Rechtsrock-Event in Themar etabliert sich

Zum dritten Mal innerhalb weniger Monate feierte eine vierstellige Zahl an Konzertteilnehmern im südthüringischen Themar. Die Veranstaltung als politische Kundgebung einzustufen, erwies sich erneut als Farce. Fast wäre das Konzert massiv verkürzt worden.

Sonntag, 29. Oktober 2017
Redaktion
Erneut reisten Teilnehmer mit Reisebussen direkt zum Konzert an, Foto: Thomas Witzgall
Erneut reisten Teilnehmer mit Reisebussen direkt zum Konzert an, Foto: Thomas Witzgall
Am Ende zählte die Thüringer Polizei 1.070 Teilnehmer beim dritten Konzert des Jahres in Themar. Zunächst sah es nicht so aus, als könne die unter dem Motto „Rock gegen Links“ stehende Veranstaltung an die Besucherzahlen von Ende Juli anknüpfen. Zum offiziellen Beginn kurz nach 14 Uhr standen keine 30 Anhänger am Einlass. Nach und nach trafen dann aber die Teilnehmer ein, am auffälligsten war dabei ein Reisebus aus dem Landkreis Görlitz, mit Band und Hakenkreuz am Heck in den Staub gezeichnet. Auf dem Programm standen mit der rechten Hooligan-Band Kategorie C, Fortress und Oidoxie zugkräftige Headliner der Szene.

Selbst Moderator Axel Schlimper spricht von „Festival“

Die Veranstaltung war erneut als politische Veranstaltung angemeldet, was dem Veranstalter gewisse Vorteile sicherte und Eingriffe und Auflagen erschwerte. Die Bewertung als solche verkam allerdings erneut zur Farce. Axel Schlimper, der als Moderator und über weite Strecken des Nachmittags als Alleinunterhalter fungierte, entschuldigte sich fast dafür, dass es an dem Tag auch längere Reden geben würde und warb bei den Anhängern um Verständnis dafür. Niemand veranstalte so spät im Jahr noch ein Open-Air-Festival [sic!]. Die Veranstaltung diene der Vernetzung und Ausbau der Strukturen in Südthüringen. Nächstes Jahr sei im Gespräch, mehrtägig zu feiern. Trotz der verkündeten Selbstauflösung der Europäischen Aktion, deren Gebietsleiter Schlimper war, prangte weiterhin das Banner der von Holocaustleugnern geführten Organisation prominent auf dem Gelände.
Neonazi-Punks auf dem Festival Auch wenn es für die rechtliche Bewertung zweitrangig sein dürfte, mit welcher Motivation politische Inhalte dargeboten werden, solange sie im ausreichenden Maße vorhanden sind, ließ die Argumentation schon tief blicken und die durchgängige Bezeichnung als „Festival“ war eindeutig.

Bands standen eindeutig im Mittelpunkt

Auch Michael Zeise bat darum, die Anwesenden möchten ihm doch wenigstens kurz zuhören. Der frühere Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidkte versprach dann auch zu Beginn seiner Ausführungen, nicht zu lange zu sprechen. Nun kann Aufmerksamkeit nicht verordnet werden, es zeigte allerdings deutlich, mit welchen Interessen und Erwartungshaltungen der überwiegende Teil der Anhänger nach Themar fuhr. Zu verantworten haben die Veranstalter aber das insgesamte Arrangement, das zusätzlich noch die Aufmerksamkeit für die politischen Reden verminderte. Zu Beginn störten noch Soundchecks die ersten Reden. Später liefen die Auftritte von Bands und Redner sogar komplett parallel. Beim ersten Konzert in Themar hatten die Redner noch zentral im Zelt gesprochen. 2017-10-28 Rechtsrock Themar Auch ein Blick auf die Seite des Veranstalters Patrick Schröder offenbarte, dass die Zusammenstellung der Bands im Vorfeld die größere Aufmerksamkeit auf sich zog. Das Lineup wurde mehrmalig aktualisiert, um hier die Anhänger mit den letzten Informationen zu versorgen. Die Redner wurden eher beiläufig genannt.

