Prozess um Feuer in Bremer Jugendzentrum

Neonazis bestreiten rechtsextrem motivierte Brandstiftung

Vor fast genau fünf Jahren sollen Neonazis ein Feuer im linksalternativen Bremer Jugendzentrum „Die Friese“ gelegt haben. Jetzt begann endlich der Prozess vor dem Landgericht der Hansestadt an der Weser. Alle drei Angeklagten kommen aus dem Umfeld der militant-rechtsextremen Kleinstpartei „Die Rechte“. Eine politisch motivierte Tat bestreiten sie jedoch.

Freitag, 17. Januar 2025
Joachim F. Tornau
Die drei angeklagten Neonazis vor dem Landgericht Bremen, Foto: Joachim F. Tornau
Die drei angeklagten Neonazis vor dem Landgericht Bremen, Foto: Joachim F. Tornau

Beim Prozessauftakt hatte Verteidiger Michael Zinke noch „weitestgehend geständige Angaben“ angekündigt. Nur einen Tag später konnte davon schon keine Rede mehr sein. Der Anwalt vertritt Jan E., einen 29 Jahre alten Neonazi aus Dörverden bei Bremen, der im Prozess um den Brandanschlag auf die „Friese“ als Hauptangeklagter gilt: Zusammen mit seinen Gesinnungsgenossen Nico J. (35) aus Güstrow und Dave S. (41) aus Bremen soll er in der Nacht zum 16. Februar 2020 das Kultur- und Jugendzentrum im alternativen Steintor-Viertel in Brand gesetzt haben – während eines Konzerts zweier belgischer Elektronikmusiker, das zum Tatzeitpunkt von 33 Menschen besucht wurde.

Die Staatsanwaltschaft legt den Männern schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung zur Last. Gegen Mitternacht sollen sie unbemerkt das Café im ersten Stock des selbstverwalteten Zentrums in der Friesenstraße betreten und Kleidungsstücke angezündet haben – „in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken“, wie Staatsanwältin Melina Lutz vortrug. Das Feuer habe auf die Möbel übergegriffen und einen Sachschaden von 180.000 Euro verursacht. Die Angeklagten hätten in Kauf genommen, Menschen zu verletzen. Zwar konnten sich alle Besucher*innen des Konzerts, das im Erdgeschoss stattfand, rechtzeitig ins Freie retten. Drei von ihnen leiden laut Anklage aber noch heute unter psychischen und körperlichen Folgen der Tat.

Hintergrund des Kulturzentrums angeblich unbekannt

Am Freitag nun ließ Jan E. seinen Verteidiger vortragen: Es sei alles nur ein Versehen gewesen. Und keinesfalls eine politisch motivierte Tat. In der vorbereiteten Einlassung, die Anwalt Zinke vorlas, ging es vor allem um Alkohol. Um sehr viel Alkohol. Demnach will Jan E. an jenem Samstag im Februar 2020 bereits tagsüber kräftig gesoffen haben. Dann habe er sich mit den beiden Mitangeklagten getroffen und weitergebechert. Bis sie irgendwann in die „Friese“ gegangen seien. Aber nur, weil einer von ihnen habe pinkeln müssen. „Ich kannte die ‚Friese‘ definitiv nicht vorher“, behauptete Jan E. „Ich wusste nicht, was für Leute da verkehren.“ Es sind Menschen, die eher nicht ins rechtsextreme Weltbild passen.

Beim Versuch, sich neben einem Kleiderständer eine Zigarette anzuzünden, habe er versehentlich mit seinem Zippo-Feuerzeug einen Jackenärmel angezündet, ließ der Neonazi mitteilen. „Ich habe eine kleine Flamme gesehen und gedacht, dass sie gleich wieder ausgeht.“ Keine absichtliche Brandstiftung also und erst recht keine wissentliche Gefährdung von Menschenleben: Von dem Konzert will Jan E. nichts bemerkt haben.

