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Liebich räumt Schuld ein – Landgericht Leipzig stellt Verfahren ein

Das Landgericht Leipzig hat Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Marla Svenja Liebich sowie drei weitere extrem Rechte eingestellt. Noch in erster Instanz war Liebich zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Vor der Einstellung durch das Gericht räumten Liebich und die anderen Angeklagten ihre Schuld ein.

Freitag, 11. Juli 2025
Valentin Hacken
In einem Maleranzug nahm der Rechtsextremist Sven Liebich, heute Marla-Svenja Liebich, an der Demonstration in Leipzig teil, auf der es zu der Körperverletzung an einem Fotografen kam.
In einem Maleranzug nahm der Rechtsextremist Sven Liebich, heute Marla-Svenja Liebich, an der Demonstration in Leipzig teil, auf der es zu der Körperverletzung an einem Fotografen kam.

Im September 2023 verurteilte das Amtsgericht Leipzig Marla Svenja Liebich – damals noch als Sven Liebich vor Gericht und bundesweit unter diesem Namen als Neonazi bekannt –, Caroline K., Uwe H. und Matthias B. wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung in Form eines Angriffs auf einen Fotografen am Rande einer Querdenken-Versammlung in Leipzig im November 2020. „Hochgefährlich“ und „hochaggressiv“ waren Worte, die von der Staatsanwaltschaft Leipzig damals mit Blick auf das Verhalten von einzelnen Angeklagten verwendet wurden. Liebich wurde vorgeworfen, den Fotografen festgehalten zu haben. Caroline K. und Uwe H. sollen auf ihn eingeschlagen haben, Matthias B. soll zwar mangels Möglichkeit nicht zugeschlagen, aber dennoch beteiligt gewesen sein. Liebich wird damals zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, auch die anderen Beteiligten werden für schuldig befunden. 

Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Leipzig

Gegen dieses Urteil hatten die vier Angeklagten Rechtsmittel eingelegt, so dass nun das Landgericht Leipzig die Berufung zu verhandeln hatte. Noch bevor die Beweisaufnahme beginnt, bittet der Verteidiger von Matthias B. um ein Rechtsgespräch. In diesem wurde durch die Verteidigung der Angeklagten die Einstellung des Verfahrens angeregt, so berichtet es im Anschluss der Vorsitzende Richter am Landgericht.

Eine Verständigung sei jedoch nicht zustande gekommen, zumindest die Beweisaufnahme des ersten Verhandlungstags solle durchgeführt werden. Das wird sie dann auch, wenn auch bei weitem nicht so, wie in der Instanz zuvor. Hatte das Amtsgericht Leipzig noch akribisch jede Handlung beleuchtet, geht das Landgericht Leipzig recht zügig durch die Beweisaufnahme. Die in der ersten Instanz rege beteiligte Staatsanwaltschaft Leipzig bleibt vor dem Landgericht Leipzig weitgehend stumm. 

Einstellung der Verfahren 

Am zweiten Verhandlungstag wird klar, dass die Verfahren eingestellt werden. Im Anschluss an ein weiteres Rechtsgespräch erteilt der Vorsitzende Richter den rechtlichen Hinweis, dass vorliegend eine Verurteilung wegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung in Betracht komme. In Übernahme der Formulierungen der Verteidigung spricht er von einem unübersichtlichen, hochdynamischen Geschehen, verweist auf eine mögliche Provokation durch den Fotografen und eine Einwirkung des Fotografen auf Liebich. Während sich das Amtsgericht Leipzig noch in großer Detailtiefe mit den einzelnen Tatbeiträgen auseinandergesetzt hatte, bleiben die Ausführungen des Vorsitzenden in der Berufungsverhandlung knapp. 

Da bei einer Verurteilung wegen eines minder schweren Falls eine geringere Strafe als in der ersten Instanz zu erwarten sei, habe die Staatsanwaltschaft Leipzig der Einstellung der Verfahren bei Einräumung der Schuld durch die Angeklagten zugestimmt, berichtet Richter Berthold Pfuhl aus dem zweiten Rechtsgespräch. Die Verfahren gegen Liebich und Matthias B. werden nach § 154 StPO vorläufig eingestellt, da die zu erwartende Strafe neben bereits gegen die beiden in anderen Verfahren verhängten Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht falle. Caroline K. und Uwe H. wird die Auflage erteilt, jeweils 1.000 Euro an einen karitativen Verein in Leipzig zu zahlen, das Verfahren gegen sie wird nach § 153a StPO vorläufig eingestellt. 

Angeklagte räumen Schuld ein

Zuvor räumen die Angeklagten durch ihre Verteidiger*innen ihre jeweilige Schuld ein. Liebich lässt sich durch seinen Rechtsanwalt Sebastian Lehr dahingehend ein, den geschädigten Fotografen festgehalten zu haben. Heute tue das Liebich leid. Caroline K. habe den Fotografen geschlagen, ist der von Rechtsanwältin Christina Reinhart vorgetragenen Einlassung zu entnehmen. Uwe H. räumt ein, in Richtung des Fotografen getreten und geschlagen zu haben und mit dem Schlag auch getroffen, so Rechtsanwalt Frank Miksch. Und der Verteidiger von Matthias B. gibt für diesen an, B. sei dazu geeilt, um mit Nachdruck mitzuhelfen, habe den Fotografen aber nicht mit Schlägen getroffen. 

Liebich macht die Justiz lächerlich 

In Saal 230 des Landgerichts Leipzig zeigt sich die sächsische Justiz am zweiten Verhandlungstag gleich doppelt beschädigt. Oben an der Decke fressen sich Wasserschäden durch den Stuck, unten macht Liebich die Justiz lächerlich. Während Rechtsanwalt Lehr vorträgt, dass Liebich die damaligen Taten leidtäten, steht vor Liebich eine Flasche Fruchtsaft mit der Aufschrift „Innocent“, zu deutsch unschuldig. Gericht und Staatsanwaltschaft genügt das dennoch als Einräumung der eigenen Schuld. Im Vorfeld des Verfahrens heißt es auf dem X-Account von Svenja Marla Liebich, dass sie im Gericht mit schwarzen Nägeln, roten Lippen und weißem Damenbart erscheinen werde. Dazu ein YouTube-Video mit dem Titel „Schwarz, Weiss, Rot“ der rechten Band „von Thronstahl“. Das Video zeigt eine abgewandelte Schwarze Sonne. 

Weder die politische Dimension des Angriffs im November 2020 spielt in der Verhandlung eine Rolle, noch, dass Liebich die Justiz offensichtlich nicht ernst nimmt. Über die Richterin am Amtsgericht Leipzig, die 2023 die Haftstrafe von sieben Monaten aussprach, heißt es auf dem Account auf X, diese habe damals einen „Einlauf von oben“ erhalten, fast unter Tränen ihr Urteil verkündet, obwohl sie wohl selbst gewusst habe, dass es Unrecht sei. Denn „Karrieren gehen vor Gerechtigkeit“. Kaum vorstellbar, dass die sächsische Justiz heute ein Signal an die vier extrem Rechten gesendet hat, das diese von weiteren Taten abhält.

 

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