Daniel Fiß

Der AfD-Campaigner aus Rostock

Er ist kein „Volkstribun“ wie Martin Sellner. Seine Vortragsveranstaltungen erreichen augenscheinlich nur ein ausgewähltes AfD-Publikum. Doch hinter den Kulissen erklärt einer der wichtigsten rechtsextremen Akteure, Daniel Fiß, der AfD politische Strategie- und Kampagnenarbeit.

Dienstag, 22. Oktober 2024
Andrea Röpke / Eike Pahlen
Daniel Fiß (Mitte) begleitet vom JA-Landesvorsitzenden Alexander Tschich (links) auf dem Weg zur Greifswalder Burschenschaft Rugia
Daniel Fiß (Mitte) begleitet vom JA-Landesvorsitzenden Alexander Tschich (links) auf dem Weg zur Greifswalder Burschenschaft Rugia

Greifswald bleibt kein gutes Pflaster für Rechtsextreme. Als die pflichtschlagende Greifswalder Burschenschaft Rugia am vergangenen Freitagabend zum Vortrag mit dem früheren Identitären-Bundeschef Daniel Fiß einlud, übertrumpfte der bunte und lautstarke Gegenprotest das nationalistische Geschehen. Passend zur trostlosen Location fanden sich nur knapp ein Dutzend Gäste aus den Reihen der AfD ein.

Das Haus der 1856 gegründeten Rugia gegenüber dem Theater in der Robert-Blum-Straße wirkt wenig einladend, die Fassade sieht schäbig aus. Wellige Plastikscheiben in den Fenstern, grauer Putz blättert von den Wänden. „Deutsch – Männlich – Student – Deutsches Herz verzage nicht, tu was dein Gewissen spricht.. – werde aktiv“ steht auf einem vergilbten Banner.

Gewaltbereites Spektrum

Ein pausbäckiger Burschenschafter im vollem Wichs und mit Schmiss auf der Wange grüßte mit Bier auf dem Balkon. Er schaute auf die antifaschistische Gegendemonstration hinunter, die in der rund 60.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt erwartungsgemäß groß ausfiel. Der Bursche verschwand wieder hinter gelbliche Gardinen. Der Protest in Greifswald aber blieb, laut und bunt.

Im Gebäude der Greifswalder Burschenschaft Rugia hielt Daniel Fiß seinen Vortrag, an dem allerdings nur wenige Besucher Interesse zeigten.
Im Gebäude der Greifswalder Burschenschaft Rugia hielt Daniel Fiß seinen Vortrag, an dem allerdings nur wenige Besucher Interesse zeigten.

Gewalt von rechts ist nicht selten in Mecklenburg-Vorpommern. Beim letzten Auftritt von Daniel Fiß in Schwerin kam es zu unansehnlichen Rangeleien zwischen seinen eigenen glatzköpfigen Fans. Zum Vortrag in Schwerin erschien neben AfD-Fraktionsmitglied Martin Schmidt auch der Landtagsabgeordnete Thore Stein, Bursche und Schwiegersohn von Gernot Mörig, dem Organisator des berüchtigten „Potsdamer Treffens“ mit Martin Sellner. „Kanackenpack“ schrien Besucher der Veranstaltung in Richtung des Gegenprotestes und gingen dann gereizt aufeinander los, wie Videoaufnahmen zeigen.

„Gemäßigt“?

Als es beim Besuch von Götz Kubitschek im März zu antifaschistischen Sitzblockaden vor dem Eingang des Schweriner Rathauses kam, wurden Fiß und einige Ordner der Jungen Alternative (JA) handgreiflich. Trotzdem werden der AfD-Landesverband unter Leif-Erik Holm und der politische Nachwuchs an der Küste bundesweit gerne als „gemäßigt“ wahrgenommen.

In Greifswald bedankt sich die „Junge Alternative Mecklenburg-Vorpommern“ dann auch artig über Facebook bei Fiß für seinen Vortrag und die „spannende Analyse rechter Wählerpotenziale“. Der neurechte Vordenker Fiß widmet sich beruflich dem Erfolg der Partei AfD. So viel Neues dringt allerdings nicht nach außen.

