Rechtsextreme Spenden
CeMAS-Studie: Spendenfinanzierung der rechtsextremen Szene
Welche Wege Rechtsextreme zur Akquise von Spenden nutzen, welche Akteur*innen der Szene dabei besonders aktiv sind und wie hoch zum Teil die eingeworbenen Summen sind, das hat die Organisation CeMAS untersucht und ihre Ergebnisse in einer Studie heute vorgestellt. Auch geben sie Handlungsempfehlungen zum Umgang mit dieser Problematik.
Rechtsextreme verlassen sich bei Spenden weiterhin auch auf klassische Bankkonten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des „Center für Monitoring, Analyse und Strategie“ (CeMAS), einer gemeinnützigen Organisation, die rechtsextreme Entwicklungen auf digitalen Plattformen untersucht.
Für ihren neuen Bericht „Where's the Money at?“ haben die Autoren 419 Kanäle auf dem Messengerdienst Telegram unter die Lupe genommen und mehr als eine Million Nachrichten zwischen September 2016 und Mai 2023 systematisch ausgewertet. Dabei haben sie Hinweise auf Bankkonten, PayPal-Accounts, Kryptowährungen, Crowdfunding-Kampagnen sowie Livestreaming-Accounts erfasst.
Mehrheitlich deutsche Banken
Das eingeworbene Geld kann schließlich zur Finanzierung von Demonstrationen und Konzerten, zum den Kauf von Immobilien oder für anfallende Gerichtskosten verwendet werden. Die Finanzmittel können auch dazu dienen, den Lebensunterhalt einzelner Aktivist*innen zu sichern, sodass sie sich voll und ganz auf ihren politischen Aktivismus konzentrieren können. Alles in allem sind Gelder notwendig, um die rechtsextreme Szene zu stärken, und Spenden sind ein Teil der Finanzierungsstrategie.
Auch wenn Rechtsextreme auf ein breites Angebot an Spendenmöglichkeiten zurückgreifen können, bleiben die altbewährten Bankkonten weiterhin eine der relevanten Zahlungsmethoden. Die CeMAS-Forscher konnten in ihrem Datensatz 109 IBAN-Konten identifizieren, davon liegen 66 Konten bei deutschen Banken. Besonders häufig wurden Posts mit der IBAN der „Identitären Bewegung Deutschland e.V.“ geteilt und angesehen.
Öffentlicher Druck
Andere Konten gehören rechtsextremen Kleinstparteien und Jugendorganisationen, Magazinen, Influencer*innen und Aktivist*innen. Auch häufige Kontenkündigungen werden im Datensatz sichtbar: die rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner und Nikolai Nerling, denen mehrfach die Konten gekündigt wurden, sind mit den meisten unterschiedlichen IBANs vertreten. Die CeMAS-Autoren machen außerdem darauf aufmerksam, dass Banken deutlich öfter gegen rechtsextreme Akteur*innen vorgehen könnten. Zwar hätten Gerichte entschieden, dass öffentlich-rechtliche Banken wie die Sparkasse entsprechende Konten nicht einfach kündigen dürften. Das gelte laut einem BGH-Urteil allerdings nicht für Privatbanken, diese müssten ihre Kund*innen nicht gleichbehandeln. Und einem Urteil des Landgerichts Berlin zufolge kann auch eine öffentlich-rechtliche Bank ein Girokonto kündigen, wenn ihr ansonsten ein erheblicher Ansehensverlust drohe.
Neben IBAN-Konten ist der Zahlungsdienstleister PayPal beliebt. Auch wenn in den Nutzungsrichtlinien Transaktionen ausgeschlossen werden, die „Hass, Gewalt, Rassen- oder andere[...] Formen von Intoleranz“ fördern, wurden laut der CeMAS-Studie Konten von Rechtsextremen erst nach öffentlichem Druck gesperrt. Und so werden immer noch Spenden über PayPal gesammelt. Die Studie konnte 40 Konten und 25 weitere Dienstleistungen der rechtsextremen Szene zuordnen. Auch hier sind ehemalige und aktuelle Akteure der Identitären Bewegung stark vertreten. Der am meisten geteilte PayPal-Link kann dem Schweizer Aktivisten Ignaz Bearth zugeordnet werden.
Kryptowährungen
Wegen ihrer vermeintlichen Anonymität sind Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Litecoin natürlich auch für Rechtsextreme interessant. Daneben können ideologische Gründe eine Rolle spielen: wer antisemitischem Verschwörungsglauben anhängt und herkömmlichen Finanzinstitutionen misstraut, für den sind alternative Zahlungsmittel attraktiv.
Besonders Attila Hildmann ist den CeMAS-Autoren aufgefallen, der am häufigsten für Spenden auf Kryptowallets geworben hat. Insgesamt wurden 60 Wallets von 28 Akteur*innen beobachtet, auf die im Zeitraum von etwa zehn Jahren Beträge im Wert von knapp 260.000 Euro eingezahlt wurden, davon allein 74.000 Euro für Attila Hildmann. Weitere Wallets gehören Akteur*innen und Organisationen der Identitären Bewegung oder dem rechtsextremen YouTube-Kanal „Die vulgäre Analyse“.
Über 10.000 Euro für verstorbenen Neonazi
Auch im Bereich Crowdfunding und Social Payment konnte die Studie fast die Hälfte der 25 ermittelten rechtsextremen Spendenkampagnen der IB zuordnen. Eine weitere Spendenkampagne für die Beerdigung des Dortmunder Neonazis Siegfried Borchardt auf PayPal konnte über 10.000 Euro einsammeln.
Auch über Livestreaming-Plattformen wie Twitch und DLive können Spenden eingenommen werden. Besonders Martin Sellner konnte hier Reichweite erzeugen: Auf DLive erreicht er 13.800 Abonnent*innen. Die Studie nennt ihn den wahrscheinlich erfolgreichsten rechtsextremen Streamer im deutschsprachigen Raum.
Zusammenarbeit von Finanzämtern und Sicherheitsbehörden
In ihrem Fazit geben die CeMAS-Autoren Handlungsempfehlungen. Die Einschränkung von Spendenakquise könne rechtsextreme Karrieren einschränken und Aktivismus behindern. Dazu brauche es öffentlichen Druck und Reaktionen von Finanzämtern und Banken. Auch sei konstantes Monitoring wichtig, um zu beobachten, wie sich Rechtsextreme auf neue Entwicklungen einstellen und welche neuen Plattformen und Finanzdienstleister sie nutzen.
Weiter ist die Rede von einer besseren Zusammenarbeit von Finanzämtern und Sicherheitsbehörden, um beispielsweise Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Banken und Crowdfunding-Plattformen müssten erfahren, welche rechtsextremen Akteur*innen ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Nur dann können sie reagieren. Zum Schluss empfehlen die Autoren der Studie den Ausbau der Expertise bei Sicherheitsbehörden und Finanzdienstleistern, damit diese proaktiv tätig werden können.