„Vereinte Patrioten“
Hohe Haftstrafen für Reichsbürger-Umsturzpläne
Sie wollten Karl Lauterbach entführen und Deutschland mit Sprengstoffanschlägen ins Kaiserreich zurückbomben: Fast zwei Jahre lang ist in Koblenz gegen die führenden Köpfe der Reichsbürger-Truppe „Vereinte Patrioten“ verhandelt worden. Jetzt sind die rechten Möchtegern-Revoluzzer*innen zu Gefängnisstrafen von bis zu acht Jahren verurteilt worden.

Als Elisabeth R. zu ihren letzten Worten vor dem Urteil anhob, war es noch einmal wie so oft in den vergangenen fast zwei Jahren. Belehrend, von oben herab, unverbesserlich. Ihr Vorhaben, die Bundesrepublik abzuschaffen und das deutsche Reich wiederzubeleben, sei „legitim und rechtsgültig“, dozierte die 77-Jährige. Den Prozess geißelte sie als „Boykott“ ihrer Pläne, die „Preußin“ – so nennt sie sich selbst – werde von der Justiz missbraucht. Nur die antisemitischen Tiraden, die sie sonst gerne bis an den Rand der Holocaustleugnung zu treiben pflegt, verkniff sich die promovierte Theologin und fleißige Autorin verschwörungsideologischer Kampfschriften ausnahmsweise.
Seit Mai 2023 wurde vor dem Oberlandesgericht im rheinland-pfälzischen Koblenz gegen Elisabeth R. und vier ihrer Mitstreiter der Reichsbürger-Truppe „Vereinte Patrioten“ verhandelt. Der Vorwurf: Terrorismus und Hochverrat. Am Donnerstag wurde das Quintett nach 106 Verhandlungstagen zu Haftstrafen von bis zu acht Jahren verurteilt. „Wir gehen davon aus, dass sich die Angeklagten zusammentaten, um das System der Bundesrepublik zu stürzen“, sagte die Senatsvorsitzende Anne Kerber.
Rückkehr zum Kaiserreich
Die „Vereinten Patrioten“ wollten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen, mit Waffengewalt aus einem Fernsehstudio. Sie wollten mit Sprengstoffanschlägen für einen mehrwöchigen Stromausfall im ganzen Land sorgen. „Bei alledem wurden auch Tote in Kauf genommen“, sagte die Richterin. Und sie suchten 277 Männer deutscher Abstammung für eine konstituierende Versammlung, die die Verfassung des deutschen Kaiserreichs von 1871 wieder in Kraft setzen sollte.
Als neues Staatsoberhaupt war der greise Neonazi und notorische Holocaustleugner Rigolf Hennig aus Verden vorgesehen. Er starb allerdings noch während der Planungen. Um sich Rückendeckung für ihre Rückkehr zum Reich zu holen, sollte zudem eine Delegation über die Ostsee schippern und bei Russlands Präsident Wladimir Putin vorsprechen. Und ja, die Angeklagten hätten das alles ernst gemeint, betonte Kerber.
Investmentberater nach Dubai abgesetzt
Elisabeth R., die die Urteilsbegründung mehrfach mit wütenden Zwischenrufen unterbrach, wurde als Chefideologin und treibende Kraft zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die ehemalige Religionslehrerin aus Mainz, die zuletzt im sächsischen Flöha lebte, hatte vor Gericht immer wieder ihre Gewaltfreiheit beteuert – obwohl sie den „kriegsrechtlichen Haftbefehl“ für Lauterbach entwarf und gerne das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr für ihre Ziele eingesetzt hätte. „Das hat mit einer pazifistischen Einstellung nichts zu tun“, sagte die Senatsvorsitzende.
