Prozess

Neun Jahre Haft: Österreichischer Rechtsextremist wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt

Erst weit nach Mitternacht endete am Montag der Prozess gegen den österreichischen Rechtsextremisten Manuel E.: Der 38-jährige Osttiroler wurde wegen NS-Wiederbetätigung zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt.

Dienstag, 12. März 2024
Christof Mackinger
 Manuel E. nutzte die Gerichtsverhandlung auch dafür, um seine vermeintliche Expertise zu verbreiten.
Manuel E. nutzte die Gerichtsverhandlung auch dafür, um seine vermeintliche Expertise zu verbreiten.

Außerordentlich wortreich verteidigte sich am Montag der bekannte rechtsextreme Manuel E. aus dem österreichischen Lienz beim Prozess vor dem Innsbrucker Landesgericht. Über eine Stunde lang referierte der Angeklagte über seine vermeintliche Expertise zum österreichischen Verbotsgesetz – und warum er nicht dagegen verstoßen hätte. Die acht Geschworenen und das Gericht überzeugte er damit aber nicht. In den meisten der 18 Anklagepunkte wurde er für schuldig befunden.

Feste Größe der NS-Szene

Manuel E. ist eine feste Größe in der österreichisch-deutschen Neonazi-Szene. Bereits als Jugendlicher wurde er in Osttirol wegen einschlägiger Straftaten verurteilt, „Sieg Heil“-Rufe und Gewalt gegen Nicht-Weiße – „alles unter Alkoholeinfluss“, wie er vor Gericht beteuerte. Heute lebe er drogenfrei, treibe Sport, sei Familienvater, kurz: ein anderer Mensch. Seine rechtsextremen Aktivitäten jedoch blieben. Manuel E. betrieb jahrelang unerkannt einschlägige Musikprojekte wie Feuernacht, Terrorsphära oder Kombaat und trat international auf Veranstaltungen der Neonazi-Szene auf.

Vorübergehend lebte E. in Deutschland, wo er als „Ideengeber“ der rechtsextremen Kampfsport-Szene fungierte. Tatsächlich, so könnte man meinen, ließ er kein neonazistisches Großereignis aus: Er war nicht nur beim rechtsextremen Ulrichsberg-Treffen im österreichischen Kärnten dabei, sondern auch beim berüchtigten Rudolf Hess-Marsch in Bayern, dem „Tag der Ehre“ in Ungarn sowie der mittlerweile verbotenen Kampfsport-Veranstaltung „Kampf der Nibelungen“ in Deutschland.

NS-Propaganda und Indoktrination

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck warf E. vor, rechtsextremes Propagandamaterial in Form von Büchern und Bekleidung zur Schau gestellt zu haben sowie NS-Gedankengut über seine Musikprojekte gefördert zu haben. Er solle eines seiner fünf Kinder im Sinne des Nationalsozialismus indoktriniert haben. Zudem wurde ihm ein Auftritt beim neonazistischen Gerd Honsik-Kongress vergangenen Herbst in Wien angelastet, genauso wie zahlreiche Sprachnachrichten, die im Zuge der Hausdurchsuchung auf seinem Mobiltelefon sichergestellt worden waren. Darin war schwülstig die Rede vom „alten glorreichen Reich, dem letzten Lichtstrahl unseres Jahrtausends“, oder den „sechs goldenen Jahren nach dem Anschluss.“

Ihm unliebsame Rechte wolle Manuel E., so eine Nachricht, „wegen Wehrkraftzersetzung verfolgen und in Mauthausen [größtes früheres NS-Konzentrationslager Österreichs] Steine klopfen lassen“.
E., der seit einigen Jahren wieder in Österreich lebt, pflegte im letzten Jahrzehnt rege Kontakte zu zentralen Figuren der Neonazi-Szene, darunter der wohl bekannteste Neonazi Österreichs, Gottfried Küssel, der „treueste Unterstützer“ der Rechtsterrorzelle NSU, André Eminger sowie der deutsche Rechtsextremist Hendrik Möbus.

Wortreiche Verteidigung

Manuel E. fühlte sich von der Staatsanwaltschaft mal verfolgt, dann wieder missverstanden. Er habe „allenfalls geschichtshistorisches Interesse“, so seine wortreiche Verteidigungsstrategie, zum Nationalsozialismus habe er „keine Meinung“. Erst nach beharrlicher Nachfragen der Richterin rang er sich dazu durch, „Massenmorde“ generell abzulehnen. Aber: „Was hat das mit der Gegenwart zu tun? Das ist die Vergangenheit“, fügte er an. Allein seine Musikvorlieben, er höre auch Hardcore-Bands „mit linker Gesinnung“, zeige, dass er kein NS-Straftäter sein könne; seine Ernährung, dass er nicht gewaltaffin sei: „Warum ernähre ich mich seit 17 Jahren gewaltfrei: vegan?“ Langatmig dozierte der Glatzkopf im Maßanzug sein vermeintliches Wissen über das österreichische NS-Verbotsgesetz.

„Ein höchst gefährlicher Mensch“

In ihrem Abschlussplädoyer gab sich die Staatsanwältin ungehalten ob des Redeschwalls von E.:„‘Blutzeugen’, ‚die goldenen sechs Jahre nach dem Anschluss‘, Runen und Scheitelträger…“, das habe alles keinen Bezug zum Nationalsozialismus? Es hat mich verärgert, dass Herr E. glaubt, er könne uns täuschen. Er hat versucht, bis an die Grenze zu gehen, dabei ist er aber über eine Grenze gegangen. Meiner Meinung nach haben wir es mit einem höchst gefährlichen Menschen zu tun.“

 

Die Neonazi-Szene begeht jedes Jahr im März einen "Tag der politischen Gefangenen", auch Manuel E. wird dort erwähnt. Foto: Screenshot
Die Neonazi-Szene begeht jedes Jahr im März einen "Tag der politischen Gefangenen", auch Manuel E. wird dort erwähnt. Foto: Screenshot

Letztlich wurde Manuel E. in einem Großteil der Anklagepunkte für schuldig befunden. Dem Gericht zufolge muss er für neun Jahre in Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. In Neonazi-Kanälen wurde das Urteil noch in der späten Nacht kommentiert: „Die Republik Österreich ist der repressivste Staat Europas. Der Kampf um die Meinungsfreiheit geht weiter!“

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