Kandidat für das Präsidium im Bayerischen Landtag
Nächster Affront der bayerischen AfD-Landtagsfraktion
Die AfD im bayerischen Landtag schlägt heute ihren Abgeordneten Harald Meußgeier für das Amt des Vizepräsidenten vor. Die Auswahl kann als Affront gelten. Die Parlamentarier der demokratischen Fraktionen sollen sich von einer Person repräsentieren lassen, in dessen Äußerung ein Gericht einen Beleg für die „menschenwürdefeindliche Zielrichtung der AfD“ sah.
Nach drei erfolglosen Versuchen der AfD, den Nürnberger Landtagsabgeordneten Matthias Vogler als Vizepräsident ins Präsidium des bayerischen Landtags zu wählen, versucht es die von der Höcke-Vertrauten Katrin Ebner-Steiner angeführte AfD-Fraktion mit einem neuen Kandidaten. Schon die Auswahl Voglers hatte eine gewisse Schlagseite. Als Neuling brachte es Vogler vor der Wahl auf keinerlei Erfahrung im Landtag. Mit Ordnungsmaßnahmen hingegen kennt er sich aus: 2018 störte er als Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Martin Sichert die Vereidigung von Angela Merkel von der Bühne des Bundestags und wurde des Saals verwiesen.
Auf den Neuling folgt ein Neuling
Harald Meußgeier von der AfD Oberfranken, der nun anstelle von Vogler sein Glück versuchen soll, wurde ebenfalls erst im Oktober in den Landtag gewählt und ist ohne Sitzungserfahrung. Seine Äußerungen schlugen sich allerdings im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz und in Beschlüssen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Beobachtung des AfD-Landesverbandes Bayern nieder. Die Richter sahen darin einen Beleg für die „menschenwürdefeindliche Zielrichtung der AfD“. Und genau dieser Abgeordnete soll, wenn es nach der AfD geht, als Vizepräsident das Plenum und damit die Parlamentarier der demokratischen Fraktionen mit repräsentieren.
Meußgeiers aktenkundige Äußerung stammt aus dem März 2019 und ist gegen die gleichberechtigte Teilhabe von Muslimen im Gemeinweisen gerichtet. Zusammen mit weiteren Äußerungen, unter anderem durch den Regensburger AfD-Stadtrat Erhard Brucker, kamen damals die Richter am Verwaltungsgericht München zur Auffassung, die AfD setze Muslime wegen ihrer Religionszugehörigkeit "systematisch, anhaltend und wiederholt pauschalisierend auf polemische Art und Weise herab, grenze sie aus und stelle sie als kriminelle, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse" hin.
Die AfD Bayern glaubte, diese Äußerung mit dem Löschen des Beitrags und im Mai 2023 abgegebenen Distanzierungen aus der Welt schaffen zu können. Trotz durchweg generalisierenden Äußerungen wie „der Islam“ und „weltweit“ wollte Meußgeier seine Aussagen nicht als pauschalierend verstanden wissen, sondern als „Kritik“ an Zuständen in einigen wenigen Ländern. Die Richter am Verwaltungsgerichtshof, die das Urteil der ersten Instanz zu überprüfen hatten, sahen darin aber keine glaubhafte Distanzierung. So sei die Abkehr von den Aussagen Meußgeiers und Bruckers erst im Mai 2023 erfolgt, als sie bereits länger bekannt und vom Gericht als Belege herangezogen worden waren, womit eine rein verfahrenstaktische Motivation naheliege. Sie seien auch sonst völlig unglaubhaft.
Richter: Distanzierung unglaubwürdig
Auch halten die Richter am Verwaltungsgerichtshof der AfD Bayern entgegen, dass weiter keine Maßnahmen ergriffen wurden. Erhard Brucker blieb Mitglied des Landesvorstandes bis zur Neuwahl vor einigen Tagen in Greding, wo er mehrfach von der Bühne aus gelobt wurde, aber nicht wieder für den Vorstand kandidierte. Während gegen andere im Beschluss genannten Mitglieder wie die ostbayerischen Funktionäre Reinhold Mixl und Wolfgang Pöschl öffentlichkeitswirksam Parteiausschlussverfahren angestrengt und die erste Nominierung als Landtagskandidaten annulliert wurde, ergriff die AfD selbst offenbar keinerlei Maßnahmen, sondern setzte Meußgeier gleich hinter dem Spitzenkandidaten Martin Böhm auf Platz 2 der Bezirksliste, die eine Wahl in den Landtag begünstigte. Auch das werteten die Richter als Indiz gegen eine nachhaltige Distanzierung. Und nun folgte als i-Tüpfelchen noch die Nominierung für das Amt des Vizepräsidenten durch die Fraktion.
Die angebliche Distanzierung von allzu radikalen Aussagen passt auch nicht zum Bild, das Meußgeiers Facebook-Profil abgibt. Noch immer gibt es aus früheren Jahren etliche Links zu Einträgen des inzwischen verstorbenen fanatischen Islamhassers Karl-Michael Merkle (Michael Mannheimer). Auch finden sich dort Beiträge mit einem geradezu obsessiven Verhältnis zur Familie Rothschild.
Im Einklang mit früheren Skandalen von Fraktionskollegen
Zu früheren Skandalen der AfD-Fraktion passen auch weitere Postings, die weiterhin einsehbar sein und nicht bereinigt wurden im Zuge eines vermeintlichen Umdenkens. So veröffentlichte Meußgeier am 20. Juni 2019, fünf Tage, nachdem die Polizei mit dem Rechtsextremisten Stephan Ernst einen dringend Tatverdächtigen für den Mord an Walter Lübcke festgenommen hatte einen Beitrag des rechtsextremistischen Compact-Magazins, der laut noch einsehbarer Headline vom angeblichen Agieren der Geheimdienste hinter dem Mord sprach. Meußgeiers zustimmender Kommentar von der „Märchenstunde vom Feinsten“ zielt offenbar auf das vom Täter auch per Geständnis bestätigte rechtsterroristische Mordmotiv. Der frühere AfD-Abgeordnete Ralph Müller hatte im Plenum für einen Eklat gesorgt, als er während des Gedenkens an Walter Lübcke vertieft in seine Unterlagen sitzen blieb.
Und auch zum zweiten großen Skandal der Fraktion hat Meußgeier in seiner Zeit vor dem Mandat bereits Stellung bezogen. Als große Teile der AfD-Fraktion nach deutlicher Kritik von Charlotte Knobloch den Saal verließen, veröffentlichte Meußgeiers Kreisverband eine Rechtfertigung für das Vorgehen. Die von ihm geteilte Kachel warf der Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde von München und Oberbayern eine parteipolitische Motivation und „übelste Hetze“ vor. Der Eintrag kommt zu dem Schluss: Gestört habe an dem Tag beim Gedenken für die Opfer der Shoah nur eine Person: die Überlebende des Holocaust.