ist klar: Behörden und Zivilgesellschaft sollten gewarnt sein. 

Freitag, 12. Juli 2024
Thomas Witzgall
Gegenprotest gegen die erste Kundgebung der "Renaissance" vom Nürnberger Bündnis Nazistopp
Gegenprotest gegen die erste Kundgebung der "Renaissance" vom Nürnberger Bündnis Nazistopp

Warum sich die Gruppe ausgerechnet den französischen Begriff für „Wiedergeburt“ gegeben hat, wurde bei der ersten Kundgebung Ende Juni in Nürnberg auf dem Jakobsplatz nicht erklärt. Den Inhalten nach zu urteilen, soll vor allem ein neuer aggressiver Nationalismus und die Ausgrenzung von Muslimen belebt werden. Die Veranstaltung war mit unter 50 Teilnehmern schlecht besucht und zudem weiträumig abgesperrt. Für Versammlungsleiter Gernot Tegetmeyer war allerdings wichtiger, dass die gestreamte Kundgebung hohe Klickzahlen erreicht. Wie schon bei Stürzenberger, ist die von der Polizei geschützte Versammlung eher ein Setting, einem TV-Studio vergleichbar. 

Gernot Tegetmeyer mit Edwin Wagensveld und einem Streamer für die mediale Verbreitung
Gernot Tegetmeyer mit Edwin Wagensveld und einem Streamer für die mediale Verbreitung

Hinter der Veranstaltung standen in Nürnberg samt und sonders Akteure mit einer Pegida- bzw. Stürzenberger-Vergangenheit. Tegetmeyer ist ein langer Weggefährte des in Mannheim bei einem Attentat schwer verletzen ehemaligen Pressesprechers der Münchner CSU. Zusammen zogen sie den vom Verfassungsschutz beobachteten Pegida-Ableger in Nürnberg auf, der zumindest pro forma versuchte, sich von Neonazis zu distanzieren. Nach dem Auslaufen der rassistischen Straßenbewegung in Mittelfranken versuchte sich Tegetmeyer als Streamer, etwa bei der von Reichsbürgern und Neonazis getragenen „Ami go home“-Demo in Ramstein oder bei der Compact-Grenzschutzkonferenz in Garmisch-Partenkirchen. 

Ex-Mitstreiter von Stürzenberger will dessen "täuschende Stellvertreterbegriffe" nicht

Erster Redner nach Tegetmeyer war der in London lebende und aus dem Iran stammende Aktivist Kian Kermanshahi, ein früherer Islamist, der als „Ex-Muslim“ im Netz auftritt. Er wurde in der Vergangenheit häufig auf Kosten der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) zu Kundgebungen Stürzenbergers eingeflogen und auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung in Wertheim, deren Gültigkeit weiter mit großen Fragezeichen versehen ist, in den Vorstand gewählt. Im Januar erfolgte dann der Bruch. In seinem Austrittsschreiben begründet er seine Motivation mit den Alleinherrscherallüren Stürzenbergers gerade in finanziellen Dingen der BPE. Außerdem wolle er gezielt gegen „den Islam“ vorgehen und sich nicht vorschreiben lassen, täuschende „Stellvertreterbegriffe“ wie „politischen Islam“ benutzen zu müssen, wie sie Stürzenberger im Munde führt. 
 

Wie schon bei BPE-Kundgebungen aus London extra eingeflogen: Kian Kermanshahi
Wie schon bei BPE-Kundgebungen aus London extra eingeflogen: Kian Kermanshahi

Auch der dritte Redner hat seine Anfänge bei Pegida. Edwin Wagensveld trat als „Ed der Holländer“ auf, bekam auch beim „Original“ in Dresden die große Bühne und machte sich dann mit Tatjana Festerling zu einer PR-Aktion auf, in Uniform in Bulgarien Flüchtlinge zu jagen. Er gilt als Sympathisant von Hogesa und sprach auf deren Kundgebungen. Schlagzeilen machte er zuletzt in den Niederlanden mit der Verbrennung des Korans und bedauerte, dass das in Deutschland verboten sei. 

Ausgetreten wegen Stürzenbergers Alleinherrschaft 

Beteiligt an der „Renaissance“ ist auch Claudia Duval. Sie begleitete Stürzenberger auf seinen BPE-Kundgebungen. Bei der Mitgliederversammlung in Wertheim wurde sie anstelle des für abgesetzt erklärten Günter Geuking zur Vorsitzenden gewählt. Sie trat drei Tage nach Kermanshahi aus dem Vorstand zurück. Sie fühlte sich an der Spitze des Vereins rein als Strohfrau, weil Stürzenberger, obwohl nur Beisitzer, zusammen mit der Schatzmeisterin alleine und nach ihrer Meinung unter „Umgehung bzw. Nichtanwendung zahlreicher gesetzlicher Vorschriften“ den Vorstand quasi überflüssig mache. Tegetmeyer forderte die gesundheitlich sichtlich angeschlagene Duval auf, auf dem Platz Spenden einzusammeln. So krank sei sie nicht. 
 

