Hyperaktive rechtsextreme Musikszene

Die braune Musikszene war auch 2019 präsent. Insbesondere kleinere, mit weniger Aufwand zu organisierende und betreibende Liederabende haben weiterhin Konjunktur.

Montag, 06. April 2020
Horst Freires

Mittlerweile liegen die Antworten von vier Quartalsanfragen zu Aktivitäten der rechten Musikszene durch die Linksfraktion an die Bundesregierung vor. Demnach hat es im vergangenen Jahr hierzulande 60 behördlich erfasste Rechtsrock-Konzerte und 157 Liederabende gegeben. Hinzu kommen noch einmal 155 sonstige Musikdarbietungen, die eingebettet waren in Veranstaltungsformate wie Versammlungen und Kundgebungen. Nicht selten stellten sie nichts anderes dar als Rechtsrock-Events, zum Teil mit Festivalcharakter, formal verknüpft mit Partei-Meetings oder garniert mit Auftritten rechtsextremer Redner. Kontinuierlich traten dabei auch die NPD, „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ als Ausrichter beziehungsweise Anmelder in Erscheinung.

Mehrere Veranstaltungen wurden im Vorweg verboten oder spontan von der Polizei verhindert oder aufgelöst, sonst wäre die Konzertliste noch umfangreicher ausgefallen. Da erfahrungsgemäß mit der Zusammenfassung des ersten Quartals 2020 noch verspätete Meldungen aus 2019 anstehen, dürfte die registrierte Zahl von Musikevents sogar noch ansteigen. Hinzu kommt die Gewissheit, dass eine große Dunkelziffer heimlicher Konzertereignisse existiert.

Bands aus der „Blood&Honour“-Bewegung

Auch diverse Auslandsauftritte kamen zusammen. Umgekehrt traten auch reichlich ausländische Bands auf deutschen Bühnen auf. Beispielsweise waren je dreimal aktiv: Das schwedische Liedermacherduo „Snöfrid“, „LTW“ aus Polen und „Brutal Attack“ aus Großbritannien, alles Vertreter, die der internationalen, hierzulande verbotenen „Blood&Honour“-Bewegung zuzurechnen sind. Hinzu kommen zwei weitere Auftritte mit dem „Brutal Attack“-Sänger Ken McLellan.

Am häufigsten auf braunen Konzerten anzutreffen ist der Liedermacher „FreilichFrei“ (Maik Krüger) aus Zwickau mit 29 Auftritten, zwei davon in Tschechien und einer in Österreich. Nicht minder umtriebig zeigte sich Michael Regener, besser bekannt als „Lunikoff“. Neben 17 Soloauftritten kommen bei dem früheren Sänger von „Landser“ noch einmal drei mit seiner Band „Die Lunikoff-Verschwörung“ hinzu. 16 Mal war Philipp „Phil“ Neumann entweder solo oder mit seiner Band „Flak“ aktiv, einmal dabei auch in Frankreich. Gleich 14 Mal gelistet wurden „Kategorie C“ als Band oder Akustik-Act, darunter jeweils ein Gig in der Ukraine und in Ungarn.

Tommy Frenck bleibt frequentierter Hotspot

Zu den Liedermachern im Dauereinsatz gehören ferner „Zeitnah“ (elfmal gelistet) und Frank Rennicke (zehnmal). Die Rechtsrock-Band mit den meisten Engagements im Ausland war „Blutzeugen“ aus dem Raum Dresden. Eine Randerscheinung im rechten Musikgeschehen stellt hingegen die Hip-Hop-Szene dar. Dort dreimal unterwegs war „Prototyp“, bürgerlich Kai Alexander Naggert, der neuerdings mit dem Buchstaben-Zusatz NDS für „Neuer Deutscher Standard“ auftritt.

Als bevorzugte Veranstaltungsstätten haben sich einmal mehr bekannte Örtlichkeiten in Sachsen und Thüringen herauskristallisiert. Neben dem Dauerspielort in Torgau-Staupitz hat sich in Sachsen nun auch eine immer wieder angesteuerte Location in Bad Gottleuba etabliert. In Thüringen ist der Neonazi-Gastwirt Tommy Frenck in Kloster Veßra und im benachbarten Themar ein frequentierter Hotspot geblieben. Die durchschnittliche Besucherzahl bei Rechtsrock-Konzerten lag bei 155 Personen. Liederabende wurden im Schnitt von 51 Interessierten verfolgt.

Zahlreiche Tonträger auf dem Index

Aus den Parlamentsanfragen ragt zudem die Information heraus, dass es am 7. Juni des Vorjahres in Berlin zu einer größeren Beschlagnahmeaktion von Tonträgern durch die Polizei gekommen ist. Demnach wurden 130 CDs sichergestellt. Weitere Einzelheiten sind nicht genannt. Gefragt wurde auch nach den im Kalenderjahr 2019 erfolgten Indizierungen von Tonträgern durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Insgesamt 80 Mal war diese Maßnahme ergriffen worden. In 40 Fällen erfolgte eine Einstufung des strafrechtlich relevanten Verbreitungsverbots. Es handelte sich um Titel von 1983 bis 2019. Indiziert wurden drei Veröffentlichungen des Vorjahres und 13 aus dem Jahr 2018.

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