Chemnitz
Neues „Hausprojekt“ der Identitären Bewegung – ein AfD-Bundestagsabgeordneter feiert mit
Die Identitäre Bewegung will ein neues Hausprojekt an den Start gebracht haben. Das weckt Erinnerungen an die ehemalige Immobilie in Halle. Neuer Standort soll diesmal Chemnitz sein. Auf dem angeblichen Einweihungsbild ist ein AfD-Bundestagsabgeordneter zu sehen sowie einige Funktionäre der Jungen Alternative.
Am Freitag verkündete die Identitäre Bewegung auf ihren Kanälen die Einweihung eines neuen Hausprojektes. Das dort verbreitete Foto dürfte allerdings bereits einige Tage alt sein. Wie immer ist bei der Identitären Bewegung Vorsicht bei der Selbstdarstellung geboten. Bilder und Begriffe zielen auf propagandistische Wirkung ab, da große Medien gerne Bilder und Sprache ungeprüft übernehmen.
Die rassistische Gruppe nennt ihr Projekt „Zentrum Chemnitz“, tatsächlich ist das Haus, vor dem das verbreitete Foto entstand, alles andere als zentral. Im Viertel Schönau gelegen, ist es über fünf Kilometer vom Hauptbahnhof und rund eine Stunde Fußmarsch zum ikonischen Karl-Marx-Denkmal der Stadt entfernt. Also kein Vergleich zum damaligen Projekt in Halle, das fußläufig unweit des dortigen Campus zu erreichen war.
Bei der im Text zur Eröffnung angesprochenen „Besetzung“ eines Asylzentrums in Dresden saßen einige Aktivisten über eine gewisse Zeit auf einem Dach, der Wortführer gehörte auch nicht zur „Sachsengarde“, wie sich eine regionale Gruppe nennt, sondern es handelte sich um den Burschenschafter der Münchner Danubia, Adrian Segner, von der IB Bayern, der auch schon mit Martin Sellner in Mecklenburg-Vorpommern an einer Propaganda-Aktion teilnahm.
Bundestagsabgeordnete und Funktionäre der Jungen Alternative feiern mit
Um für das Eröffnungsbild auf eine veritable Zahl an Teilnehmenden zu kommen, war eine Anreise aus der ganzen Republik vonnöten. Etliche Personen tragen Shirts der IB Bayern. Zu sehen sind auch frühere Aktivisten wie „Paula Winterfeld“ aus Berlin oder Heinrich Mahling, früher als Regionalleiter in Hessen in Erscheinung getreten.
Unterstützung erfährt das Projekt von mindestens einem Bundestagsabgeordneten der AfD: Roger Beckamp. Zu dem Abgeordneten aus dem Rhein-Sieg-Kreis gibt es eine ganze Reihe an Berichten über seine Unterstützung der IB, Unvereinbarkeitsbeschluss hin oder her. So trat er im früheren Hausprojekt in Halle auf und unterstützte eine Videospielschmiede, die dem Umfeld der österreichischen Identitären zugerechnet wurde.
JA und IB vereint
Dass der Umgang der AfD mit der Identitären Bewegung weiterhin uneinheitlich ist, zeigte sich zuletzt vor allem an der Brandenburger Funktionärin der Jungen Alternative, Anna Leisten. Auch sie ist wie selbstverständlich auf dem Gruppenbild dabei. Identitäre Kreise aus Österreich bewarben mit ihr eine Demonstration im Sommer in Wien. Ihre Rede dort entfiel angeblich nach Druck aus der Bundespartei. Mitlaufen und am Frontbanner Gesicht zeigen wurde hingegen geduldet.
Ärger soll sie dagegen bekommen haben, weil sie im Anschluss an ein Interview mit dem rechtsextremen Compact-Magazin die Geste gezeigt hatte, die auch auf dem Gruppenbild aus Chemnitz wieder mehrfach zu sehen ist: das aus der Taucherszene bekannte Okay-Zeichen, das von Rassisten im Sinne von White Power verwendet wird. Der Aktivist und Filmer Simon Kaupert inszeniert sich auf dem Bild etwa mit der Pose. JA-Bundesvorstandsmitglied Leisten ist nicht die einzige Person der AfD-Jugendorganisation vor Ort: Dabei ist auch Stefan Pfau, Stellvertreter von Leisten im JA-Landesvorstand aus Brandenburg.
Teile der AfD, besonders Björn Höcke nahestehende Kreise betonen seit einiger Zeit offen den Schulterschluss mit dem Vorfeld aus rassistischen Medien- und Kulturprojekten. Unterstützungsleistungen kommen dabei im Form von Arbeitsmöglichkeiten, Praktika oder Geldleistungen für Fotos, Videos oder in Form von Anzeigen in Publikationen.
So beschäftigt oder beschäftigte der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt etwa den mehrfach verurteilen Gewalttäter Mario Müller. Der war für den vielleicht schwersten Vorfall um das Hausprojekt in Halle verantwortlich. Gemeinsam mit einem Mitstreiter ging er vor dem Haus im November 2017 bewaffnet mit Baseballschlager und Reizgas auf Zivilpolizisten los, die er für politische Gegner hielt. Die Beamten mussten zu Schutz ihre Dienstwaffen ziehen. Während andere alte Gesichter der IB bei der Einweihung fehlten, war Müller bei der Einweihungsparty mit dabei.
Über die formalen Hintergründe, auf welcher Basis die IB das Haus nutzen kann und wer es ihr überlässt, ist noch nichts bekannt. Das frühere Hausprojekt in Halle war 2016 über eine Stiftung um den hessischen AfD-Landtagsabgeordneten erworben worden. Nach Recherchen von IB-Doku haben IB-Kader auch Ende 2022 eine Immobilienfirma gegründet. Der Sitz: Chemnitz.