Provokante Aktion von Polit-Künstlern versetzt Chemnitz in Aufregung

Das Künstlerkollektiv „Zentrum für poltische Schönheit“ veröffentlichte gestern auf einer Website einen „Fahndungsaufruf“ mit Bildern von Teilnehmern der rechtsextremen Demonstrationen in Chemnitz im August und Oktober. Ein angemieteter Büroraum in der Chemnitzer Innenstadt, in dem die Bilder ebenfalls aushingen, wurde nach wenigen Stunden von der Polizei geöffnet und die Fotos entfernt. In sozialen Medien riefen etliche Personen zu Gewalt gegen den Raum und die Organisatoren auf.

Dienstag, 04. Dezember 2018
Redaktion
Das ZPS mit dem Fahnungsaufruf auf Facebook; Foto: Screenshot
Das ZPS mit dem Fahnungsaufruf auf Facebook; Foto: Screenshot
Unter dem Titel „SoKo Chemnitz“ startete das „Zentrum für politische Schönheit“ am Montagmorgen ihre neueste Kampagne. In einem kurzen Video auf YouTube erklären die Organisatoren die Ziele ihrer Aktion. Man wolle „den Rechtsextremismus 2018 systematisch erfassen, identifizieren und unschädlich machen“. Dazu habe man „drei Millionen Bilder von über 7000 Verdächtigen ausgewertet“ und fordert jetzt dazu auf „Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld.“

Denunziationsaufrufe zu Teilnehmern der Aufmärsche

Auf der dazugehörigen Website finden sich Portraitfotos von vermeintlichen Teilnehmern der rechtsextremen Demonstration in Chemnitz in verschiedenen Kategorien. Unter den „Promis von Chemnitz“ finden sich bekannte Rechte mit Bild und abgekürztem Namen wie Lutz Bachmann oder der österreichische Identitäre Patrick Lenart. In der Kategorie „Katalog der Gesinnungskranken“ sind Personen abgebildet, deren Bilder aus rechtlichen Gründen unkenntlich gemacht wurden wie die Betreiber dazu schreiben. Der tatsächliche „Denunziationsaufruf“ mit ausgewiesener Belohnung umfasst 14 Personen, die jeweils mit Bild auf der Seite auftauchen. Die angegebene Nummer der „SoKo Chemnitz“ für Hinweise zu den aufgeführten Personen führt unterdessen zur Polizeidirektion Chemnitz. Weiterhin finden sich auf der Seite Angebote an Arbeitgeber, die Hilfe bei der Entlassung ihrer Beschäftigten, die an den Demonstrationen teilgenommen haben, suchen. Wie die rechtlichen Umstände zur Veröffentlichung von Portraitaufnahmen auf der Seite aussehen, ist derzeit fraglich. Die Polizei kündigte an, die Betreiber noch im Laufe dieser Woche zu einer Stellungnahme aufzufordern, die Internetseite wird zudem von der Berliner Datenschutzbeauftragten geprüft.

Provokation als Tradition

Das „Zentrum für politische Schönheit“ ist ein Zusammenschluss von Aktionskünstlern die seit Jahren mit provokanten Aktionen auf gesellschaftliche Missstände hinweisen und dabei auch schon öfters mit Desinformation arbeitete. So behaupteten sie bei ihrer letzten Aktion, als sie das Holocaust-Mahnmal auf dem Nachbargrundstück von Björn Höcke nachbauten, sie hätten den AfD-Politiker über ein Jahr lang observiert. Dies stellte sich im Nachgang als falsch heraus. Welche Informationen auf der Website zutreffend sind und welche möglicherweise Teil der Kampagne sind, bleibt also vorerst ungewiss. Neben der Website wurde bei der jetzigen Aktion auch ein Geschäftsraum in der Chemnitzer Innenstadt angemietet, in dessen Schaufenster am Montagmorgen die bereits online erschienenen „Fahndungsaufrufe“ aufgehängt wurden. Die Ausstellung erregte bei Passanten einige Aufmerksamkeit. Auch die Organisatoren der wöchentlich stattfindenden rechtsextremen Demonstrationen von Pro Chemnitz meldeten sich kurz darauf zu Wort. Über Whatsapp-Nachrichten informierten sie ihre Sympathisanten und verkündeten, dass man plane, rechtliche Schritte einzuleiten. Auf ihrer Facebook-Seite verkündete Martin Kohlmann in einem Video, dass man gegen die Verantwortlichen vorgehen wolle. In den Kommentaren unter diesem und weiteren Beiträgen häuften sich daraufhin die Beiträge mit Gewaltaufrufen gegen den Laden und die Verantwortlichen des ZPS. Der Neonazi Sven Liebich rief dazu auf, die Adresse des Gründers Phillip Ruch zu veröffentlichen. Diese Aufrufe zu Straftaten nahm die Polizei Chemnitz zum Anlass, im Rahmen der Gefahrenabwehr die Plakate aus dem Schaufenster entfernen zu lassen, um mögliche Angriffe auf das Haus zu verhindern. Eine mögliche strafrechtliche Relevanz der Inhalte und Abbildungen auf der Website sowie die Plakatierung in den Büroräumen werde geprüft. Bereits am Vormittag hatte die sächsische Landesregierung das ZPS abgemahnt, da diese auf ihrer Website das Logo der Initiative „So geht sächsisch“ verwendete.

Erste Reaktionen

Noch am Montag meldete sich auch die erste Firma zu Wort. Das Unternehmen „Cabka“ erklärte in einem offenen Brief an das „Zentrum für politische Schönheit“, die Bilder auf der Website legen nahe, dass einer ihrer Mitarbeiter an den Aufmärschen teilgenommen habe und man darüber zutiefst bestürzt sei, sollte sich dies bewahrheiten. Man wolle das Gespräch mit dem beschuldigten Mitarbeiter suchen, distanziere sich aber auch von öffentlichen Denunziationen. Wie auch immer man zu der Aktion der „SoKo Chemnitz“ stehen mag, ein erstes Ziel haben die Künstler bereist erreicht, denn das Thema Rechtsextreme in der Gesellschaft sowie die Aufarbeitung der Aufmärsche in Chemnitz sind wieder ganz oben auf der Tagesordnung.
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