Extreme Rechte
Israel-Palästina-Konflikt: Gewalteskalation als Steilvorlage für rechte Propaganda
Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten wird vom rechten bis rechtsextremen Spektrum in vielfältiger Weise propagandistisch ausgeschlachtet. Während die eine Seite der Medaille die Eskalation nutzt, um ihren Hass auf Muslime und Araber noch hemmungsloser als bisher auszuleben, lebt die andere Seite ihren Hass auf Juden und Israel aus und relativiert oder glorifiziert den Terror der Hamas.
Nicht nur die AfD ringt damit, wie man das terroristische Massaker an Zivilisten durch die Hamas und die israelischen Gegenschläge propagandistisch nutzen kann. Exemplarisch zeigt sich diese Spaltung auch bei zwei Portalen respektive Medienformaten, die der AfD nahe stehen. Das rassistische und extrem islamfeindliche Blog „PI-News“, das seit seiner Gründung solidarisch zu Israel sein will, titelte etwa am 17. Oktober: „Importierte Judenhasser kriechen wieder aus ihren Löchern[.]“ Indirekt lagert das Portal so auch den heimischen Antisemitismus aus und schreibt den Hass auf Juden konsequent Zuwanderern oder Muslimen zu.
Zwar verbreitet auch das rechtsextreme Magazin „Compact“ antimuslimischen Rassismus und Hetze gegen Geflüchtete. So titelte das Online-Portal am 18. Oktober neben dem Bild eines furchterregenden, bewaffneten Palästinensers: „Mörderische Asylpolitik“. Am 17. Oktober verwies man neben einem Bild von aggressiv schauenden Männern mit schwarzer Hautfarbe auf einen Artikel, überschrieben mit der Zeile: „Jung, männlich, aggressiv und geil“. Gewarnt wurde im Text vor den „Sturmtruppen des Dschihad“.
„Kriegshexe: Baerbock in Israel“
Gleichzeitig hetzte das in den letzten Jahren immer wieder auch gegen Israel agitierende Portal gegen den jüdischen Staat und entwarf Verschwörungsmythen. „Ex-Premier vergleicht Gaza [nach israelischen Gegenschlägen] mit Dresden 1945“, „Kriegshexe: Baerbock in Israel“ und „Hamas-Gründung: vom Mossad unterstützt!" lauteten etwa die Schlagzeilen. Die inhaltliche Ambivalenz der beiden AfD-nahen Portale steht dabei exemplarisch auch für den Umgang der AfD mit den Massakern und Raketenangriffen der Hamas und dem militärischen Gegenschlag Israels.
Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland stellte sich im Bundestag an die Seite Israels. Ihn zitiert das ZDF in einem Bericht mit den Worten: „Der Angriff galt nicht nur dem jüdischen Staat, er galt auch uns. Israel, das ist der Westen in einer Umgebung, die den Westen ablehnt und bekämpft. Wenn wir uns an die Seite Israels stellen, verteidigen wir auch unsere Art zu leben.“ Der stellvertretende AfD-Landes- und Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, verbreitete demgegenüber in einem Interview im extrem rechten Magazin „Freilich“ antiamerikanische Verschwörungserzählungen.
USA und ihre klandestinen Hamas-Kontakte?
Der „Islamwissenschaftler“ wird dabei zitiert mit den Worten: „Unter allen arabisch-islamischen Gruppierungen, die gegen Israel kämpfen, hat die Hamas […] die mit Abstand besten Verbindungen zu den USA. […] Zugleich haben die USA, vorsichtig formuliert, nicht das geringste Interesse daran, dass der Nahe Osten auf chinesische und russische Initiative hin befriedet wird. Beweisbar ist so etwas natürlich nicht, aber wenn ich über die Hintergründe der aktuellen Auseinandersetzung spekuliere, […] so würde ich doch die Vermutung wagen, dass die USA über ihre klandestinen Hamas-Kontakte zumindest einen Impuls für den Angriff gegeben haben könnten.“ Tillschneider spricht auch über ein Video, in dem offenbar ein Araber „den ukrainischen Behörden“ für „große Mengen von Infanteriewaffen“ danke. „Die Authentizität lässt sich natürlich kaum beweisen, es ist aber ein weiteres Indiz.“
Ähnlich propagandistisch flexibel wie „Compact“ und Teile der AfD agieren derzeit mutmaßlich russische Desinformationsnetzwerke in den sozialen Medien und Chats der rechten und verschwörungsideologischen Szene. Um die Gesellschaften und Demokratien in Europa weiter zu verunsichern, nutzen sie die Eskalation im Nahen Osten, um gegen Muslime, Araber und Flüchtlinge zu hetzen. Gleichzeitig setzen sie ihre Kampagnen gegen Israel, gegen Juden sowie gegen die Ukraine und ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fort.
Kampf gegen die „Zionazis“
Putins Narrativ, dass Russland in der Ukraine gegen „Nazis“ kämpfe und Selenskyj jüdischer Abstammung ist, wird gelegentlich miteinander verwoben. Geschichtsrevisionistisch wird vor allem von Antisemiten, QAnon-Gläubigen und Reichsbürgern behauptet, Russland und andere Teile der Welt würden nun die „Zionazis“ bekämpfen und besiegen. „Zionazis“ ist hier eine neue hetzerische Verleumdung der Juden, ein Wort für die angebliche jüdische Weltverschwörung.
