„Der Schelm“: Haft- und Bewährungsstrafen für frühere Mitarbeiter

Am Oberlandesgericht Dresden wurde nach acht Verhandlungstagen heute das Urteil gegen die drei Angeklagten des antisemitischen Verlags „Der Schelm“ gesprochen. Wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung wurde ein früherer Mitarbeiter zu einer Haftstrafe, zwei weitere zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Montag, 29. April 2024
Anna-Louise Lang
Die Polizei hat Ende 2020 mehrere Objekte im Zusammenhang mit dem Verlag durchsucht, Foto: LKA Sachsen
Die Polizei hat Ende 2020 mehrere Objekte im Zusammenhang mit dem Verlag durchsucht, Foto: LKA Sachsen

Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Dresden, Hans Schlüter-Staats, beginnt seinen Urteilsspruch mit einem Zitat aus einem Buch, welches der rechtsextreme Verlag „Der Schelm“ vertrieben hatte und mahnte, dass diese Wörter ein „Boden für fürchterliche Gewalttaten“ seien.

Vom Verlag „Der Schelm“ spricht er in seinem Urteil von einem „organisiertem Geschäftsbetrieb“ und von einem „Logistikbetrieb“, welchen die drei Angeklagten gemeinsam mit Adrian Preißinger aufgebaut hätten, der Richter spricht von „Rädelsführern“. Dabei wäre der übergeordnete Zweck des Verlags in erster Linie nicht die Verbreitung antisemitischen Gedankenguts gewesen, sondern hohe Einnahmen zu generieren.

40 Bestellungen pro Tag

Dennoch seien alle drei Angeklagten zur damaligen Gründung Rechtsextremisten und Anhänger der NS-Zeit gewesen und hätten die Verbreitung entsprechender Inhalte begrüßt. Die Bundesanwaltschaft hatte angegeben, dass die Angeklagten in der Zeit zwischen August 2018 und September 2020 durchschnittlich 40 Bestellungen pro Tag verarbeitet hätten. Das würde knapp 40 Volksverhetzungen am Tag entsprechen. Als kriminelle Vereinigung hätten die Angeklagten laut Bundesanwaltschaft versucht, den Verlag „Der Schelm“ zum führenden Akteur für Hate Speech aufzubauen.

Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer gefordert, Enrico Böhm und Annemarie K. wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung zu verurteilen. In der Urteilsbegründung wurden beide jedoch nur als Gründungsmitglieder, nicht als Gründer bezeichnet. Dies wäre allein Adrian Preißinger gewesen, welchen der Richter als Drahtzieher bezeichnet. Als Zeitpunkt der Gründung sieht das Gericht das Einrichten des Lagers im Jahr 2018. Damals hatte Preißinger aus Sicherheitsaspekten nach neuen Vertriebswegen gesucht. Böhm und K. halfen ihm dabei, indem sie eine Lagerhalle in Bad Lausik suchten, anmieteten und die Bücher vom zuvor genutzten „Klosterhaus-Versand“ abholten.

„Dreamteam“

Enrico Böhm und Annemarie K. wären dabei nicht nur „Nebenakteure“ gewesen, sondern wickelten den gesamten Versandhandel ab. Wie die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer aufzeigte, arbeiteten sie im Verlag „Der Schelm“ über zwei Jahre systematisch, professionell und arbeitsteilig.  Schlüter-Staats beschreibt beide als „Dreamteam“. Beide hätten gewusst, dass es um den Verlag „Der Schelm“ handelte, als sie Preißinger angeboten hatten, zu unterstützen. Böhm selbst hatte erst 2018 „Mein Kampf“ beim Schelm bestellt und wusste somit gut, welche Bücher vertrieben werden sollten. Auch Sicherheitsmaßnahmen wie falsche Adressen des Absenders oder wechselnde Konten weisen darauf hin, dass sie wussten, dass ihre Handlungen strafbar sein könnten.

Matthias B. wäre erst mit Einrichtung des Warenwirtschaftssystems in die Lagerhalle in Bad Lausik Teil der kriminellen Vereinigung geworden. Dies hätte jedoch zu einer Professionalisierung der Struktur geführt – „wie ein kleiner Amazon-Versand“, so der Richter Schlüter-Staats. Bis dahin sei ihm nicht nachzuweisen, dass er etwas vom Grad der Strukturierung wusste, obwohl er schon zuvor für den Verlag, für das Layout und auch technische Fragen tätig gewesen sei.  

Böhm: Keine Bewährungsstrafe mehr möglich

Enrico Böhm wurde als einziger Angeklagter zu einer Haftstrafe verurteilt. Es wurde berücksichtigt, dass er sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im späteren Gerichtsprozess ein Geständnis abgelegt hatte. Jedoch führten die Menge an vertriebenen Büchern durch ihn, seine zahlreichen Vorstrafen, mehrere Aufenthalte in U-Haft sowie die Tatsache, dass er während der Taten auf Bewährung war, laut Richter zu einer Haftstrafe. Außerdem äußerte er Zweifel an Böhms Behauptung, sich aus der Szene zurückgezogen zu haben.

Böhm wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine ehemalige Partnerin Annemarie K. wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die auf drei Jahre Bewährung ausgesetzt wurde. Auch bei ihr wurde das Geständnis positiv bewertet, ebenso wie ihre „prekäre Lage“ und ihr Gesundheitszustand. Sie sei zwar vielfach vorbestraft, wurde jedoch fast ausschließlich zu Geldstrafen verurteilt. Bei beiden Angeklagten wurden andere Strafen mit einbezogen, um eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.

Knapp 90.000 Euro eingezogen

Matthias B. wurde zu einem Jahr und zehn Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, verurteilt. Sein wesentlicher Beitrag zum Verlag und die lange Vorgeschichte mit dem Verlags-Inhaber Preißinger seien zwar strafverschärfend, jedoch legte auch Matthias B. ein Geständnis ab und hätte zur Aufklärung beigetragen. Auch seine Aufnahme in ein Aussteigerprogramm sei glaubhaft. Sein Verteidiger hatte jedoch auch schon während des Plädoyers gesagt, dass man „nicht angetreten sei, um etwas zu relativieren“ und nur darum gebeten, dass seine Mithilfe zur Aufklärung gewürdigt werde.

 

Von allen drei Angeklagten werden die Einnahmen durch den rechtsextremen Verlag eingezogen. Dabei handelt es sich bei Böhm um über 42.000 Euro, bei Annemarie K. um rund 5.000 Euro und bei Matthias B. um knapp 41.000 Euro. Auch die Bücher bleiben aufgrund ihres volksverhetzenden Charakters eingezogen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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