Rainer Hatz (kurze Hose), Landesvorsitzender der NPD / Die Heimat Bayern, mit der als "White Power" gelesenen Geste. Aktivistin des "Team Menschenrechte" sorgt fürs Erinnerungsfoto
Rainer Hatz (kurze Hose), Landesvorsitzender der NPD / Die Heimat Bayern, mit der als "White Power" gelesenen Geste. Aktivistin des "Team Menschenrechte" sorgt fürs Erinnerungsfoto

Teilgenommen hat auch der Landesvorsitzende des NPD-Nachfolgers „Die Heimat“, Rainer Hatz. Er musste lediglich seine mit Parteiwerbung versehene Weste abstreifen, durfte aber bleiben, führte einige Gespräche und posierte mit der als White Power bekannten Geste. Explizit gegrüßt wurde durch Tegetmeyer auch sein früherer Pegida-Mitstreiter Ernst Cran, der ins Milieu der Shoa-Leugner abrutschte und etwa mit Nikolai Nerling gemeinsame Veranstaltungen durchführte. 

"Team Menschenrechte" unterstützt islam- und grundgesetzfeindliche Kundgebung

Explizit unterstützt wurde die Kundgebung in Nürnberg von den Überresten der Nürnberger Pandemieleugner-Szene, die sich dort als „Team Menschenrechte“ sammeln. Die Inhalte der Veranstaltung standen allerdings im überdeutlichen Gegensatz zu dem Konzept der Grund- und Menschenrechte. 

Obwohl laut Auflagen Aussagen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen ethnische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen untersagte, sowie einzelne oder Teile zu verleumden oder verächtlich zu machen, gingen die Aussagen in diese Richtung. 

Muslime bzw. Migranten würde sofort sieben oder acht Kumpels für eine Gruppenvergewaltigung finden, so Tegetmeyer. Weil in städtischen Kindergärten und Kitas eine Mehrheit gerne mal muslimisch sei, forderte er „Remigration“. Er warnte vor „muslimischen Bürgermeistern“ wie in Hannover und generell Politikern als angeblich versteckte Islamisten. Man müsse sich „mit Gewalt dagegenstemmen“, auf demokratischem Wege an die Wand gewählt zu werden. Im Stile extrem rechter Akteure wolle er „den Schuldkult“ beenden und wieder stolz auf die Vergangenheit sein. Der Nationalspieler Antonio Rüdiger habe sich mit der von Reichelt-Portal „Nius“ zum Skandal erklärten Fingergeste außerhalb der deutschen Gesetze gestellt. Ähnliches sieht er im Tragen von Kopftüchern. 
 

Blick auf die Versammlung, wie schon bei Pegida fehlte es nicht an Flaggen
Blick auf die Versammlung, wie schon bei Pegida fehlte es nicht an Flaggen

Auch bei Kermanshahi gab es große Fragezeichen, ob die Aussagen noch mit den Auflagen in Einklang zu bringen waren. Durch die Aufnahme von muslimischen Migrantengruppen sei der Zusammenbruch der Gesellschaft nur eine Frage der Zeit. Das „Ampel-Regime“ hätte die Zuwanderung „aus toxischen Kulturkreisen“ gefördert und 2015 die Büchse der Pandora geöffnet. Und erst mit der Einwanderung von Muslimen aus islamischen Diktaturen hätte es angeblich sowas wie Gruppenvergewaltigungen gegeben. Deutsche würden auch nicht mit Messern herumlaufen. 

Verfassungsfeindliches ethnisches Volksverständnis

Linke erklärte er zu „Feinden Deutschlands“, später ergänzte er, Linke sollte in Deutschland nie in politische Verantwortung kommen dürfen. Er unterschied – obwohl selbst Migrant – zwischen „echten“ Deutschen und solchen mit Migrationshintergrund. Eine solche Unterteilung ist laut NPD-Urteil gegen das Demokratieprinzip. Mit Bezug zu Martin Sellner sei die „Remigration“ für ihn eine Jahrhundertaufgabe. Es gelte Millionen Menschen außer Landes zu schaffen, was seiner Meinung nach rechtsstaatlich möglich sei. Angela Merkel und "andere Linke" wollte er für 2015 und die Einwanderung vor Gericht stellen, was nur unter Brechung der Nulla Poena-Rechtsgrundsätze möglich wäre. Zielgruppe für die Veranstaltungen der „Renaissance“ seien die „deutschen Ureinwohner.“ Mit „toxischen Migrantengruppen aus dem Orient“ zu sprechen bzw. ihre Haltung herauszukitzeln, wie es Stürzenberger mache, sei nicht zielführend. 

Wagensveld wollte explizit gegen „Multikulti“ kämpfen, beklagte allerdings, dass in immer weniger Ländern die Gleichheit vor dem Gesetz gelten würde. Er forderte, dass sich Demonstranten mit Pfefferspray bewaffnen dürften. Auch Wagensveld unterschied zwischen autochthonen „Bio-Deutschen“ und „Passdeutschen“. Auf die Frage, ob sich Auswandern für Deutsche lohne, antwortete er, Migranten, die den deutschen Pass „nicht verdient hätten“, sollte wieder dahin, wo sie hergekommen seien. Moscheen sollten im Stile der alten Stürzenberger-Forderung von bestimmten Teilen des Korans abschwören oder verboten werden und das Buch nur mit Warnhinweisen verbreitet werden. Islam und Demokratie gingen nicht zusammen. 

Für einen Teilnehmer vor Ort, der selbst Mitglied der BPE sein wollte, war der Islam keine Religion, sondern eine „bösartige Ideologie“, weshalb die grundgesetzliche Religionsfreiheit nicht zu gelten habe. Vergleichbare Äußerungen wurden von Gerichten in jüngster Zeit zur Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz herangezogen. Die Polizei griff nicht ein. Laut Auskunft des Polizeipräsidiums Mittelfranken prüfe eine entsprechende Abteilung die Aussagen noch nachträglich und würde gegebenfalls festgestellte Verstöße der Staatsanwaltschaft melden. 
 

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