Bayerischer Landtag
AfD-Kandidaten scheitern erneut
Die bayerische AfD-Landtagsfraktion schickte am Mittwoch wieder drei Vertreter ins Rennen um verschiedene Posten – auch für das Präsidium. Die AfD-Politiker sind bereits mit rechtsextremen und teilweise diffamierenden Äußerungen aufgefallen.
Rene Dierkes sollte nach Vorstellung der AfD den bislang freien Platz der Fraktion im Präsidium einnehmen. Auch wenn das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz keine Abgeordneten beobachtet, kann sich der in München ansässige Rechtsanwalt als wohl als mitgemeint ansehen.
Als Kreisvorsitzender der AfD München-Ost verantwortete er zwei Veranstaltungen, die im letzten Halbjahresbericht und im am Montag veröffentlichten Verfassungsschutzberichts für 2023 Erwähnung finden. Er organisierte zusammen mit dem „Medienpartner Compact“ eine eigene Kundgebung gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, auf der vor allem flügelnahe AfD-Redner auftraten.
„Merkt euch dieses Gesicht“
Im Juni rief er zur Kundgebung gegen eine Lesung in Bogenhausen auf, bei der als Prinz und Prinzessin verkleidete Drag-Performer für Kinder vorlasen. Die AfD teilte sich hier den Platz mit der reichsbürgernahen Aktivistin Ulrike Pfeffer, die auch selbst auf der Bühne der Partei sprechen durfte. Das Compact-Magazin wird in der Kategorie rechtsextreme Medien geführt, die Kundgebung in Bogenhausen als zentraler Beleg für die Queerfeindlichkeit der rechtsextremen Szene. Die Verächtlichmachung auch von Transpersonen ginge weit über die bloße Kritik an individuellen Lebensmodellen hinaus und richte sich gegen die Menschenwürde. Zudem würde ohne Hinweis pauschal der Vorwurf der Pädophilie erhoben, so der Verfassungschutzbericht. Ein Muster, das bei Dierkes immer wieder auffällt.
So beteiligte er sich auf seinen Social-Media-Kanälen an der Kampagne gegen den Schulleiter des Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten und teilte einen Betrag mit Namen und Gesicht samt der Aufforderung „Merkt euch dieses Gesicht“. Die von AfD und Junge Freiheit getragene Kampagne, ein AfD-Schlumpfvideo habe zu einer Polizeiaktion gegen eine wohl rechtsoffene Schülerin geführt, brach schnell in sich zusammen.
Diffamierende Posts
Dierkes versuchte hier, ergänzend noch einen Zungenschlag in die Debatte zu bringen, der wohl die bürgerliche Karriere des Schulleiters hätte zerstören sollen: Obwohl in der Pressemitteilung der Polizei vom gleichen Tag eindeutig die Rede davon war, die Schule sei per E-Mail von außen über die Posts der Schülerin informiert worden, wollte der AfD-Landtagsabgeordnete den Eindruck erwecken, der „50-jährige Schulleiter“ suche „in seiner Freizeit […] nach Videos 16-jähriger Mädchen“ und zwar „heimlich“. Beendet wird das Geraune mit was „wohl eine Durchsuchung seiner Festplatten“ ergäbe. Die Veröffentlichung findet sich aktuell noch auf Dierkes Telegram-Kanal.
Auch in Anfragen an die Staatsregierung brachte er immer wieder verleumderische Andeutungen ins Spiel, Mitarbeiter von Bibliotheken, in denen solche Drag-Lesungen stattfinden, könnten pädophile Neigungen hegen. Er unterstützt wenig überraschend die homophobe „Stolzmonat“-Kampagne und teilt Beiträge, die das Persönlichkeitsrecht der heutigen Bundestagsabgeordneten und früheren bayerischen Landtagsabgeordneten Tessa Ganserer angreifen.
Nähe zur Identitären Bewegung
Dierkes verhöhnte im Netz den Spieler von Real Madrid, Vinicius Junior, als dieser tränenreich Rassismus im Stadion anprangerte und postete, als sich die Nachricht verbreitete, dass sie vermisste stellvertretende Chefredakteurin der SZ lebend gefunden wurde, einen Beitrag, der im Fußballkontext wohl als übles Nachtreten bewertet worden wäre. Er bekannte sich auf seinen Social-Media-Kanälen eindeutig zum verfassungsfeindlichen ethnischen Volksbegriff. Negative Konsequenzen hatte dieses Bekenntnis gegen das Menschenbild des Grundgesetzes nicht. Im Gegensatz etwa zu den beiden Kandidaten Reinhard Mixl und Wolfgang Pöschl wurde die Kandidatur nicht vom Landesvorstand annulliert.