Wer kann noch mit Schröder?

Nach dem Streit innerhalb der extremen Rechten, dessen Gipfel ein „Diss-Track“ des Neonazi-Rappers Julian Fritsch alias Makss Damage gegen Veranstalter Patrick Schröder war, bekam die Teilnahme in Themar, zumindest was bekannte Kader betrifft, einen gewissen politischen Charakter. Überrascht hat in dem Sinne vor allem die Anwesenheit von Dieter Riefling. Fritsch hatte in einem Lied versucht, die Trennlinie anhand des VerhältnisseS zum Nationalsozialismus festzumachen, wobei Schröder diesen verrate und hauptsächlich geschäftliche Interessen im Sinne habe. Riefling ist ein eindeutiger Vertreter des radikalen NS-Flügels der deutschen extremen Rechten.

Redner erfreut über immer weniger betrunkene Neonazis

Auch die Redner bemühten sich, auf die Kritik seit dem ersten Konzert in Themar einzugehen. Schmidtke beklagte in seiner kurzen Rede die Verurteilungen der deutschen Holocaustleugner Horst Mahler und Ursula Haferbeck. Schlimper kritisierte, dass gewisse Äußerungen und Handbewegungen in Deutschland verboten seien, bat allerdings die Besucher, diese Verbote für den Verlauf des Festivals notgedrungen zu beachten. Maximilian Reich von der JN Baden-Württemberg versuchte eine Lanze für die „Musik-Szene“ zu brechen, die vor allem von der neonazistischen Partei Der Dritte Weg mit viel Kritik überzogen wurde. Die habe sich in den letzten Jahren sehr gebessert und bei Fahrten nach „Mitteldeutschland“ sehe er immer seltener bereits um zwölf Uhr mittags alkoholisierte Rechte an den Bahnhöfen.

Schröder auf Toilettensuche

Größere Probleme bereiteten den Veranstaltern an dem Tag offenbar die Suche nach Toiletten. Die Grüne Landtagsfraktion in Thüringen hätte unter dem Motto „Kein Klo für Nazis“ „alle“ Verleiher kontaktiert und sie vor dem Konzert gewarnt. Die Privatautonomie erlaubt es Privatpersonen, selbst zu entscheiden, mit wem sie Verträge abschließen. Wenige Stunden vor Konzertbeginn sei er dann doch durch einen Trick fündig geworden. Ohne die Toiletten hätte die Ordnungsbehörde laut Schröder die Veranstaltung nach drei Stunden abgebrochen. Fündig wurde der Neonazi dann bei einem Verleih in der Oberpfalz, unweit seiner Heimat Weiden. Schlimper ermahnte die Gäste zwischendurch, die Toiletten nicht zu bekleben. Es steht nach ersten Informationen eine Täuschung des Verleihs im Raum. Später am Abend musste der Neonazi noch die Besucher ermahnen, auf Straftaten zu verzichten, sonst würde das Konzert abgebrochen, vermeldete der MDR. Über das Ausmaß gibt es keine unabhängigen Informationen. In der Pressemitteilung sprach die Polizei dann von insgesamt 17 Straftaten, darunter fünf Mal die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ein Neonazi war mit SS-Totenkopf-Tattoo samt deren Wahlspruch an Polizei und Journalisten zum Eingang spaziert. Zwei Mal kam es zu Widerstandshandlungen und zu einer Körperverletzung. Gegen die Veranstaltung protestierten etwa 150 Personen, gemäß dem Motto „Superhelden gegen Nazis“ teilweise kostümiert. 90 Personen nahmen am Friedensgebet teil. Gegen 16 Uhr konnten sich der neue Innenminister des Landes, Georg Maier, der Landrat sowie Landtagsabgeordnete und Medienvertreter auf dem Gelände ein eigenes Urteil bilden.
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