Rheinwiesenlager
Remagen: "Trauermarsch" wegen Erfolglosigkeit eingestellt
Die Organisatoren des sogenannten Rheinwiesenlager-Trauermarsches, der im November einen festen Termin im neonazistischen Terminkalender hatte, kündigen ein Ende der Demo an. Für das bislang jährliche Event in Remagen soll nicht mehr mobilisiert werden. Bei den Rheinwiesenlagern hatte es sich um Gefangenenlager der westlichen Alliierten von 1945 gehandelt.

Trauer- und Gedenkmärsche mit historischer Bewandtnis als öffentliches Zeichen von Geschichtsumdeutung, Täter-Opfer-Umkehr, Provokation und Beweis einer eigenen Themenverbundenheit unter Anwendung einer erlebnisorientierten Aktionsform gehörten zum Markenkern und Werkzeugkasten der rechten Szene, so auch in Remagen und der Region Rheinpfalz. Die seit 2009 praktizierte Terminfestlegung, die Erledigung versammlungsrechtlicher Anmeldeformalitäten, logistische Vorbereitung – all das soll schon ab diesem Jahr der Vergangenheit angehören. Als Begründung wird angeführt, dass die ohnehin rückläufige Beteiligung im vergangenen Jahr zum ersten Mal nicht einmal mehr dreistellig war.
„Schweren Herzens müssen wir Euch mitteilen, dass wir in diesem Jahr keinen Gedenkmarsch in Remagen für die Toten der Rheinwiesenlager durchführen werden“, heißt es von den Organisator*innen. „Unter ein Minimum von 100 Teilnehmern sollte eine solche Veranstaltung nicht fallen, wenn sie ihre Wirkung nach außen nicht verlieren soll“, wird weiter ausgeführt und die Enttäuschung ist daraus herauszulesen. Man werde die Arbeit zu diesem Thema fortan „auf ein anderes Feld“ verlagern. In Remagen sammelte sich eine Melange aus NPD, Dritter Weg, Holocaustleugner*innen und anderen rechten Nationalist*innen. Ein Gedenkort, der regelmäßig von Personen der rechten Szene besucht wird, bleibt in der Region das Mahnmal „Feld des Jammers“ vor den Toren Bretzenheims.
Remagen folgt Lübeck und Bad Nenndorf
Dass stetiger zivilgesellschaftlicher Protest die November-Treffen in Remagen begleitete, wird von Neonazi-Seite nicht erwähnt. Die nun verbreitete Absage reiht sich ein in die bereits vollzogenen Einstellungen anderer langjähriger Aufzüge, angefangen mit dem Aus ab 2013 des seit 2006 jährlichen März-Trauermarsches von Lübeck, bei dem die Erinnerung an Bombardements der Alliierten von 1942 instrumentalisiert wurde. In Niedersachsen war es Bad Nenndorf, wo sich ab 2006 bis letztmalig 2015 ein Trauermarsch formierte, um vor ein britisches Verhörzentrum (1945 – 1947) und Militärgefängnis für Nationalsozialisten zu ziehen.
Als bekanntestes Geschichtsklitterungsereignis mit Trauermarsch-Choreografie und überregionaler Strahlkraft hat demnach nur noch Dresden rund um den 13. Februar Bestand; angemeldet früher von der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland, zuletzt maßgeblich organisiert von Maik Müller (NPD). Dieser agiert für das in Chemnitz ansässige „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“. Bei den Zusammenkünften wird schnell sichtbar, wie vernetzt die Neonazis inzwischen in Europa sind. Eines der bekanntesten dort anzutreffenden Gesichter war 2010 Björn Höcke noch vor dessen AfD-Karriere. 2005 und 2010 wurden auf Neonazi-Seite ungefähr 6.500 Teilnehmende gezählt.
Auch „Tag der deutschen Zukunft“ ohne Zukunft
In diesem Jahr folgten etwa 800 Aktivist*innen dem geschichtsrevisionistischen Gedenkmarsch, darunter Mitglieder aller rechtsextremen Parteien und zahlreicher Organisationen. Am Mikrofon redeten unter anderem Edda Schmidt (NPD) und Sven Skoda. Dabei wurde auch einmal mehr das Transparent mit der Aufschrift „Bombenholocaust“ durch Dresdens Straßen getragen.
Einer Demonstrationsreihe mit dem Titel „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) ereilte 2020 in Worms mit gerade einmal 60 Teilnehmenden ebenfalls das Schicksal, letztmalig Event gewesen zu sein. In den Jahren zuvor von 2009 an versammelte man sich stets Anfang Juni in einer immer anderen Stadt. Bundesweite Mobilisierung und damit verbundenes PR-Merchandising (Rechtsrock-Sampler, Szene-Bekleidung) vermochten den Niedergang der TddZ-Zusammenkunft nicht aufzuhalten.