In diesem (Un-)Sinne wird das Massaker der Hamas an den Juden am ersten Oktoberwochenende bei Antisemiten begrüßt. In der aktuell aufgeheizten Stimmung scheint auch der Antisemit Attila Hildmann wieder aggressiver und im hohen Stakkato seine Hetze verbreiten zu wollen. Antisemiten in Deutschland verbreiten derlei Fake News derzeit weiter, in dem Post auf einem Hildmann zugeschriebenen Telegram-Kanal wird über die entführte Shani Louk verbreitet, sie sei keine Deutsche, sondern eine „Jüdin“.
Inszenierung zum Massenmord an Palästinensern?
Die junge Frau sei zudem eine Soldatin des israelischen Militärs und Agentin des Mossad gewesen. Niemand habe überdies auf dem unterdessen hinlänglich bekannten Musikfestival auf die Menschen geschossen, verbreitete der Telegram-Kanal. Die von der Hamas misshandelte, entführte und in Videos zur Schau gestellte schwer verletzte Shani Louk sei, so die Verschwörungserzählung, in Wahrheit von der Hamas gut behandelt worden. Alle Bilder von der Frau auf der Ladefläche des Pickups seien „eine geplante Inszenierung mit der Jüdin […] um den geplanten Massenmord an Palästinensern zu rechtfertigen!“
Für die offen neonazistische Szene dient Israel seit jeher als Projektionsfläche für ihren Judenhass. Die rechtsextremistische „Israelkritik“ sorgt seit Jahrzehnten für offen antisemitische oder zumindest antisemitisch codierte Ausfälle. Der neue heimliche Star unter den Propagandisten der Szene, die über die aktuelle Gewalteskalation „informieren“ und den israelischen Staat in ein negatives Licht rücken, ist dabei Michael Brück. Der ehemalige Dortmunder Kader von „Die Rechte“ lebt mittlerweile in Chemnitz und ist bei den rechtsextremen „Freien Sachsen“ aktiv.
Mal wieder soll der Judenstaat das „Unglück“ sein
Unmittelbar nach Beginn des Terrorangriffs der Hamas auf Israel veröffentlichte Brück auf seinem eigenen Telegram-Kanal ausführliche und aktuelle Texte zum Thema. So wie die Szene der Corona-Maßnahmen- und Impfgegner zuvor auch schon rechtsextremistische Inhalte der „Freien Sachsen“ geteilt und verbreitet hat, werden dort nun auch Brücks Texte und Posts eifrig geteilt. Da der Neonazi über Hintergrundwissen verfügt und seine längeren Texte Expertise vermitteln wollen, wird er offenbar in jener Szene als Experte wahrgenommen. Seine Posts werden unhinterfragt geteilt und weiterempfohlen.
Brücks alte Dortmunder „Kameraden“, die sich von „Die Rechte“ abgewandt und der NPD respektive jetzt „Die Heimat“ zugewandt haben, wollten vor einigen Tagen für Schlagzeilen sorgen. In ihrem „Nazi-Kiez“ in Dorstfeld hängten sie provokativ eine palästinensische Fahne an eines der von ihnen bewohnten Häuser. Daneben hing ein Transparent mit der Parole „Israel ist unser Unglück“ – in Anlehnung an die antisemitische und von den Nationalsozialisten verwendete Parole „Die Juden sind unser Unglück“.
Blut tropft vom neuen „Judenstern“
Die Polizei ging gegen den inszenierten Eklat vor, hängte alles ab und beschlagnahmte Fahne und Banner. Wie nicht anders zu erwarten, beklagten sich die Neonazis in einem Post auf ihrem Telegram-Kanal darüber, dass „Israelfahnen vor den Rathäusern [wehen], aber bei einer Palästina-Fahne kommt die Polizei“. Der frühere NPD- und nun „Die Heimat“-Jugendverband „Junge Nationalisten“ wetterte derweil gegen „ausgewählte Völker“ und rechtfertigte die Hamas-Taten mit „einem [vorangegangenen] israelische[n] Massenmord.“ Die Neonazis illustrierten den Post mit dem Bild eines blutbefleckten Davidsterns und der Parole: „Israel mordet und die Welt schaut zu.“
Die Kleinpartei „Der Dritte Weg“ agitiert im Zusammenhang mit der aktuellen Eskalation gegen den „Terrorstaat Israel“. Auch die neonazistische Kadertruppe arbeitet mit einer Grafik, in der Blut aus den beiden Wörtern fließt. Auf ihrer Homepage keilt sie gegen „Zions willfährige Knechte“. Deutsche Politiker werden als „Israels Schoßhünden in den BRD-Parlamenten“ bezeichnet. Sie dienten „jahwistischen Herren“ und forcierten zugleich das Treiben „islamistische[r] Scharfmacher, […] deren volksfremde Jünger eine galoppierende Landnahme betreiben […]. Keine Solidarität für Israel und keinen Quadratmeter unseres Heimatbodens für mohammedanische Landnehmer!“