Rezension

Der rechtsterroristische Akzelerationismus und dessen kulturelle Strategien

Auch im rechtsterroristischen Akzelerationismus gibt es kulturelle Strategien. Darauf macht Nicolas Stojek in einer kurzen Studie aufmerksam: „Terrorkultur. Eine strategische Untersuchung des rechtsextremen militanten Akzelerationismus“.

Freitag, 03. Januar 2025
Armin Pfahl-Traughber
Ein Anhänger der "Totenwaffen"-Gruppierung zeigt sich auf Telegram
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„Akzelerationismus“ bezieht sich als Begriff eigentlich auf eine „Beschleunigung“, hier hinsichtlich der Entwicklung des Kapitalismus und seines Niedergangs. Mittlerweile ist die Bezeichnung aber nicht nur eher links oder mehr philosophisch gemeint, werden doch auch Dynamiken im Rechtsterrorismus mit dem Terminus verbunden. Insbesondere die „Atomwaffen-Division“ (AWD) propagierte derartige Handlungsoptionen. Die deutschsprachige Forschung dazu war bislang – höflich formuliert – von unterentwickelter Intensität geprägt.

Umso erfreulicher ist das Erscheinen einer kurzen Studie zum Thema: die Arbeit von Nicolas Stojek mit dem Titel „Terrorkultur. Eine strategische Untersuchung des rechtsextremen militanten Akzelerationismus“. Der Autor gehört der Forschungsgruppe „Transmissions in Rhetorics, Arts and Cultural Evolution“ (TRACE) an der Bergischen Universität Wuppertal an. In dem genannten Buch soll es um einschlägige Textanalysen gehen, legten derartige Akteure doch diverse „Manifeste“ vor.

Rechtsterroristischer Akzelerationismus als volatiles Gebilde

Man darf sich die Gemeinten aber nicht als feste Organisationen vorstellen, was ohnehin eine Seltenheit im neueren Terrorismus ist. Eher bestehen lose Gruppierungen, die ideologisch ein Netzwerk bilden. So verhält es sich auch im gemeinten Bereich, wozu etwa das „Skull-Mask-Movement“ (SKM) zählt. Ihm lassen sich einzelne Gruppierungen zurechnen, etwa „The Base“, die „Feuerkrieg Division“ (FKD) oder die „Moonkrieg Division“ (MKD). Deren Akteure verfügen wiederum über Kontakte zu anderen gewaltorientierten rechtsextremistischen Strukturen.

Insgesamt hat man es aber mit einem komplexen und volatilen Gebilde zu tun, worauf der Autor mehrfach hinweist. Gleichwohl hätte er die gemeinten Gruppierungen hinsichtlich deren Ideologie und Handlungen genauer beschreiben können, wirkt das Gemeinte doch als organisatorisches wie politisches Phänomen weniger greifbar. Denn immerhin wollte der Autor „einen ganzheitlichen Blick auf die Terrorkultur des Militanten Akzelerationismus … werfen“.

Erkenntnisse aus der Strategieforschung

Dieser Blick erfährt gleichwohl wieder eine Einschränkung durch Stojek selbst, der insbesondere auf die schriftlichen Hinterlassenschaften der analysierten Rechtsterroristen fixiert ist. Der Ansatz ist mehr als verständlich, vermittelt aber doch nur ein reduziertes Bild, da er auf eine Regeltextanalyse konzentriert bleibt. So steht nicht die Gewaltdimension der jeweiligen Rechtsterroristen im inhaltlichen Zentrum. Gleichwohl kommt der strategischen Dimension ebenfalls große Relevanz zu. Und hierbei vermittelt der Autor doch wichtige Erkenntnisse, um die gemeinten fluiden und volatilen Organisationen bezüglich ihres bisherigen bzw. potentiellen Vorgehens besser einzuschätzen.

Dazu bedient er sich auch Erkenntnissen der Strategieforschung aus anderen Zusammenhängen. Es wird sogar auf ethologische Prämissen für das terrorismusorientierte Verhalten zurückgegriffen. Dabei geht es etwa um die Analyse einschlägiger Identitäts- und Werteprinzipien, aber auch die Differenzierung von In- und Outgroup-Vorstellungen.

Keine zufällige Ansammlung zufälliger Einzeltäter

Und dann widmet sich die Arbeit noch gesondert den strategischen Zielen, einerseits bezogen auf die destruktive Entwicklungsphase vor der beabsichtigten politischen Umwälzung, andererseits fixiert auf die Errichtung einer angestrebten homogenen rassistischen Zukunftsordnung. Der Autor nutzt auch hier das Instrument der vergleichenden Textanalyse, wobei die Interaktionen unabhängig von direkten Kontakten ausdrücklich mit thematisiert werden. Eine wichtige Erkenntnis ist denn auch, dass der „militante Akzelerationismus“ eben „nicht einfach eine zufällige Ansammlung zufällig gewalttätiger Einzeltäter ist, sondern ein Netzwerk miteinander verbundener und virtuell kooperierender Personen“.

Angereichert wurde die darauf bezogene Analyse außerdem durch die Hinweise auf kulturelle Konstellationen und strategische Implikationen. Etwas mehr Bodenhaftung hätte man sich indessen bei Darstellung und Deutung von Stojek gewünscht. Denn die Arbeit liefert auch für kommende Forschungen wichtige Untersuchungskriterien.

Nicolas Stojek, Terrorkultur. Eine strategische Untersuchung des rechtsextremen militanten Akzelerationismus, Opladen 2025 (Verlag Barbara Budrich), 143 S.

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