Die höchste Strafe kassierte mit acht Jahren jedoch der Verkäufer und Kleinstadt-Comedian Michael H. aus Bad Zwischenahn in Niedersachsen, der in der Corona-Pandemie die Verschwörungstalkshow „Nix ist wie es scheint“ bei Telegram betrieb. Der 46-Jährige ist als einziger Angeklagter bereits vorbestraft – er hat unter anderem wegen Diebstahls, Betrugs, Exhibitionismus und sexueller Nötigung hinter Gittern gesessen. In einem verzweifelten Last-minute-Manöver hatte er das Ende des Prozesses um mehrere Wochen verzögert, indem er geltend machte, an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu leiden. Vergeblich: Ein psychiatrischer Gutachter befand ihn für voll schuldfähig. Das Gericht sah in ihm nun sogar denjenigen, „bei dem die Fäden zusammenliefen“, wie Kerber sagte. Außerdem habe er den Kontakt zu dem Investmentberater David W. aus Hannover hergestellt, der die Vereinigung mit hohen Summen unterstützt haben soll und nur deshalb nicht mit auf der Anklagebank saß, weil er sich rechtzeitig nach Dubai abgesetzt hat.
„Ich würde wieder so handeln“
Sven B., Bilanzbuchhalter, rechter Wutbürger und Ex-NVA-Offizier aus Falkensee bei Berlin, hatte schon früh ein umfassendes Geständnis abgelegt und im Prozess immer wieder bereitwillig Auskunft gegeben – nicht aus Reue, sondern aus Stolz. „Ich würde wieder so handeln“, erklärte er trotzig und berief sich auf das grundgesetzlich garantierte Widerstandsrecht. Sogar mit den Geschwistern Scholl und dem Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg verglich sich der 57-Jährige. „Diesen Vergleich zu kommentieren, erspare ich mir“, sagte Richterin Kerber kühl. „Sie waren selbst bemüht, die grundgesetzliche Ordnung zu beseitigen.“ Ihn schickte das Gericht für fünf Jahre und neun Monate hinter Gitter.
Der Frührentner Thomas O. aus Neustadt an der Weinstraße, ebenfalls ein Mann mit NVA-Vergangenheit, hatte dagegen lange geschwiegen. Als der 58-Jährige dann doch redete, bekannte er sich dazu, wie besessen gewesen zu sein von seinem Hass auf den Staat, räumte ein, sich insbesondere um die geplanten Anschläge auf die Stromversorgung und um die Beschaffung von Schusswaffen bemüht zu haben, und sprach von einem „großen Fehler“. Wohl nicht zuletzt, weil in einem der zahlreichen Parallelverfahren, die bundesweit gegen weitere mutmaßliche Mitglieder der „Vereinten Patrioten“ angestrengt wurden, auch seine Tochter vor Gericht steht. Er muss für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis und nahm als einziger Angeklagter das Urteil noch im Gerichtssaal an.
Revision angekündigt
Am glimpflichsten kam mit zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis, die er mit der Untersuchungshaft bereits weitgehend abgesessen hat, der Bahnarbeiter Thomas K. aus Landshut davon. Dem 53-Jährigen bescheinigte das Gericht zwar eine „deutliche Tendenz zum Rechtsextremismus“ und den Besitz etlicher Waffen. Bei den „Vereinten Patrioten“ hatte er aber eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Der bereits außer Vollzug gesetzte Haftbefehl gegen ihn wurde aufgehoben, er verließ das Gericht als freier Mann.
Mit den verhängten Strafen blieb der Senat leicht unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft. Die Verteidiger hatten um Milde gebeten oder sogar Freisprüche gefordert. Sie verwiesen vor allem darauf, wie hanebüchen, unausgegoren und damit ungefährlich die Pläne gewesen seien – zumal die Polizei auch noch einen verdeckten Ermittler in die Gruppe eingeschleust hatte. Ohne ihn, argumentierten sie, wären die Angeklagten nicht einmal in die Nähe von Waffen gekommen. Das Gericht wollte das nicht gelten lassen: Trotz der Absurdität der Pläne, sagte Anne Kerber, habe es sich „nicht um eine bloße Kasperletruppe“ gehandelt.
Das Urteil dürfte noch den Bundesgerichtshof beschäftigen: Die Verteidiger von Elisabeth R. und Michael H. teilten bereits mit, dass sie Revision beantragen werden.