Ahrtal-Fluthilfe: Geldstrafe nach massiven Beleidigungen bei SEK-Einsatz
Das Amtsgericht Monschau hat am Montag einen 39-jährigen Mann wegen Beleidigung von Polizisten während eines SEK-Einsatzes und einer Hausdurchsuchung zu einer Geldstrafe von 750 Euro verurteilt. Der von Sozialleistungen lebende Mann verbreitete via Web rechte und antisemitische Inhalte. Er hatte eine Nähe zu Helfern bei der Ahrtal-Fluthilfe.
Mitte 2023 war es zu dem SEK-Einsatz in Simmerath-Strauch (Städteregion Aachen) gekommen. Gegen den heute 39-Jährigen wurde ermittelt, weil er unter anderem auf Social-Media-Plattformen volksverhetzende Beiträge und Beleidigungen sowie Kennzeichen verfassungswidriger, nationalsozialistischer Organisationen gepostet haben soll. Dabei ging es in dieser Strafsache um Postings, die er zwischen März und Oktober 2022 veröffentlicht haben soll. Das entsprechende Ermittlungsverfahren dazu läuft noch.
Der im Eifeldorf Strauch zugezogene Mann verbreitet nach ER-Recherchen unter anderem via VK Inhalte aus dem Reichsbürger-, rechtsradikalen, verschwörungsideologischen, antisemitischen und QAnon-Spektrum. Zum SEK-Einsatz war es hingegen gekommen, weil er auf dem Foto eines der Postings von 2022 mit einer Schusswaffe posiert hatte. Dabei soll es sich jedoch nur um eine Attrappe gehandelt haben. Neben dem Foto hatte er in wenigen Worten angedeutet, dass er „vorbereitet“ sei. In einem anderen Posting soll er mitgeteilt haben, er hoffe auf „eventuelle Amokläufer“, die „ein Zeichen“ setzen würden und möglicherweise „eine Staatshure weniger im Krieg zwischen Mensch und Personen“ mitnehmen würden. Reichsbürger betrachten sich selbst als „Mensch“, Staatsdiener hingegen bewerten sie als „Personen“ aka „Personal“ der „Firma“ BRD.
Beleidigungen gegenüber Polizisten
Hintergrund bei alldem war offenbar ein Streit im Zuge der Ahrtal-Fluthilfe. Bei dem SEK-Einsatz im Mai 2023 war auch ein Hund erschossen worden – laut Aktenlage sei dieser auf die Beamten zugelaufen und deswegen mit mehreren Schüssen niedergestreckt worden. Der 39-Jährige und seine Ehefrau schilderten das Geschehen schon kurz nach der Hausdurchsuchung in Videos und Postings als äußerst dramatisch. Er selbst veröffentlichte Bilder einer Spreng- oder Blendgranate, die das SEK gezündet haben soll. Er postete zudem Fotos von größeren Blutflecken auf dem Fußboden.
Laut Polizei, Aktenlage und am Montag vor Gericht gehörten Zeugen hatte sich der Angeklagte zu Beginn des Einsatzes rund zwanzig Minuten äußerst aggressiv verhalten. Demnach hatte er die eingesetzten Polizeibeamten und eine unabhängige Zeugin des Ordnungsamtes trotz Handfesseln und Augenmaske fortwährend beschimpft – als „Nazi“, „Hurensohn“ oder „linke Sau“.
Polizei als „SS-Nazi-Polizei-Truppe“ diffamiert
Auch nach dem Einsatz wetterte der Mann gegen das SEK und eingesetzte Polizisten. In Postings nannte er diese nach ER-Recherchen „Söldnerpack“ und „Faschosau“, den Einsatz bezeichnete er als „Anschlag“ und „Gestaposcheiß“. In einem anderen Post nannte er die Polizei „SS-Nazi-Polizei-Truppe“. Er beleidigte später zudem Polizisten teils namentlich über VK und sogar über X auf dem Profil der Polizei Aachen. Laut Gericht und Anmerkungen des Anwalts laufen noch eine Reihe weiterer Ermittlungsverfahren gegen den seit seiner Jugend mehrfach verurteilten Mann.
Wie in der Szene der Reichsbürger oder Querdenker nicht unüblich, bezeichnete der Mann auch andere Gegner als „Faschos“ und „Nazis“. Polizisten hätten keine staatsrechtliche Legitimation – um dies zu „beweisen“, verwendete er in seinen Postings Ideologiefragmente aus der Reichsbürger-Szene als angebliches Beweismaterial. Im August 2023 wurden von ihm virtuell auch Kunstwerke in Postings verbreitet, die etwa Donald Trump und QAnon huldigten, Verschwörungsmythen verbreiteten und der NWO („New World Order“) eine Weltverschwörung unterstellten – mit einem David- beziehungsweise Judenstern im O, also einem erkennbar antisemitischen Code.