„Dann sind wir halt rechts. Na, und?“

Im Juni beklagte Fiß in einem Videopodcast des „Heimatkurier“ vor allem „in den Bildungsinstititutionen“ habe „sich das alte 68er-Milieu festgesetzt“. Doch inzwischen sei es zu einem „Rebellionseffekt“ gekommen „wo halt die Leute es satt haben, vor den Gefahren rechter Parteien und rechter Bewegungen gewarnt zu werden“. Bei jungen Leuten verzeichnet Fiß eine Trotzreaktion, die besagt: „Dann sind wir halt rechts. Na, und?“

Sorge bereitet dem rechtsextremen Analysten weniger die Jungwählermobilisierung als die Demographielage. „Auf einen Jungwähler kommen fünf Wähler der Generation 60 plus“. Doch die neue Generation werde neues Potenzial nach sich ziehen, ein neuer „Konfliktvektor“ zeige sich auf. Fiß wies darauf hin, dass neue politische Milieus und neue politische Bewegungen vor allem in Konfliktsituationen, in Spannungsverhältnissen innerhalb der Gesellschaft entstehen. Er sagt: „Also wir haben Konfliktvektoren wie Stadt versus Land, Ost gegen West – über diese Spannungen entstehen politische Identitäten. Diese Identifizierungen führen zu Wahlverhalten. Prägen die politische Sozialisation. Zur ostdeutschen Identität eines jungen Mannes gehört dann eben, dass man AfD wählt.“

Der Rostocker Rechtsextremist Daniel Fiß, Jahrgang 1992, wurde als Politanalyst zum Thema „Wer wählt rechts?“ angekündigt. Fiß selbst erschien gemeinsam mit Vorstandsmitgliedern des mecklenburg-vorpommerschen Landesverbandes der „Jungen Alternative“: Alexander Tschich, Wendelin Fessl und Lucienne Marie Laudan. Ein boxbegeisterter AfD-Sympathisant aus Grimmen musste ebenso lange auf den Einlass warten wie der einstige Greifswalder AfD-Landtagsabgeordnete Gunther Jess mit Basecap.

Neonazi-Vernetzungen der Burschen

Max Bartusch erschien mit einiger Verspätung. Der Name des Rechtsanwaltes und Strafverteidigers einer Bonner Kanzlei steht am Briefkasten der Rugia. Zu dieser Burschenschaft gehörte auch der 2022 verstorbene Holocaust-Leugner Rigolf Hennig. Recherchen des Magazins „Katapult“ zufolge bewegte sich Max Bartusch zunächst im Umfeld von NPD und Nationale Sozialisten Greifswald, zeigte sich 2017 mit Udo Pastörs beim Protest gegen einen Besuch von Angela Merkel oder beteiligte sich 2020 am neonazistischen „Trauermarsch“ in Demmin.

Mitglied der Greifswalder Burschenschaft Rugia ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning. Dessen Kanzlei vertrat u.a. den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Identitären Bewegung Deutschland, Daniel Fiß, vor Gericht. Die nach außen propagierte Unvereinbarkeit zwischen AfD und Identitären galt ohnehin anscheinend nie für Fiß. Er bewegt sich bereits seit 2014 im engen Parteiumfeld.

Von der „Festung Rostock“ zum AfD-Flüsterer

Ein Charismatiker ist Daniel Fiß nicht, eher der Analyst der Szene. Menschenmassen zu begeistern gehört nicht zu seinen Aufgaben. Als es 2017 bei einer Identitären-Demo in Berlin zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen die Polizei kam, dirigierte Fiß vorne an der Spitze. Er hält Reden und gibt Interviews, aber ansonsten hält sich der dröge Rostocker gerne im Hintergrund, schult die eigenen politischen Kreise, mahnt und kritisiert.

Das Interesse an seinen zahlenlastigen, analytischen Vorträgen hält sich wie in Greifswald in Grenzen. Dennoch gibt Fiß weit über die IB hinaus die politische Richtung der Bewegung mit vor. Kaum jemand kennt das rechtsextreme Spektrum Deutschlands so gut wie er. Denn ebenso wie auch IB-Anführer Martin Sellner sozialisierte sich Fiß im subkulturell-geprägten Neonazi-Spektrum. Er war bei der NPD-Jugend aktiv oder kämpfte bei den militanten „Autonomen Nationalisten Rostock“ für eine „Festung Rostock“.

