„Kulturkampf von rechts“ der Neuen Rechten

Antaios-Verlag: Neue „kaplaken“-Staffel zum ideologischen Selbstverständnis

Freitag, 12. Mai 2023
Armin Pfahl-Traughber
„Kulturrevolution von rechts“ - ein Thema, das der neurechte Verlag immer wieder bedient.
„Kulturrevolution von rechts“ - ein Thema, das der neurechte Verlag immer wieder bedient.

Drei ganz unterschiedliche Bände sind in der neuen „kaplaken“-Staffel des Verlags Antaios enthalten: Da geht es sowohl um ein persönliches Beklagen der gesellschaftlichen Entwicklung, um die durchaus überraschende Einforderung eines „neuen Volkes“ und die Kritik an der „depressiven Hedonie“ im Kapitalismus. Inhaltliche Gemeinsamkeiten bestehen jeweils darin, dass keine klaren Alternativen aufgezeigt werden können.  

Dem Komplex um das „Institut für Staatspolitik“ lässt sich nicht nur das Publikationsorgan „Sezession“, sondern auch der „Verlag Antaios“ zurechnen. In ihm erscheinen kontinuierlich Bücher von Repräsentanten der Neuen Rechten oder ideologisch verwandten Richtungen. Dazu gehören auch Nachdrucke literarischer Werke, sofern sie in den Diskursrahmen des Instituts passen. Eine Besonderheit stellt die Schriftenreihe „kaplaken“ dar, wo mittlerweile über achtzig Bände erschienen sind.

Es handelt sich jeweils um gebundene Bücher von 15,5 cm- mal 11 cm-Größe mit einem Umfang von rund 100 Seiten. Damit hat das Institut ein Publikationsforum gefunden, worin in knapper Form einige Grundpositionen zum politischen Selbstverständnis vorgetragen werden können. In den letzten Jahren veröffentlichte man meist gleich drei Bände zusammen und bot sie als „Staffel“ an. Die letzten Bände, die als „27. Staffel“ herauskamen, sollen hier dargestellt und kommentiert werden.

Persönliches Beklagen von gesellschaftlichen Entwicklungen

Als „kaplaken“-Band 82 erschien „Alterndes Land“ von Heino Bosselmann, der Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion in Schwerin ist und gelegentlich auf der „Sezession im Netz“-Seite schreibt. Die abgedruckten zehn Artikel enthalten persönliche Kommentare, mitunter von autobiographischen Betrachtungen durchzogen. Da geht es um den Heimatort Prignitz oder Jahrgang 1964-Wahrnehmungen. DDR-Grenztruppen- sind ebenso wie Plattenbau-Erfahrungen ein Thema. Und dann beklagt der Autor über mehrere Seiten, dass er seinen Beruf als Lehrer aufgrund seiner politischen Publikationen nicht mehr ausüben könne.
 
Statt mit politischen Betrachtungen hat man es bei dem Büchlein eher mit persönlichen Wehklagen zu tun. Sie durchziehen auch Formulierungen und Kommentare, etwa wenn bezogen auf einige Bundestagsparteien von einer „Partei neuen Typs, einer Art Einheitsfront für die moralische Umerziehung einer nach Regierungsmaßgabe rückabzuwickelnden Nation“ die Rede ist. Auch hier artikuliert sich mehr eine individuelle Verbitterung. Vielleicht wollte „Antaios“ dem Autor mit dem Druck nur einen Gefallen tun.

Vehemente Kritik am eigenen „konservativ/rechten Lager“

Als „kaplaken“-Band 83 erschien „Das neue Volk“ von Simon Kiesling, der als promovierter Historiker und Philosoph vorgestellt wird und Bücher zu Gender Mainstreaming und Mönchtum veröffentlicht hat. Sein Band nimmt eine vehemente Kritik am „konservativ/rechten Lager“ vor, sei es doch auf historisch und sozial überholte Vorstellungen fixiert. Dazu zählt für den Autor ein bürgerlicher Marktliberalismus (Markus Krall), wie die Forderung nach einer Ausweisung von Migranten (Martin Sellner), wie der Aufbau von ethnisch-kulturell homogenen Gegengesellschaften in Sezession (Daniel Engels und erneut Sellner).
All diesen Ansätzen hält Kiesling ausgeprägte Wirklichkeitsfremdheit vor. Dem gegenüber möchte er für das „konservativ/rechte Lager“ neue Wege beschreiten: Es geht ihm um die „Erschaffung einer qualitativ neuen Volklichkeit“, wobei mit der autochthonen Bevölkerung „interessierte migrantische Segmente“ zusammengeführt werden sollten. Genauer wird Kiesling dabei nicht, seine Auffassungen dürften aber auch bei der ethnisch fixierten Neuen Rechten auf wenig Zustimmung stoßen.

„Depressive Hedonie“ durch Internet und Kapitalismus

Und als „kaplaken“-Band 84 erschien „Depressive Hedonie“ von Lorenz Bien, der als studierter Germanist und Philosoph vorgestellt wird und bislang für die „Junge Freiheit“, die „Sezession“ oder „Tumult“ schrieb. In dem Band knüpft er an Deutungen von Mark Fisher, einem einflussreichen britischen Kulturwissenschaftler, an. Dieser ging von einer zwischenzeitlichen Alternativlosigkeit des Kapitalismus aus, welche erhebliche Folgen für die psychische Gesundheit von Menschen habe. Bien überträgt dann diese Einwände auf die elektronischen Medien und ihre gesellschaftlichen und individuellen Wirkungen.

Dabei stützt er sich auch auf Arnold Gehlen, der als soziologischer Anthropologe ein Klassiker für die Neue Rechte ist. Es gibt auch Bezüge zu neueren Marxisten. Diese Gemeinsamkeiten beziehen sich aber nur auf das Negierte, das  „zur elektronisch verkabelten Fessel“ in einer „depressive(n) Hedonie“ führe. Da entstehe das Bedürfnis nach dem Gegenteil: „Körperliche Nähe, gesunde Bindungen, Gemeinschaft“. Genauer wird der Autor dabei nicht. Er meint: „Das ist keine Lösung, aber ein Beginn davon“.

Eingeforderte Alternativen ohne klare Konturen

Besondere Aufmerksamkeit verdient unter den erwähnten „kaplaken“-Bänden das Plädoyer für das „neue Volk“, geht doch mit der dort entwickelten Argumentation eine grundlegende Kritik an dominanten „rechten“ Positionen einher. Ihnen wird berechtigterweise eine Fehlwahrnehmung der sozialen Gegebenheiten in Kombination mit einer Orientierung an überkommenen Vorstellungen unterstellt. Derartige Einwände treffen den ideologischen Kern nicht nur der Neuen Rechten. Indessen bleibt die entwickelte Alternative bei Kiesling blass: Auf welcher Grundlage sollen welche Migranten zum „neuen Volk“ gehören? Solange zu dieser Frage keine Kriterien genannt werden, bewegt sich das vorgetragene Plädoyer auch auf schwebenden Wolken.

Der Autor stützt sich gelegentlich auf Julius Evola und Oswald Spengler, was deutlich macht, dass hier weiterhin ein Neurechter schreibt. Ähnlich verhält es sich mit den Ausführungen von Bien, der Entlehnungen aus der neueren Kapitalismuskritik von links vornimmt, diese aber politisch nach rechts wenden will. Dabei bleibt seine angedachte Alternative bezogen auf Inhalte blass, diffus und konturlos.

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