Neonazi-Sticker vor Ort gefunden

Die beiden Männer, die damals mit ihm unterwegs waren und jetzt links und rechts von ihm auf der Anklagebank sitzen, leugneten die Tatvorwürfe über ihre Anwälte sogar gleich ganz. Es sei nichts geplant oder abgesprochen gewesen. Von dem Feuer hätten sie überhaupt nichts mitgekriegt. Dave S. räumte lediglich den Vorwurf einer zweiten Anklage ein: dass er im August 2024 in einer Bremer Straßenbahn randaliert und mit seinen Fäusten brutal auf den Fahrer eingeschlagen habe. Auch da sei er halt betrunken gewesen.

Wie glaubhaft diese Einlassungen sind, wird der Prozess vor dem Bremer Landgericht zeigen müssen. Alle drei Angeklagten gehörten jedenfalls zur Tatzeit zum Umfeld der militant-neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“. Dave S. und Nico J. waren zudem mit der rechten Schlägertruppe „Phalanx 18“ durch das Steintor-Viertel gezogen, die bis zu ihrem Verbot im November 2019 immer wieder vermeintliche Antifaschist*innen angegriffen hatte. Auf einem selbst veröffentlichten Foto posierte die Gruppe in Macker-Pose unweit der „Friese“. Und unmittelbar nach dem Feuer waren an dem Jugendzentrum frisch geklebte Neonazi-Aufkleber entdeckt worden.

Abgehörte Telefonate

Zu alledem schwiegen die Angeklagten in ihren Einlassungen. Nachfragen wollen sie keine beantworten, zumindest noch nicht. Unterdessen berichtete Nebenklageanwältin Lea Voigt, die eine Betroffene des Anschlags vertritt, dass das Auto ihrer Mandantin in der Nacht nach dem Prozessauftakt beschädigt worden sei – genauso wie das Auto eines Bremer Journalisten, der zur rechtsextremen Szene recherchiere. Und den die Angeklagten in abgehörten Telefonaten deshalb zu ihrem Feindbild erklärt hätten. „Es liegt nahe“, sagte die Anwältin, „dass es einen Zusammenhang gibt zu diesem Verfahren.“

Schon sehr früh nach dem Brandanschlag hatten Spuren zu den Angeklagten geführt. Ihre Wohnungen wurden aber erst anderthalb Jahre später durchsucht. Die Ermittlungen seien „mit wenig Eifer“ geführt worden, kritisierte Voigt. Nach ihren Angaben fanden sich bei den Durchsuchungen Hinweise auf eine Verbindung zu dem in Deutschland verbotenen militanten Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“. „Wir können aber nicht erkennen, dass von den Ermittlungsbehörden jemals ein rechtsterroristisches Motiv für den Brandanschlag in Betracht gezogen wurde.“ Die Nebenklage wirft Polizei und Staatsanwaltschaft „handwerkliche Fehler“ und „lange Phasen der Untätigkeit“ vor, die im Prozess zu erörtern seien.

„Gravierende Erfassungs- und Anerkennungslücke“

Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) wertete den Bremer Brandanschlag als weiteren Beleg für eine „bundesweite Eskalation von Neonazi-Gewalt gegen Menschen, die als politische Gegner*innen markiert werden“, wie es in einer Stellungnahme hieß. Zugleich würden rechtsextrem motivierte Brandanschläge von den Behörden nach wie vor in ihrem Ausmaß unterschätzt: „Es gibt eine gravierende Erfassungs- und Anerkennungslücke.“ Während das Bundeskriminalamt von 44 solcher Taten für die Jahr 2020 bis 2023 ausgehe, hätten die Beratungsstellen für denselben Zeitraum 110 Anschläge gezählt.

Für den Prozess in Bremen sind 17 weitere Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt. Es könnte aber auch schneller gehen: Das Gericht zeigte sich offen dafür, nach den ersten Prozesstagen über eine verfahrensverkürzende Absprache zu sprechen. Die überlange Verfahrensdauer dürfte den Angeklagten dabei zugutekommen.

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