Braunau am Inn

Kerzen-Aktion an Hitlers Geburtshaus: Drei Jahre Haft für Neonazis

Weil sie am Geburtsort Adolf Hitlers den „Führergeburtstag“ feiern wollten, sollen zwei Neonazis längere Zeit ins Gefängnis. Die Geschworenen sahen es als gegeben an, dass die beiden den Diktator ehren und dessen Taten gutheißen wollten. Der Richter brachte die windigen Verteidigungsstrategien schnell zum Einsturz.

Dienstag, 07. Februar 2023
Thomas Witzgall
Für ihre Hitler-Verehrung wurden Peter Meidl und ein weiterer Neonazi zu einer Haftstrafe verurteilt.
Für ihre Hitler-Verehrung wurden Peter Meidl und ein weiterer Neonazi zu einer Haftstrafe verurteilt.

„In Österreich sind die Strafen härter als in Deutschland“, mit diesen Worten wollte der jüngere der beiden Angeklagten, Marco H., geboren 1998, seinen deutlich älteren Gesinnungsgenossen Peter Meidl, noch warnen. Gemeint war damit der Umstand, dass auf „Wiederbetätigung“ (in Deutschland ähnlich dem Straftatbestand Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Anmerkung der Redaktion) eine Mindeststrafe von einem Jahr steht, in schwerwiegenden Fällen können bis zu 20 Jahre verhängt werden, während in Deutschland der Strafrahmen mit Geldstrafe beginnt.  

Die beiden einschlägig vorbestraften Neonazis hatten sich am 20. April 2022, dem Geburtstag Adolf Hitlers, in dessen Geburtsstadt Braunau am Inn verabredet und in einem Supermarkt zwei Grabkerzen und Feuerzeuge gekauft. Beide hatten dafür eine längere Anreise in Kauf genommen, der 69-jährige Meidl aus dem Raum Rosenheim und Marco H. aus Vorarlberg.

Versuchte Relativierung

Was dann genau geplant war, darüber gingen die Schilderungen der beiden Rechtsextremen am Landesgericht Ried auseinander. Marco Hs. Verteidigungsstrategie bestand darin, er habe nur als willfähriger Gehilfe der treibenden Kraft Meidls gehandelt. Der wiederum spielte den Ball zurück, er hätte die Kerzen ja lieber hinter dem Geburtshaus Hitlers abgestellt, wo sie niemand sehen würde. Es sei H.s Idee gewesen, sie vorne an der Straßenseite zu platzieren, wo die beiden dann zwei Zivilbeamten aufgefallen waren. Im Raum stand auch, dass Meidl seinen jüngeren Gesinnungsgenossen dabei filmen bzw. fotografieren sollte, was der allerdings bestritt. Zu einer Konfrontation der Aussagen mit denen der Polizeibeamten kam es allerdings nicht.

Vor dem Landesgericht Ried mussten sich die beiden Neonazis verantworten.
Vor dem Landesgericht Ried mussten sich die beiden Neonazis verantworten.

Beide bemühten sich zudem darum, das Gericht und die Geschworenen zu überzeugen, dass nie geplant gewesen sei, die Kerzen auch anzuzünden. Sie konnten dabei nicht erklären, warum sie sich extra Feuerzeuge besorgt hatten. Der stetig nachfragende Vorsitzende Richter brach die Verteidigungsstrategie dann vollends, als er fragte, ob es denn für die Glorifizierung der Person Hitlers einen Unterschied mache, ob die Kerzen hinter oder vor dem Haus abgestellt seien und ob die Frage des Entzündens noch von Belang sei. Meidl versuchte hier noch, mit dem bekannten Klischee zu spielen, sie hätten am Haus weder Parolen geschwungen noch Spingerstiefel getragen oder schwarz-weiß-rote Fahnen geschwenkt, worauf die Staatsanwältin trocken entgegnete, für den Straftatbestand sei es nicht nötig, „sich als Skinhead zu verkleiden“.   

Einschlägige Vorstrafen

Die Entscheidung, ob schuldig oder nicht oblag in dem Prozess allerdings den acht Geschworenen. Die stimmten nach einer Beratungszeit hier einstimmig bei beiden für schuldig. Da das Gericht kaum mildernde Umstände erkennen konnte, gab es auf die Mindeststrafe von einem Jahr noch jeweils weitere 24 Monate zusätzlich. Beide waren einschlägig vorbestraft und hatten schon Haftstrafen hinter sich. Marco H. hatte um das Jahr 2015 eine Reihe von Schildern und Gebäuden, darunter auch jüdische und muslimische Einrichtungen, mit Hakenkreuzen, Szenecodes sowie NS-Parolen beschmiert, darunter auch „Wir brauchen keine Judenschweine“, „Juda verrecke“, „Asylflut stoppen“ und „Deutschland erwache“. Auf seiner Facebook-Seite hatte er den 70. Todestag Hitlers bedauert, dessen Werk aber in die Ewigkeit bestehen bleiben würde. Hinzu kamen zwei Waffendelikte. Die Strafe hierfür war zwar abgegolten, fand aber Eingang in die Bewertung.

