Reichsbürger-Treffen in München: Was steckt dahinter?
Die Organisatoren hinter dem „Treffen der 25+1 Bundesstaaten“ wollen ihre nächste Demonstration am 31. August in München durchführen. Nach Magdeburg, Dresden und Gera wäre es das vierte Treffen dieser Art. In Thüringen nahmen zuletzt etwa 1.000 Personen teil und verabschiedeten sich endgültig vom Image des Hinterzimmerphänomens.
Die Ankündigung „25+1“ bezieht sich auf die Bundesstaaten des Deutschen Reiches von 1871. Mit dem „+1“ ist dabei das „Reichsland Elsaß-Lothringen“, was ebensowenig als aufgegeben betrachtet wird wie die Gebiete Preußens, die Teil des polnischen Staates sind. Abgelehnt werden auch neuere Gebietszuschnitte. Statt eines Bundeslandes Thüringen existieren dort für die Szene weiterhin die beiden Fürstentümer der Adelsfamilie Reuß mit dem unter Umsturzverdacht stehenden Reichsbürgers Heinrich XIII. Prinz Reuß, der in Gera als „politischer Gefangener“ bezeichnet wurde.
Als finale Rechtfertigung ihres Treibens dient der Szene die Behauptung eines fortdauernden Kriegszustandes, weil der Erste Weltkrieg formal nicht beendet worden sei. Um den „Weltfrieden“ wiederherzustellen, müsse also die Bundesrepublik verschwinden und das Kaiserreich wieder her.
Vernetzung in Querdenken-Umfeld
Ein Einstieg in das Milieu sind etwa persönliche Notlagen, als ungerecht empfundene Bußgelder, Steuern und Abgaben oder auch die Erfahrungen mit rigiden Anordnungen während der Corona-Pandemie, die einige Menschen offen für die Staatsdelegitimierung der Reichsbürger-Szene werden lassen. Gerade bei den sowohl bei Corona-Demos als auch den „Bundesstaaten“-Demos auftretenden Trommlergruppen gibt es große personelle Überschneidungen.
Die Veranstaltung in München, offiziell geplant mit 500 Personen unter dem Motto „Das große Treffen der Bundesstaaten, Heimath und Weltfrieden“, geht aus von zahlreichen bekannten Akteuren der Reichsbürger-Szene wie Frank Radon, Hans-Joachim Müller und dem Münchner Lothar Wagner, die sich hier zusammenfinden. Sie konnten sich über die Zeit – und wohl auch durch die Vernetzung mit der Querdenker-Szene – professionalisieren. In Gera präsentierten sie sich als Familienfest, wenn auch ohne Hüpfburg, dafür mit großer Videoleinwand. Über eine zentrale Organisierung jenseits der Treffen oder in den einzelnen Bundesstaaten ist abseits von angelegten Chatgruppen eher wenig bekannt.
Personenkontrollen auf zurückliegender Veranstaltung
An Bayern dürften sie allerdings eher ungute Erinnerungen haben. Letztes Jahr gastierte mit dem „Zukunftskongress“ eine weiteres Veranstaltungsformat in Bayern, im schwäbischen Wemding. Die Teilnehmenden wurden dabei dergestalt von der Polizei empfangen, dass kleinere Verdachtsmomente für teils längere Personenkontrollen während des Abendessens genutzt wurden und so die Teilnehmenden verstörte und empörte. Vorher hatte einer der Organisatoren am Parkplatz einen Fotografen attackiert.
Auch war der Kongress in Wemding mit etwa 50 Personen deutlich schlechter besucht als frühere Veranstaltungen mit durchaus dreistelligen Teilnehmendenzahlen. In der Folge sollen Spendenaufrufe kursiert haben, um Verluste zu decken. Ob das Treffen der „Bundesstaaten“ ebenfalls eher kleiner wird als in Gera, wird sich zeigen. In der Gruppe gibt es erste Anmerkungen, dass die Anreise für einige sehr weit sei. Andererseits gibt es auch größere Gruppen von Anhängern in Baden-Württemberg. Maßgeblich für die Größe dürfte mit Blick auf die Veranstaltung die Reisebereitschaft des Milieus der „Freien Sachsen“ sein, die in Gera die größte Gruppe beim Einzug der „Bundesstaaten“ stellten, dem traditionellen Beginn der Veranstaltung.
Peter Fitzek lässt sich blicken
Die bayerische Delegation war – obwohl in Bayern bei weitem die meisten behördlich erkannten Reichsbürger leben – eher klein. Die „Bundesstaaten“ sind nicht als Dachverband aller Reichsbürger anzusehen, aber die Gruppe kann in Fragen der Organisationskraft und Außendarstellung wohl eine der relevantesten bezeichnet werden. Das „Königreich Deutschland“ (KRD) ist selbst kein Teil der „Bundesstaaten“ und dessen selbsternannter König, Peter Fitzek, nicht für deren Staatsaufbau vorgesehen, weil weiterhin an den Hohenzollern und den 1918 abgedankten Adelsgeschlechtern festgehalten wird. Fitzek führte allerdings in Gera angeregte Gespräche und wurde nicht etwa als Usurpator vom Hof gejagt. Das KRD, das auch immer wieder Veranstaltungen in Süddeutschland anbietet, dürfte beim Thema Aufbau von Parallelstrukturen allerdings weiter sein. Eine dritte große Gruppe, der „Vaterländische Hilfsdienst“ (VHD) hat auch jeweils „Armeekorps“ in allen Bundesländern, ist aber ebenfalls von den „Bundesstaaten“ unabhängig.
Formal hängen die Organisatoren dem Reich von 1871 an, betrachten die Abdankung von Wilhelm II. als unwirksam und wollen mit der NS-Zeit nichts zu tun haben. Auch Hitler habe vom Exil-Kaiser nicht formal die Macht übertragen bekommen, hieß es etwa in Gera. Dennoch gibt es in der Anhängerschaft Überschneidungen von den Anhängern des „Zweiten Reiches“ mit dem „Dritten Reich“.
Der Weg zum „Systemausstieg“
Auch Redner in Gera, wie etwa Frank Haußner von den „Patrioten Ostthüringen“, sind etwa Grenzgänger in beiden Szenen und können, wie etwa auch etwa der Demoorganisator Christian Klar durchaus der Neonazi-Szene zugerechnet werden, die etwa auch beim jährlichen Neonazi-Aufmarsch anlässlich der Bombardierung von Dresden mitliefen. Klar war dort mit einem Redebeitrag vertreten. Laut einer Erklärung beim Bayerischen Rundfunk verharmlost die Reichsbürger-Szene die NS-Verbrechen aus eher pragmatisch nationalistischer Motivation, weil sie das Bild der Deutschen in deren Augen schädigt.
Haußner versuchte auch in seiner Rede einen Brückenschlag von der Sicht der Reichsbürger hin zu politischen Inhalten, wie sie etwa die AfD vertritt, in dem er „Deindustrialisierung“, angeblichen „Genderwahn“ und Frühsexualisierung beklagte. Der Aktivist wird bei Demonstrationen öfter auch an der Seite von Björn Höcke gesehen. Formal versucht die Reichsbürger-Szene allerdings nicht über Wahlen Einfluss zu gewinnen, sondern indem sie Sympathisanten zum „Systemausstieg“, Verweigerungshaltung gegenüber staatlichen Institutionen animiert und damit der Verweigerung eines demokratischen Diskurses.