Deutlicher Anstieg
EU-Studie: Schwarze in Deutschland häufig von Rassismus betroffen
In einer Studie zu Rassismus gegen Menschen afrikanischer Herkunft in dreizehn Staaten der Europäischen Union hat Deutschland schlecht abgeschnitten. Gleichwohl sind demnach Schwarze in der EU generell immer größerem Rassismus ausgesetzt.

Zurück geht die Erkenntnis auf eine neue Erhebung der „European Union Agency for Fundamental Rights“ (FRA), der EU-Agentur für Grundrechte in Wien. Die englischsprachige Studie „Being Black in the EU“ wurde nun veröffentlicht. In einer Pressemitteilung dazu fordert die FRA die EU-Länder auf, dringend Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und rassistisch motivierten Übergriffen zu ergreifen.
Demnach seien fast die Hälfte der Menschen afrikanischer Herkunft in ihrem Alltag mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert. Festgestellt wird dabei ein Anstieg seit einer ähnlichen Untersuchung 2016. Auch rassistische Belästigung und „diskriminierendes Profiling“ seien weit verbreitet, wobei junge Menschen besonders häufig betroffen seien. Menschen afrikanischer Herkunft seien trotz der seit dem Jahr 2000 in der EU verbindlichen Antidiskriminierungsvorschriften weiterhin Rassismus, Diskriminierung und Hasskriminalität ausgesetzt.
Menschen afrikanischer Herkunft werden diskriminiert
FRA-Direktor Michael O’Flaherty wird zitiert mit den Worten, es sei „schockierend, dass seit unserer letzten Umfrage im Jahr 2016 keine Verbesserungen zu sehen sind. Im Gegenteil: Menschen afrikanischer Herkunft werden allein aufgrund ihrer Hautfarbe immer stärker diskriminiert.“ Die EU und ihre Mitgliedstaaten, ergänzte O’Flaherty, „sollten diese Erkenntnisse nutzen, um ihre Anstrengungen gezielter auszurichten und sicherzustellen, dass auch Menschen afrikanischer Herkunft ihre Rechte wahrnehmen können, ohne Rassismus und Diskriminierung.“
Befragt wurden für die Studie 6.752 Menschen mit afrikanischer Herkunft – persönlich oder online. Sie leben in dreizehn EU-Ländern: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Schweden und Spanien. Demnach hätten 45 Prozent der Befragten angegeben, in den letzten fünf Jahren Opfer von Rassismus geworden zu sein. 2016 hatten noch 39 Prozent der Befragten das angegeben.
Unrühmliche Spitzenposition für Deutschland
In Deutschland und Österreich liegt dieser Anteil aktuell bei über 70 Prozent. Die beiden Staaten bilden damit eine unrühmliche Spitzenposition. Betroffen waren laut Befragung vor allem junge Menschen und Personen mit Hochschulabschluss. Diskriminierung erlebten sie demnach häufig bei der Arbeits- oder Wohnungssuche. Besonders junge Frauen, Menschen mit Hochschulbildung und solche mit erkennbarer religiöser Kleidung seien demgegenüber häufiger rassistisch motivierten Belästigungen ausgesetzt, stellt die Erhebung fest.
Die Macher weisen aber darauf hin, dass rassistische Diskriminierung nur von neun Prozent der Betroffenen auch bei entsprechenden Stellen gemeldet würden, daher sei es ein „unsichtbares“ Problem. Dies treffe etwa bei rassistisch motivierten Übergriffen zu. Rund ein Drittel der Befragten gab demnach zwar an, selbst rassistisch motivierte Übergriffe erlebt zu haben. Allerdings erstatteten demnach nur wenige davon Strafanzeigen.
„Diskriminierendes ethnisches Profiling“
Fast 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in dem Jahr vor der Befragung „diskriminierendes ethnisches Profiling“ erlebt hätten. Gemeint sind damit etwa Polizeikontrollen, die aufgrund der Hautfarbe erfolgen. Gut ein Drittel der Befragten fühlten sich in den fünf Jahren bei der Suche nach einem Arbeitsplatz rassistisch diskriminiert oder wurden dann bei der Arbeit selbst diskriminiert. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung hätten Menschen afrikanischer Herkunft häufiger nur befristete Verträge und seien für ihre Tätigkeit überqualifiziert.
Fast ein Drittel der Befragten fühlte sich EU-weit bei der Wohnungssuche diskriminiert. Im Bereich Bildung würden demnach Jugendliche afrikanischer Herkunft dreimal häufiger vorzeitig die Schule verlassen als die gleiche Altersgruppe aus der Gesamtgesellschaft. Im Vergleich zur zweiten Erhebung im Jahr 2016 gaben nun (2022) mehr Eltern an, dass ihre Kinder in der Schule von Rassismus betroffen seien.
Deutschland im negativen Spitzenfeld
Bei rassistisch motivierten Übergriffen liegt Deutschland laut der Umfrage im negativen Spitzenfeld. Dort erlebten 54 Prozent der Befragten in den letzten fünf Jahren Belästigungen – der höchste Anteil unter den dreizehn Staaten. Außerdem berichteten in Deutschland neun Prozent von persönlichen Gewalterfahrungen. Dieser Wert wurde nur von Finnland mit elf Prozent übertroffen. Opfer von Rassismus wurden in Deutschland 76 Prozent der Befragten in den letzten fünf Jahren.
Deutschland liegt auch mit 57 Prozent der Befragten beim Thema „diskriminierendes ethnisches Profiling“ an der Spitze – wobei in einzelnen anderen Staaten diese Daten bei der Befragung nicht erhoben wurden. In deutschen Schulen sind demnach fast 40 Prozent der Schwarzen Schülerinnen und Schüler mit rassistischen Beleidigungen oder Drohungen konfrontiert, ähnlich wie in Irland, Finnland und Österreich.
Lücken oder Missverständnisse
Gleichwohl dürfte die Studie Lücken aufweisen. In Ungarn wurden etwa keine Menschen befragt. Großbritannien hingegen war Teil der Erhebung. Auffallend ist auch die sehr geringe Zahl der Betroffenen bei den Befragungen zu rassistischen Vorfällen oder Übergriffen in Polen. Dort gaben etwa nur rund 20 Prozent der Befragten an, generell Rassismus erlebt zu haben. Da in vielen Fällen auch Zahlen aus den letzten fünf Jahren, aus dem letzten Jahr oder Mittelwerte angegeben werden, wirkt manche Angabe in der Studie deutlich überfrachtet und nährt Missverständnisse.