Neue Rechte
Benedikt Kaiser „Produktpiraterie“ bei linken Strategien
Benedikt Kaiser, ein langjähriger Mitarbeiter des „Instituts für Staatspolitik“ und Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, hat sich auf „Produktpiraterie“ bei linken Strategien spezialisiert. Auch in seinem neuen Buch plädiert er dafür, derartige formale Konzepte für die Neue Rechte ideologisch inhaltlich umzudeuten.
Benedikt Kaiser gehört zu den eifrigsten Publizisten der deutschen Neuen Rechten. Jüngst erschien sein achtes Buch: „Die Konvergenz der Krisen. Theorie und Praxis in Bewegung“ im „Jungeuropa-Verlag“ in Dresden, wobei es sich aber nur um einen Sammelband mit früheren Veröffentlichungen handelt. Kaiser schreibt regelmäßig in der „Sezession“, dem Organ des „Instituts für Staatspolitik“. Mit „Der Eckart“ und „Die Kehre“ findet man von ihm aber auch in anderen Publikationsorganen kontinuierlich Veröffentlichungen. Darüber hinaus ist er deutscher Korrespondent der Magazine „Élements“ und „Nouvelle École“, die der um Alain de Benosit in Frankreich bestehenden Neuen Rechten zuzurechnen sind.
Zwischenzeitlich hat Kaiser noch eine andere Berufstätigkeit gefunden: Seit 2023 sei er laut Welt Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl. Dieser gehört dem Höcke-Flügel an und ist Beisitzer im Vorstand der AfD-nahen Erasmus-Stiftung, die längerfristig akademische Kader für die Partei heranziehen möchte. Für Kaiser ist auch die damit einhergehende „Metapolitik“ als Strategie ein persönliches wie politisches Steckenpferd.
Vom Neonazi-Kontext zur Neuen Rechten
Aber wer ist nun eigentlich der 1987 Geborene? Aus dem Klappentexten seiner Bücher kann man entnehmen, dass er Politikwissenschaft mit einer europaspezifischen Ausrichtung an der TU Chemnitz studierte und mit einem Magister abschloss. Ebendort kann man aber nichts über seine frühen politischen Aktivitäten lesen, betätigte sich Kaiser doch in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre in der ostdeutschen Stadt in unterschiedlichen neonazistischen Zusammenhängen.
Eine gewisse Begeisterung für den europäischen Faschismus vermitteln auch seine ersten Bücher, etwa zu „Europakonzeption und Gesellschaftskritik bei Pierre Drieu la Rechelle“, einem französischen Faschisten, der mit den deutschen Besatzungsmächten in Frankreich kollaborierte. Ein anderes Buch zum „Inselfaschismus“ war einschlägigen Parteien in Großbritannien und Irland gewidmet. Ab Beginn der 2010 Jahre wandte Kaiser sich dann aber der Neuen Rechten zu, wovon sein Engagement beim „Institut für Staatspolitik“ zeugt. Das mag für eine Abkehr vom Neonazismus stehen, Kaiser nahm indessen lediglich innerhalb des Rechtsextremismus eine ideologische Positionsverschiebung vor.
„Produktpiraterie“ bei linken Strategien
Bedeutsam in seinem Engagement sind indessen andere Gesichtspunkte, betreibt er doch häufig „Produktpiraterie“ bei linken Strategien. Anders formuliert: Kaiser betrachtet die gegenwärtige und vergangene Entwicklung in der politischen Linken, um daraus Erkenntnisse für das Handeln der Neuen Rechten abzuleiten. Mitunter scheint er dabei mehr oder weniger nur politische Akteure und Bezeichnungen auszutauschen, etwa wenn aus der linken Idee einer „Mosaiklinken“ von Hans-Jürgen Urban bei ihm dann eine „Mosaikrechte“ wird oder wenn die von Rosa Luxemburg eingeforderte „revolutionäre Realpolitik“ eine „revolutionäre Realpolitik von rechts“ sein soll.
Indessen handelt es sich bei seinen Ausführungen nicht nur um bloße oberflächliche Kopien. In dem erwähnten Band älterer Veröffentlichungen, „Die Konvergenz der Krisen. Theorie und Praxis in Bewegung“, ist die meistzitierte Person der italienische Marxist Antonio Gramsci, der von der Notwendigkeit einer „kulturellen Hegemonie“ als Voraussetzung für einen Umbruch schrieb. Kaiser hat dessen Auffassungen auch wirklich gelesen und will sie strategisch für den Rechtsextremismus nutzen.
„Soziale Frage von rechts“ vereinnahmen als Strategie
Dabei geht er von folgenden Überlegungen aus: Die angeblich diskurs- und hegemoniefähige Linke habe viele öffentliche Erfolge zu verzeichnen, man könne demnach auf formal ähnliche Art und Weise ebenfalls eine Umwälzung betreiben. Frühere Auffassungen und Themenfelder habe die politische Linke aufgegeben, wozu insbesondere die Kapitalismuskritik gehöre. Diese Lücke müsse die Neue Rechte schließen. Dazu entwickelte Kaiser auch die Option eines „Solidarischen Patriotismus“, der die „soziale Frage von rechts“ stellen will. Seine Ausführungen zur Kapitalismuskritik, der Blick in die Fußnoten belegt dies, stützen sich dabei nahezu durchgängig auf linken Publizisten.
Heraus kommt bei Kaiser dann das Plädoyer für einen Sozialstaat, der aber primär für die Angehörigen der deutschen „ethnisch-kulturellen Identität“ da sein soll. Seine Ausführungen sind daher aus mehreren Gründen von Interesse: Er gehört zu den strategisch Denkenden in der Neuen Rechten, der auch im Kopf die Seminarräume verlassen hat und durch ein formales Lernen „von links“ nach praktischen Optionen nicht nur für die nahestehende Partei sucht.
Der Autor hat an einem anderen Ort eine ausführliche Untersuchung zu diesem Wirken vorgelegt: Armin Pfahl-Traughber: Benedikt Kaiser: „Lernen von linke“. Eine Analyse zur Philosophie einer Produktpiraterie, in: Vojin Sasa Vukaninovic (Hrsg.), Randgänge der Neuen Rechten. Philosophie, Minderheiten, Transnationalität, Bielefeld 2023, S. 161-178.