Meidl hatte 2012 mit einer rassistischen Beleidigung begonnen und es seitdem auf fünf Verurteilungen gebracht, meist wegen Volksverhetzung und der Verwendung von verbotenen Kennzeichen. Das führte bei ihm relativ zügig zu einer Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, die aber dann widerrufen wurde. 30 Monate verbrachte der Neonazi in der JVA Bernau, einen Antrag auf vorzeitige Entlassung wollte er nicht stellen. Hier beeindruckte das Gericht auch die schnelle Rückfallgeschwindigkeit. Die Aktion in Braunau fand kein Jahr nach Meidls Entlassung aus der Haft statt.

Adolf Hitler als „historische Persönlichkeit“

Mitunter kam es in der Verhandlung auch zu skurrilen Situationen. So versuchte der Rosenheimer gegenüber dem Gericht, eine Spur von Reue und Einsicht zu zeigen. Er würde nicht mehr auf den Obersalzberg fahren, das sei ein Fehler gewesen. Meidl hatte sich hier vor Porträts Hitlers ablichten lassen und die Fotos dann mit glorifizierenden Kommentaren gepostet, etwa, dass es heute wieder „einen wie ihn“ in Deutschland bräuchte.

Das Geburtshaus Hitlers in Braunau am Inn
Das Geburtshaus Hitlers in Braunau am Inn

Warum er sich dann mit Marco H. an Hitlers 133. Geburtstag in Braunau verabredet hatte, konnte er nicht erklären. Die Einlassungen gingen beim Gericht zumindest als Beitrag zur Wahrheitsfindung durch. Bei H. wollten die Richter erst recht keinen Gesinnungswandel erkennen. Er bezeichnete sich selbst als „deutsch-national“ und „heimatliebend“, aber weniger radikal als zur Zeit seiner früheren Vorstrafen. Als ihn der Richter fragte, wie er zu Adolf Hitler stehe, war das für ihn eine „historische Persönlichkeit“, die er „neutral“ bewertete.

Umtriebiger Aktivist

Keine Angaben machen wollte er zur Judenvernichtung und ob Hitler für diese verantwortlich sei. Er hatte in der Vergangenheit in Deutschland auch an Versammlungen des neonazistischen Dritten Weg teilgenommen, etwa an der jährlichen Mahnwache für Reinhold Elstner, einem Holocaustleugner, der sich auf den Stufen der Münchner Feldherrnhalle selbst angezündet hatte. Zusammen mit seiner ebenfalls politisch aktiven Mutter lief er in Wunsiedel beim „Heldengedenken“ mit. Sie verfolgte als einzige Begleitung der Angeklagten die Verhandlung im Saal. Nach der Urteilsverkündung warf sie dem Gericht lauthals politische Beeinflussung vor. Sie war sich sicher, vor 30 Jahren hätten man die beiden Angeklagten ohne Strafe nach Hause geschickt.

Meidl ist seit 2015 eine Konstante bei extrem rechten und verschwörungsideologischen Demonstrationen in  Bayern, angefangen von Pegida über die NPD bis hin zu Corona-Demos, gelegentlich auch als Redner. Eine Zeit lang filmte er für den Reichsbürger-Kanal ThomMaxx-TV. Obwohl beide oft bei Kundgebungen zugegen waren, haben sie kaum Relevanz für die extrem rechte Szene. Ihr Haftstrafe verursacht hier keine Lücke, wie es bei anderen Aktivisten der Fall wäre.

Begründet wurde das Strafmaß auch mit präventiven Gründen. Einerseits sollte die Strafe eine abschreckende Wirkung auf die beiden Angeklagten haben, zum anderen sollen Gleichgesinnte von ähnlichen Taten abgeschreckt werden. Laut Urteil ist vorgesehen, die drei Jahre komplett zu vollstrecken, wobei für H. nach einer gewissen Haftzeit auch eine Fußfessel in Betracht käme, bei Meidl käme dann ebenfalls eine Bewährung in Betracht. Beide nahmen nach Beratung mit ihren Anwälten das Urteil nicht sofort an und wollen die vorgesehene Bedenkzeit nutzen. Auch die Staatsanwältin behielt sich Rechtsmittel vor.

Kategorien
Tags