Bundesverfassungsgericht

Die Heimat: Keine staatlichen Gelder mehr

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die neonazistische Partei „Die Heimat“ darf für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden. Die frühere NPD missachte die freiheitliche demokratische Grundordnung und ziele auf deren Beseitigung ab. Trotzdem richten sich die Blicke vor allem auf die AfD und eine mögliche Blaupause.

Dienstag, 23. Januar 2024
Oliver Kreuzfeld
Das Gericht erkannte „deutliche Parallelen“ der NPD/Die Heimat zum Nationalsozialismus
Das Gericht erkannte „deutliche Parallelen“ der NPD/Die Heimat zum Nationalsozialismus

Die Voraussetzungen eines Finanzierungsausschlusses liegen vor, heißt es in der Pressemitteilung, die das Bundesverfassungsgericht am Dienstagvormittag veröffentlicht hat. Die rechtsextreme Partei Die Heimat, die sich bis vergangenen Juni noch NPD nannte, arbeite an einer Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Staat. Ihr Ziel sei letztendlich die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, das sei sowohl durch die Organisationsstruktur, die Teilnahme an Wahlen sowie ihre Vernetzung mit nationalen und internationalen Akteuren des Rechtsextremismus belegt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging einstimmig.

Nach dem Konzept der „wehrhaften Demokratie“ könnten Parteien, die auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinarbeiten, verboten und damit an der Mitwirkung an der politischen Willensbildung gehindert werden oder auch von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden.

Parallelen zum Nationalsozialismus

Die Heimat halte am ethnischen Volksbegriff und der Vorstellung von der deutschen „Volksgemeinschaft“ als Abstammungsgemeinschaft fest. Das Bundesverfassungsgericht attestiert der Neonazi-Partei eine rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antiziganistische Grundhaltung, die ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten wie transsexuellen Personen bestehe fort. Zudem erkennt das Gericht „deutliche Parallelen“ zum Nationalsozialismus, auch aufgrund der antisemitischen Grundhaltung der Partei.

Durch den Ausschluss von der Parteienfinanzierung habe man „eine missliebige Konkurrenz“ (!) verbannt, schreibt Die Heimat in einer Stellungnahme. Das „BRD-Regime“ habe ein Exempel gegen „eine volkstreue Partei“ statuieren wollen. „Hat es jetzt die Heimat getroffen, steht jetzt erwartungsgemäß die AfD im Fokus“, heißt es weiter.

Debatte um Umgang mit der AfD

In der Tat fand die heutige Entscheidung vor allem deswegen relative große Beachtung, da in den letzten Wochen eine breite Debatte um einen möglichen Umgang mit der AfD stattgefunden hat. Neben Forderungen um Prüfung eines Verbotsverfahrens sind zuletzt auch die Stimmen deren lauter geworden, die einen möglichen Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung ins Spiel bringen. Daher wurde vor allem die Begründung des heutigen Urteils mit Spannung erwartet.

„Wir brauchen eine politisch-juristische Debatte, ob dieses Instrument auch gegen die AfD tauglich ist. Nicht als Alternative zum Verbot, sondern als flankierende Maßnahme“, schreibt die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner bezogen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

„Wir haben´s erfunden“

Erst am Wochenende hat Die Heimat Bezug genommen auf das von Correctiv aufgedeckte Treffen Rechtsextremer in Potsdam und die damit einhergehende Debatte um den Begriff Remigration. Die damalige NPD hätte bereits 2008 einen Fünf-Punkte-Plan zur Abschiebung veröffentlicht, so der Parteivize Sebastian Schmidtke. „Wir haben´s erfunden – nicht die AfD.“

Schmidtkes Aussage zeigt das Dilemma der Neonazi-Partei: Seit Jahren ist Die Heimat nahezu komplett aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, die AfD saugt sämtliches Potenzial auf. Selbst die Umbenennung der 1964 gegründeten Partei im vergangenen Jahr führte nicht dazu, dass die „politische Schlagkräftigkeit“ verbessert werden konnte, so wie es „Die Heimat“ erhoffte. Auch das selbsterklärte Ziel, „Netzwerker und Förderer im Widerstand“ sowie Teil „einer wachsenden Anti-Parteienbewegung“ zu werden, ist nicht aufgegangen. Die Strukturen sind zu verkrustet, „Die Heimat“-Führungsriege ist seit Jahren größtenteils unverändert, Frank Franz ist in seinem zehnten Jahr als Parteivorsitzender.

Seit 2021 hat Die Heimat ohnehin keinen Anspruch mehr auf Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung, profitierte jedoch von steuerlichen Vorteilen, zur Bundestagswahl im September 2021 erreichte sie 0,1 Prozent der Stimmen. Seitdem tritt sie nicht mehr flächendeckend zu Wahlen an, selbst die relevante Ein-Prozent-Marke bei Landtagswahlen erscheint derzeit eine unüberwindliche Hürde.

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