Rezension
Die Neue Rechte gegen „ideologische Staatsapparate“ – die instrumentalisierende Aneignung eines französischen Marxisten
Louis Althusser, ein französischer Marxist, ist auch für die Neue Rechte ein strategischer Referenzfaktor. Seine Auffassung von „ideologischen Staatsapparaten“ wird instrumentalisierend in das strategische Vorgehen integriert.
Auch wenn es eine intellektuelle Neue Rechte gibt, so darf man deren geistige Originalität nicht überschätzen. Manche Argumentationsmuster sind inhaltliche Kopien der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik, dann lediglich an die gegenwärtige politische Entwicklung und den heutigen Sprachgebrauch angepasst. Bei strategischen Fragen bezieht man sich gern auf linke Klassiker, etwa auf Antonio Gramsci bei der „Kulturrevolution von rechts“.
Insbesondere Benedikt Kaiser, der auch für einen AfD-Bundestagsabgeordneten arbeitet und nicht nur für die „Sezession“ schreibt, betreibt gern ein derartiges „Lernen von links“. Unter Berufung auf Rosa Luxemburg regte er bereits 2017 eine „Revolutionäre Realpolitik von rechts“ an oder empfahl 2019 eine „linke Lektüre“ in der „Sezession“. Auch Louis Althusser ist für Kaiser ein strategischer Referenzfaktor, hatte doch der französische Marxist von „ideologischen Staatsapparaten“ gesprochen. Doch was ist mit diesem Begriff gemeint und warum ist er für die Neue Rechte wichtig?
Althusser als Bezugs- und Referenzfaktor
Eine Antwort auf diese Frage setzt voraus, dass man zunächst einmal in Althussers gemeinten Essay blickt. Indessen bedarf es zunächst einiger kurzer Hintergrundinformationen, bevor es um die dortigen Inhalte geht: Louis Althusser (1918-1990) war ein bekannter und einflussreicher französischer Marxist, der auch den Dogmatismus seiner Kommunistischen Partei kritisierte. Bekannt wurden auch in Deutschland „Für Marx“ von 1965 und „Das Kapital lesen“ ebenfalls von 1965.
Sie lassen gleichwohl einen Denker mit starker Ökonomiefixierung erkennen, etwa bei der geistigen Ausrichtung an einem klassischen Basis-Überbau-Modell. Diese Auffassung prägte ebenso seinen Essay „Ideologie und ideologische Staatsapparate“ von 1970. Darin wollte Althusser innovative Deutungen zu einer marxistischen Staatstheorie vortragen, wonach es sich nicht nur um ein Repressionsinstrument bei dem als bürgerlich geltenden Staatsapparat handele. In Anlehnung an Gramsci betonte er, dass dazu auch Institutionen der Zivilgesellschaft zählten.
Anknüpfungspunkt „Ideologische Staatsapparate“
Damit differenzierte Althusser ideologische und repressive Staatsapparate, jeweils mit den Abkürzungen ISA und RSA versehen. Dem letztgenannten Bereich ordnete er Gefängnisse, Gerichte, Polizei oder Streitkräfte zu. Für die „ideologischen Staatsapparate“ entstand gar eine eigene Typologie, wurden doch familiäre, juristische, kulturelle, mediale, politische, religiöse und schulische ISA unterschieden. Damit gemeinte Einrichtungen wie etwa Kirchen, Parteien oder Schulen könnten ebenso private Zusammenschlüsse sein.
Sie dienten auch und gerade der Absicherung einer bürgerlichen Herrschaft, wobei in ihnen die Hegemonie von der „herrschenden Klasse“ ausgeübt werden müsse. Althussers Anlehnung an Gramsci war unverkennbar, auch wenn er dies nur in einer einzigen Fußnote hervorhob. Ansonsten sah Althusser in den Bereichen der ISA den „Klassenkampf“ wirken, d.h. dort sollte auch eine eigene Hegemonie von Kommunisten erlangt werden. Dazu äußerte sich aber Althusser nicht mehr und reflektierte primär noch über eine Subjektwerdung.
Althusser in instrumentalisierender Vereinnahmung
Warum sind aber nun die genannten ISA für die Neue Rechte wichtig? Sie sehen sich formal in einer ähnlichen Ausgangssituation wie die damalige Kommunistische Partei, welche den bürgerlichen Staat zugunsten eines anderen Systems überwinden wollte. Genau dieses Ansinnen ist um einer „ethnisch-kulturellen Identität“ willen ebenfalls der „Neuen Rechten“ eigen. Für Althusser wie Gramsci waren indessen derartige Positionen oder Prioritäten überhaupt nicht wichtig.
Ihre Auffassungen dienen Kaiser wie anderen Neuen Rechten lediglich zu einer instrumentalisierenden Vereinnahmung. Darüber hinaus will man sich als intellektueller Kopf nicht nur im eigenen politischen Lager interessant machen. Bezogen auf den Corona-Komplex wurde etwa in den Impfkampagnen oder dem „Kampf gegen rechts“ in der „Sezession“ (Nr. 104/2021) ein ISA gesehen. Einen gegen die AfD gerichteten „Block der Feindschaft“ erblickte Kaiser (Die Partei und ihr Vorfeld, 2022) auch in „ideologischen Staatsapparaten“. Althusser dient ihm dabei jeweils als instrumentalisierte Referenz.