Der Volkslehrer
Bewährungsstrafe für Nikolai Nerling
Wegen Volksverhetzung, eines Hitlergrußes und weiteren Straftaten verurteilte das Amtsgericht Berlin den rechtsextremen Aktivisten Nikolai Nerling heute zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten. Er hatte u.a. ein Video veröffentlicht, in dem Ursula Haverbeck den Holocaust leugnet. Reue zeigte er vor Gericht keine.
Gleich sechs Delikte warf die Staatsanwaltschaft Berlin dem selbsternannten Volkslehrer Nikolai Nerling vor. Ursprünglich waren zwei Verhandlungstage für den Prozess vorgesehen, doch die Beweisaufnahme konnte zügig abgeschlossen werden, so dass noch am Freitag ein Urteil erging.
Zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe auf drei Jahre Bewährungszeit wurde der 42-jährige Rechtsextreme vom Amtsgericht Berlin verurteilt. Zudem muss Nerling 3.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Das Gericht folgte der Empfehlung der Staatsanwaltschaft und orderte an, die Summe an die Amadeu Antonio Stiftung überweisen zu müssen – was für ein Raunen unter den rund einem Dutzend Anhängern sorgte, die sich auf den Besucherplätzen eingefunden hatten. Darunter – wenig überraschend – auch Reichsbürger und bekannte Holocaustleugner.
Haverbeck, Nerling und der Holocaust
Das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Hausfriedensbruch, Beleidigung, Körperverletzung, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes sowie Sachbeschädigung warf die Staatsanwaltschaft Nerling konkret vor.
So hatte Nerling ein Video hochgeladen, in dem er die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck interviewte, die dann auch gleich das machte, wofür sie selbst bereits mehrfach vor Gericht stand und verurteilt wurde: den Holocaust in Abrede stellen. Erst im März musste die 93-Jährige sich im selben Gerichtssaal verantworten und wurde zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. In dem Fall sei erschwerend hinzugekommen, dass das Video bis heute auffindbar sei und nicht entfernt wurde.
Hitlergruß gezeigt
Auch die meisten anderen Straftatbestände basierten auf Videos, die Nerling selbst auf seinen Plattformen hochgeladen hatte. So hatte er in einem Video einen Juden in seiner Identität herabgewürdigt, das Gericht sah in dem Fall eine Beleidigung. In einem weiteren Video ist Nerling von hinten zu sehen, wie er neben einem Plakat steht, die dortige Kampagne thematisierte und einen Hitlergruß zeigt. Dies sei nicht von der Kunstfreiheit gedeckt, so das Gericht, dass sich die Videos im Laufe der Verhandlung zeigen ließ.
Ein weiteres Video zeigt Nerling in Lüneburg vor einer Informationstafel zu den Verbrechen der 110. Infanterie-Division der Wehrmacht. Durch seine Kommentare habe er die erwiesene Tatsache in Frage gestellt, dass diese Division eine Gruppe von Menschen vorsätzlich durch Deportation und Verbringung in Vernichtungslager unter Lebensbedingungen stellte, die geeignet waren, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.
Nicht greifbar für Behörden
Schließlich ging es in einem weiteren Fall um die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, der Rechtsextreme hatte ein Telefonat mitgeschnitten und das Gespräch in einem Video veröffentlicht. Zudem wurde Nerling wegen Hausfriedensbruchs verurteilt, da er während einer Diskussionsveranstaltung, auf der er provokant aufgetreten war, trotz mehrfacher Aufforderung das Gebäude nicht verließ.
Nerling, der sich von Szeneanwalt Andreas Wölfel vertreten ließ, zeigte während der Verhandlung keine Reue, auch im Nachgang bekräftigte er seine Aussagen gegenüber seinen Anhängern. Wölfel hatte bereits Nerlings Kameramann im Dachau-Prozess vertreten. Insgesamt habe sich der Prozessbeginn vor dem Amtsgericht in Berlin längere Zeit hingezogen, was jedoch laut Staatsanwaltschaft auch daran lag, dass Nerling über mehrere Monate in Brasilien untertauchte und für die Strafverfolgungsbehörden nicht erreichbar war.
Völkische Gesinnung
Das Gericht attestierte Nerling, der früher als Lehrer arbeitete und laut eigener Aussage mittlerweile im Online-Versandhandel tätig sei, eine nationalistisch-völkische und geschichtsrevisionistische Gesinnung, er bewege sich mit seinen Aussagen immer wieder auf einer Rasierklinge der Strafbarkeit.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.