Bundestagswahl
AfD-Strategie: Eine extreme Partei freut sich über das Weißwaschen
Im Entwurf eines Strategiepapiers für die Bundestagswahl wird skizziert, wie die AfD künftig auftreten und sich sowie ihre Kandidaten inszenieren kann. Die Rechtsradikalen freuen sich, dass andere an der Verschiebung des Sag- und Machbaren präzise mitwirken.
Vielleicht haben wir da etwas missverstanden – oder hat sich AfD-Mann Alexander Gauland nach dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 im Eifer des Gefechts etwas ungeschickt ausgedrückt? „Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel – oder wen auch immer – jagen und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“, sagte Gauland seinerzeit.
Ein Strategiepapier der AfD legt den Verdacht nahe, dass man die Gegner nicht jagen, sondern vor sich hertreiben wollte und will. Die AfD dominiert Themen und Debatten, zwingt anderen indirekt Teile ihrer Meinung und Inhalte auf. Je mehr sich die Partei radikalisiert und das Sagbare und Machbare verschiebt, desto mehr hecheln die Jagbaren der AfD also hinterher.
Koalitionsfähigkeit und Normalisierung
Längst haben andere Parteien Positionen der AfD, etwa in der Asyl- und Migrationspolitik, aufgegriffen, übernommen und so auch normalisiert. „Unsere Wähler werden vor allem mit dem Hauptthema illegale Migration mobilisiert“, stellt man in dem AfD-Dokument demgegenüber fest. Und: „Viele Probleme in den Politikbereichen Innere Sicherheit, Gesundheit, Rente, Bildung, Infrastruktur, Wohnen und Soziales lassen sich auf dieses Hauptthema zurückführen.“
Das interne Strategiepapier des AfD-Bundesvorstands zum Bundestagswahlkampf ist im Oktober als Entwurf entstanden. Es ist eine Skizze, wie man den Bundestagswahlkampf 2025 gestalten könnte. Offenbar für die im Herbst anstehende Wahl geschrieben, machte das Ende der Ampelkoalition das Papier kurz darauf zu einem plötzlich aktuell gewordenen Fahrplan. Es weist damit auch den Weg in die vorgezogenen Neuwahlen. Zuerst hatte die „Welt“ darüber berichtet.
Die Jagbaren verschieben das Sagbare mit
„Als AfD begrüßen wir die durch die ‚Normalisierung‘ unserer Forderungen wachsende Anschlussfähigkeit von etablierten politischen Kräften und Bewegungen an die AfD“, heißt es in dem Dokument. Jener Entwurf des AfD-Bundesvorstandes liegt auch ENDSTATION RECHTS. vor. Darin heißt es auch: „Viele Positionen der AfD werden mittlerweile von den Wettbewerbern normalisiert.“
Unabhängig von der weiteren Radikalisierung der Partei schreibt sich die in Teilen schon rechtsextreme AfD darüber hinaus selbst die Fähigkeit zur Koalitionsbildung zu. Im Wahlkampf müsse die Partei daher „auch die Schnittmengen mit den Parteien, welche sich einer Zusammenarbeit bislang noch verweigern“, immer wieder sichtbar machen.
Die Domestizierung der Extremen
Unter dem „Druck der Wirklichkeit und der Wahlerfolge der AfD“ würden andere Parteien mittlerweile Forderungen vertreten, die vor Kurzem noch als unmöglich und als „vermeintlicher Ausweis einer extremistischen Gesinnung“ bezeichnet worden seien. Dadurch, dass die AfD die anderen Parteien vor sich hertreibt, erscheint sie vermeintlich selbst also als immer weniger extremistisch. „Wir sind und bleiben standhaft, bestimmen die Themen des Diskurses und treiben unsere Gegner vor uns her.“
Was die CDU oder einzelne ihrer Politiker zum Beispiel in Sachen Migration inzwischen verlauten ließen, so heißt es in dem Schreiben, klinge wie die Übernahme von AfD-Inhalten, die die Union dereinst „vielleicht sogar überbieten“ werde. Der „abstrakte Hauptgegner“ seien zwar „die rot-grünen Transformationsvisionen“. Man stehe aber vor allem mit der Union und dem Bündnis Sahra Wagenknecht im Wettbewerb um die Wählerstimmen. Der Wahlkampf „sollte sich deshalb auf die Wählerpotentiale bei der Union und beim BSW konzentrieren.“
Provokation und Vorführung politischer Gegner
Die AfD befindet in dem Papier, im Wahlkampf müsse man auch provokant auftreten. „Provokation ist für die AfD kein Selbstzweck. Sie wird dort eingesetzt, wo sie erforderlich ist, um die Aufmerksamkeit zu erzeugen, welche wir brauchen, um mit Sympathie und Kompetenz Wähler von uns zu überzeugen“, heißt es. „Die Provokationen sollen dabei grundsätzlich so beschaffen sein, dass sie zwar unsere politischen Gegner herausfordern, die Ansichten und Haltungen unsere Wähler und potenziellen Wähler aber als selbstverständlich bestätigen.“
Das Konzept stellt sich in Teilen als eine komprimierte und aktualisierte Zusammenfassung des Papiers „Strategie 2019 - 2025. Die AfD auf dem Weg zur Volkspartei“ dar. Trotz ihrer stetigen Radikalisierung beschrieb die AfD darin, wie sie sich als normale, bürgerliche Volkspartei inszenieren will. Der Sechsjahresplan skizzierte, wie die AfD einen „Imagewandel“ hin zur „liberal-konservativ-patriotischen Volkspartei“ vollziehen könne.
Opfererzählung schließt die Reihen
Vieles im Papier 2019 zielte auf eine erfolgreiche Bundestagswahl 2025 ab. Die Erfahrungen und Skandale der letzten Wahlen, insbesondere die Europawahl und die Enthüllungen um die beiden Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron, sind in das neue Papier offenbar mit eingeflossen. „Der AfD steht ein breites Bündnis von Regierungsparteien, öffentlichem Rundfunk, regierungsnahen Organisationen und linken Haltungsjournalisten gegenüber“, heißt es in der Entwurffassung des Dokuments.
Jene Gegenseite gerate „zwar zunehmend in die Defensive“, verfüge „aber noch immer über erhebliche Macht und Mittel, um missliebige politische Kräfte mit allen Mitteln zu behindern […]. Im Vorfeld der Bundestagswahlen muss die AfD deshalb mit massiven Angriffen und Skandalisierungsversuchen des politischen Gegners und seines Vorfeldes rechnen. Dabei wird auch vor Lügen und unsauberen Praktiken nicht zurückgeschreckt werden.“ Man werde dem jedoch „ruhig und entschlossen widerstehen“ und dabei eigene „Impulse“ über „eigene Kommunikationskanäle, alternative Medien und ‚echte’ Journalisten“ setzen.