Opfer eines Komplotts infolge von Fluthilfe-Projekten?
Seine Ehefrau hingegen führt private Hilfsprojekte durch oder ist in solche involviert. Das vom SEK-Einsatz in Simmerath betroffene Paar wähnt sich daher als Opfer eines Komplotts infolge von Fluthilfe-Projekten im Ahrtal. Dort halfen auch Querdenker, Rechte bis Rechtsextreme und Reichsbürger. Das Ehepaar will ebenso geholfen haben und stand eine zeitlang auch mit bekannten Helfern und Influencern in Verbindung.
Mitte 2022 hatte das NRW-Fachjournal des „Deutschen Journalisten-Verbands“ (DJV) einen Hintergrundartikel dazu veröffentlicht. Er beschrieb, wie im Ahrtal unterschiedliche Protagonisten mit ihrer eigenen Agenda oder sich politisch widerstrebenden Einstellungen aktiv waren. Helfer, die zugleich Influencer waren, trugen zu Entgleisungen bei. Der Artikel beschrieb eine Frontenbildung zwischen Behörden und Hilfe suchenden Opfern und Anwohnern. Aktiv waren auch Helfer, die es zwar gut meinten, die Stimmung als Influencer aber anheizten. Hinzu kamen anderen Protagonisten aus dem Spektrum der Querdenker, Reichsbürger und der rechten Szene, die auch Staat und Demokratie delegitimierten.
Empörungswellen in den sozialen Netzwerken
Aus alldem resultierten äußerst heftige Empörungswellen in den sozialen Medien und Netzwerken, es folgten Hass und Hetze. Später machten Berichte über Gerichtsverfahren die Runde über äußerst fragwürdige Gegen-Influencer und Watchblogger. Es seien laut Medienberichten auch Verleumdungskampagnen gegen jene Helfer initiiert worden, die die Behörden kritisierten. Dabei waren sich alle Seiten gleichermaßen hart angegangen. Teilweise bedrohte man sich in sozialen Netzwerken gegenseitig, manchmal wurden anonym betriebene Fake-Profile und Facebook-Seiten genutzt.
Ferner erfolgten nach Drohungen oder Sachbeschädigungen gegenseitige Strafanzeigen. Auch wurden Anzeigen erstattet aufgrund strafbarer Inhalte in Postings. Die Frontenbildung war nicht immer einheitlich, denn das Thema Fluthilfe im Ahrtal war und bleibt bis heute höchst emotional. Das Paar aus Simmerath-Strauch und ihr Anwalt im Prozess machten immer wieder Andeutungen, wonach etwaige Feinde und rachsüchtige Gegenspieler verantwortlich für die Ermittlungen und den SEK-Einsatz seien.
Richterin folgt der Ahrtal-These
Die Richterin am Amtsgericht Monschau hielt dem Angeklagten am Montag zugute, dass er die Beleidigungen bei dem SEK-Einsatz eingeräumt habe. Ihr fehle es zugleich in den Akten an „Substanz“, womit der SEK-Einsatz begründet wurde, sagte die Richterin. Sie nehme es auch „staunend zur Kenntnis“, dass die Polizei „sich von den Karren spannen lässt“ bei etwaigen Internet-Fehden im Zuge der Ahrtal-Debatten. Offenbar hätten bestimmte Personengruppen gute Kontakte zur Polizei. Ein „Unschuldslamm“ sei der Wahl-Simmerather keineswegs – aber gegen ihn ein SEK anrücken zu lassen erscheine ihr unbegründet.
Beschlagnahmt hatte die Polizei Mitte 2023 bei der Hausdurchsuchung Datenträger und internetfähige Endgeräte. Überdies wurden Betäubungsmittel sichergestellt. Eine Waffe oder eine Anscheinwaffe wurden nicht aufgefunden. Ein Polizist vom Staatsschutz Aachen hatte als Zeuge nun im Prozess ausgesagt, er sei „in so kurzer Zeit“ während eines Einsatzes „noch nie so oft beleidigt worden“. Am Ende verurteilte die Richterin den 39-Jährigen ohne Berufsabschluss und Bezieher von Sozialleistungen deswegen zu einer Geldstrafe von 750 Euro.