Thüringen

Reichsbürger als kriminelle Vereinigung vor Gericht

Mit systematischen Einschüchterungen und Erpressungen soll eine Reichsbürger-Gruppe in Nordthüringen Behörden und deren Mitarbeiter*innen unter Druck gesetzt haben. Die mutmaßlichen Köpfe der Gruppe müssen sich jetzt vor Gericht verantworten.

Freitag, 14. März 2025
Kai Budler
Reichsbürger demonstrieren in Gera, Symbolfoto: Kai Budler
Reichsbürger demonstrieren in Gera, Symbolfoto: Kai Budler

Vor dem Landgericht Mühlhausen müssen sich ab Ende März zwei Reichsbürger wegen mutmaßlicher Rädelsführerschaft und Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten. Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft den 52 und 54 Jahre alten Männern aus Nordthüringen versuchte Nötigung bzw. Erpressung vor.

Seit 2021 soll der Landwirt Steffen S. aus Mühlhausen laut Anklage in 263 Fällen Droh- und Erpressungsschreiben an Behörden und Gerichte verschickt haben, mit denen er sie zu Datenauskunft, Zahlungen und zum Staatsangehörigkeitsnachweis auffordern wollte. Bei Mike H. aus Erfurt werden 51 solcher Schreiben zur Anklage gebracht.

Seit Mai in U-Haft

Mit den Schreiben sollen sie versucht haben, sich staatlichen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen und die Behörden lahmzulegen. Die Strafverfolgungsbehörde sieht darin die Straftatbestände Nötigung bzw. Erpressung erfüllt. Gegen rund zehn andere Beschuldigte wird weiterhin ermittelt.

Die Vereinigung soll arbeitsteilig versucht haben, systematisch Gläubiger und Behördenmitarbeiter*innen einzuschüchtern. Dabei sollen sie auch Mitarbeiter bis ins Private bedroht haben, auch von angedrohten Anschlägen ist die Rede. Dem 54-jährigen Steffen S. wirft die Staatsanwaltschaft außerdem Umsatzsteuerhinterziehungen in drei Fällen in Höhe von insgesamt mehr als einer halben Million Euro vor. Zudem soll er 2021 im Zusammenhang mit einem von ihm betriebenen Edelmetallhandel die entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen nicht abgegeben haben. Die beiden Männer sitzen seit Mai vergangenen Jahres in Untersuchungshaft.

Reichsbürger-Gruppe erstmals als kriminelle Vereinigung angeklagt

Bei den Ermittlungen stießen die Ermittler außerdem auf Kontakte der Beschuldigten zu führenden Personen von bundesweit agierenden mutmaßlich terroristischen Reichsbürger-Vereinigungen wie dem Terror-Netzwerk „Patriotische Union“ um Heinrich Prinz Reuß. Mitglieder der Nordthüringer Gruppierung sollen sich 2022 auch mit Mitgliedern der „Vereinten Patrioten“ getroffen haben, die gerade erst vor dem Oberlandesgericht Koblenz zu Haftstrafen verurteilt wurden. Sie hatten bundesweite Stromausfälle und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplant. Anschließend wollten sie eine neue Verfassung nach dem Vorbild des Kaiserreichs 1871 einführen.

Mit dem anstehenden Prozess betreten Staatsanwaltschaft und das Landgericht Mühlhausen juristisches Neuland, denn es ist das erste Mal, dass eine Reichsbürger-Gruppe als kriminelle Vereinigung angeklagt wird. Für die Verhandlung sind bislang rund 20 Verhandlungstermine bis Mitte Juli anberaumt.

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