Rechtes Firmengeflecht

Dann gründete Fiß „Kontrakultur MV“ und fungierte von 2016 bis 2019 als bundespolitischer Sprecher der Identitären Bewegung Deutschland. Er arbeitete für den AfD-Politiker Siegbert Droese im Bundestag, studierte rechten Angaben zufolge sechs Semester Politikwissenschaft. Fiß nennt sich heute Grafiker, Campaigner, Politikberater.

Vor einigen Jahren trat Fiß noch als Redner auf einer Demo der Identitären Bewegung auf, neben ihm: Martin Sellner
Vor einigen Jahren trat Fiß noch als Redner auf einer Demo der Identitären Bewegung auf, neben ihm: Martin Sellner

Durch ihn rückt Rostock unmerklich immer wieder ins Zentrum des rechtspolitischen deutschen Geschehens, denn kaum jemand ist so umtriebig wie er, der diverse Firmen und Agenturen mitgründete, seit 2020 den eigenen Feldzug-Blog betreibt, für Götz Kubitscheks Sezession analytische Artikel schreibt und im August das Amt des Chefredakteurs des Nachrichtenportals „Heimatkurier“ übernahm.

Schicksalsfrage über den „Bevölkerungsaustausch“

Jetzt führt er eine „neu formierte“ Redaktion an, um den Fokus weiterhin auf „die zentrale Schicksalsfrage unseres Volkes“, den „Bevölkerungsaustausch“ und den „migrationspolitischen Paradigmenwechsel“ zu legen, aber auch eine „Plattform zu schaffen, die die wichtigen Fragen und Debatten der rechten Strategiebildung, politischer Analysen und aktivistischer Berichterstattung noch stärker in den Fokus nimmt“, erklärte er in einer Videobotschaft.

Noch als Interviewpartner hatte Fiß im Juni den „Normalisierungseffekt innerhalb des Rechtsparteienspektrums in ganz Europa“, der bei den letzten Europawahlen stattgefunden habe, in einem Gespräch gefeiert. In einem anderen Kommentar klagte Daniel Fiß: „Das System will alte und neue Rechte stets als Einheit darstellen. Das Establishment trifft keine Unterscheidung zwischen Identitärer Bewegung, „Die Heimat“ (ehemals NPD), Junge Alternative, Dritter Weg und AfD.“ Ihm zufolge habe „das System eine Falle aufgestellt, in die die Nachkriegsrechte seit 1945 immer wieder zuverlässig hineintappt.“

Deutliche Nähe zur AfD

Denn der „beständig verschärfte Kampf gegen rechts, politische Korrektheit und die antifaschistische Staatsräson“ sollen zu Überreaktionen provozieren, die am Ende die metapolitische Machtstruktur unserer Gegner nur noch weiter verstärken. Polit-Stratege Fiß will dieses simple „Reiz-Reaktionsschema“ mit einer anschlussfähigen Rechten durchbrochen wissen. Sein Ziel: Die Neue Rechte als unabhängig von der NS-Subkultur agierendes weltanschauliches Spektrum mit eigenen Ideen zu etablieren.

Finanzielle Unterstützung erhielten Fiß und seine Mitstreiter in Rostock laut einer Recherche des antifaschistischen Netzwerkes „exif“ durch den ehemaligen Berliner Finanzsenator und CDU-Politiker Peter Kurth. Der soll 2019 exakt 120.000 Euro auf das Konto der „Okzident-Media UG“, die von Daniel Fiß gegründet wurde, überwiesen haben. Das Geld wurde demnach anscheinend für den Kauf eines IB-Hauses in Sachsen-Anhalt genutzt.

Daniel Fiß zusammen mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Nikolaus Kramer, offenbar in Vorbereitung eines Videodrehs.
Daniel Fiß zusammen mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Nikolaus Kramer, offenbar in Vorbereitung eines Videodrehs.

Die AfD an der Ostseeküste profitiert von Fiß. Nicht zuletzt der Auftritt in Greifswald zeigt die selbstverständliche Nähe zum außerparteiischen Unterstützer. 2023 zeigten sich identitäre Rechtsextremisten ganz selbstverständlich beim „Tag der offenen Tür“ im Schweriner Landtag mit der AfD-Fraktion. Am 30. Oktober tritt der Rechtsextremist Daniel Fiß beim Kreisverband der AfD in Stralsund auf. Der Ort wird geheim gehalten.

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