„Sezession“: Ein Jubiläumsheft mit inhaltlicher Perspektivlosigkeit

Die 100. Ausgabe der Zeitschrift „Sezession“ ist erschienen. Zwar bejubelt man sich darin auch selbst. Indessen nimmt man aus diesem Anlass weder eine Lagebeurteilung vor, noch kann man politische Perspektiven benennen.

Montag, 22. Februar 2021
Armin Pfahl-Traughber

Im Februar 2021 erschien die 100. Ausgabe der „Sezession“, der Zweimonats-Zeitschrift, die vom „Verein für Staatspolitik“ auf dem Rittergut Schnellroda herausgegeben wird. Für die Neue Rechte handelt es sich um ihr zentrales Theorieorgan. Seit 2003 erscheint das Blatt im nun 19. Jahrgang. Dabei ahmte man „Criticon“ bei der Entstehung als damals gerade eingestelltes Publikationsorgan nach, worin sowohl rechtskonservative Demokraten wie nicht-neonazistische Rechtsextremisten schrieben.

Demgegenüber finden meist nur Anhänger der Neuen Rechten in der „Sezession“ einen publizistischen Wirkungsort. Im Anschreiben an die Leser, das von Götz Kubitschek als verantwortlichem Redakteur stammt, wird gleichwohl von einem erfolgreichen Versuch gesprochen. Die Abonnentenzahl beziffert er auf 4.120, was nicht unbedingt ein hoher Wert ist. Gleichwohl richtet sich die „Sezession“ eben an eine besondere Zielgruppe: die an ideologischen und strategischen Fragestellungen orientierte elitäre Leserschaft der Neuen Rechten.

Beschwörung eines „heroischen Realismus“

Das Jubiläumsheft steht unter der Überschrift „Wo stehen wir?“. Im Editorial beschwört Kubitschek gleich zwei Prinzipien: das „Lagedenken“ und die „reine Politik“. Letzteres bedeute, „trotz Einsicht in die Lage und in die Übermacht der anderen, trotz Kenntnis der Stromlinie den Dreck nicht mehr mitzumachen, nicht mehr mitzuschwimmen, mitzugestalten, sondern vom grundsätzlich Richtigen nicht zu lassen. Wie so etwas aussehen könnte? Blättern sie mal in hundert Heften“. Mit affirmativ pathetisch und kritisch kitschig einschätzbaren Formulierungen wird hier die Haltung eines „heroische Realismus“ beschworen, welche auch bei den Denkern der Konservativen Revolution der Weimarer Republik verbreitet war.

Bekanntlich knüpft die Neue Rechte an diese antidemokratische Strömung der damaligen Zeit an. In den Ausführungen wird auch ein Rigorismus deutlich: Man solle nicht mehr bei dem Dreck mitmachen, man würde das grundsätzlich Richtige vertreten. Auch hier zeigt sich im Tonfall eine zunehmende Verhärtung.

Die Demokratie als angebliche „Demokratur“

Den Blick zurück auf die 100 Hefte wirft danach Martin Lichtmesz, der in der „Sezession“ schon lange als Stammautor schreibt. Dabei finden sich auch Abbildungen von früheren Heften, welche dem „Faschismus“, dem „Krieg“, „Oswald Spengler“, „Sarrazin lesen“ oder dem „Widerstand“ gewidmet waren. Der Autor nennt auch weitere Stichworte wie etwa die „Systemfrage“. Da heißt es etwa: „Was von den Machthabern heute als ‚Demokratie‘ bezeichnet wird, unterliegt schon lange einer Metamorphose – zu einer Art ‚Demokratur‘…“

Oder zu Geschichtsauffassungen wird bemerkt: „Zu den grundlegenden Legitimationsmythen der Bundesrepublik zählt auch eine manipulative und einseitige Geschichtspolitik im Zeichen von immerwährender Schuld und nie endender Sühne.“ Ansonsten beklagt der Autor eine öffentliche Kritik, wozu man lesen kann: „Immerhin erfahren wir eine gewisse Selbstvergewisserung durch die Tatsache, daß dieser Kampf so gut wie niemals auf der sachlichen oder argumentativen Ebene geführt wird“.

Fehlendes Lagebild, erkennbare Perspektivlosigkeit

Die Fülle an inhaltlicher Kritik wird ignoriert, Manipulationsvorwürfe blenden mögliche Selbstreflexionen aus. Dies gilt auch für eine Bestimmung von Lage und Standpunkt, was eigentlich im Jubiläumsheft das Schwerpunktthema sein sollte. Zwar meint der Geschäftsführer des „Instituts für Staatspolitik“, Erik Lehnert, es gebe einen Einklang von „Gleichheit und Gleichschritt“. Damit positioniert er sich zwar zu einem politischen Begriff, gleichwohl bringt auch er keine wirkliche Lageeinschätzung. Dies spricht bezogen auf die Neue Rechte für eine gewisse Orientierungslosigkeit.

Dabei hatte es ab 2015 doch Entwicklungen gegeben, welche ihrem politischen Projekt entgegen kamen. Die AfD, die Identitären und Pegida wären dafür Stichworte. Was aber aktuell geschehen müsse und wo man selbst stehe, wird erstaunlicherweise nicht thematisiert. Kubitschek lässt sich lediglich sagen, dass seine „Sprache härter geworden ist“. Ansonsten ergeht er sich in dem Beklagen von einem angeblich heimlichen Umbau des deutschen Volkes.

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