So konnte Dierkes im Oktober in den bayerischen Landtag einziehen. Hier bekam er trotz deutlicher Anhaltspunkt für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung das Amt des Rechtspolitischen Sprechers anvertraut. Der Parteitag, der sich noch vorher mit knapper Mehrheit für einen Mandatsverzicht für Daniel Halemba ausgesprochen hatte, wählte Dierkes neu in den Landesvorstand, obwohl durch Medienberichte bekannt gewesen sein dürfte, dass sich mehrere innerparteiliche Halemba-Kritiker durch Dierkes unter Druck gesetzt fühlten. Das Portal t-online hatte dazu berichtet.
Dierkes weist auch als Abgeordneter noch eine große Nähe zur rassistischen Identitären Bewegung (IB) auf und scheint seine Aktivitäten im Landtag besonders über deren österreichisches Medienprojekt „Heimatkurier“ auszuspielen. Zudem gab er an, unter dem Motto „Unterstützen Sie die Vorfeldmedien“ ein größeres Abo des extrem rechten Magazins „Info-Direkt“ in seinem Landtagsbüro vorrätig zu haben. Er teilte zudem ein Lob an Kader der IB für ihre versuchte Störaktion der Lesung in Bogenhausen. Die Polizei hatte hier Ermittlungen wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch aufgenommen. Ebenso teilte er direkt von der Seite der IB Kritik an Ermittlungen gegen deren Kader nach einer aggressiv-kämpferischen Aktion gegen eine Geflüchtetenunterkunft im oberbayerischen Peutenhausen.
Parlamentarisches Kontrollgremium
Wenn es gegen Andersdenkende geht, ist er dagegen wenig zimperlich mit der Forderung nach Repression. Er forderte mehrfach das Verbot der Grünen und brachte den Sorgerechtsentzug für eine Mutter ins Spiel, deren Sohn in einem Kleid in die Kita gehen wollte und die sich in einem Video über die positiven Reaktionen freute.
Für das zweite wichtige Amt, einen Platz im Parlamentarischen Kontrollgremium, kandidierte der Aschaffenburger Polizist Jörg Baumann. Im Gegensatz zu den dauernd auf der Tagesordnung stehenden Wahlen fürs Präsidium ist dies erst der zweite Versuch der AfD in der aktuellen Legislaturperiode, hier einen Vertreter zu entsenden. Während Dierkes stolz zeigt, im Plenum das Remigrationsbuch von Sellner beworben zu haben, ging Baumann einen Schritt weiter und verloste zehn Exemplare, die dann an Gleichgesinnte gingen. Baumann sprach in mindestens einem Beitrag gemäß des rassistischen Ethnopluralismus-Konzepts von „kulturfremden Einwanderern“.
Spenden an verschwörungsideologisches Projekt
Baumann vertritt zusammen mit zwei anderen ehemaligen Polizisten die AfD-Fraktion im Innenausschuss. Als Reaktion auf einen angekündigten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz über die Vernetzungen der AfD mit der Identitären Bewegung veröffentlichte Baumann einen Post, in dem er versuchte, den Präsidenten des Landesamtes ins Lächerliche zu ziehen statt inhaltlich auf die Vorwürfe zu reagieren.
Er kündigte an, sich ebenfalls an der nächsten „Stolzmonat“-Kampagne der extremen Rechten zu beteiligen. Sein Repost zeigt dabei ein Flagge, in der auch der bei Reichsbürgern beliebte preußische Adler angedeutet ist. Der Jahrestag der Reichsgründung von 1871 ist ihm einen Repost seines Kollegen Dierkes wert. Zudem bekennt er sich trotz aller Vorwürfe rund um das verfassungsfeindliche ethnische Volksverständnis mehrfach zur Jungen Alternative und spendete an das österreichische Medienprojekt AUF1, dessen Schwerpunkt auf extrem rechten und verschwörungsideologischen Inhalten liegt.
Kritiker der Unvereinbarkeitsliste
Für das Amt des Schriftführers kandidierte Benjamin Nolte, Alter Herr der Münchner Burschenschaft Danubia, deren Aktivitas vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Nolte war einer von vier Ansprechpartnern des Höcke-Flügels in Bayern und wollte die Unvereinbarkeitsliste abschaffen. Aus seinem Kreisverband München-Nord kam ein Antrag an den Bundesparteitag, die sich selbst als Gewerkschaft sehende Organisation „Zentrum Automobil“ von der Unvereinbarkeitliste zu streichen, was damals Widerspruch von Alice Weidel ausgelöst hatte. Er redete vor Jahren trotz bestehender Abgrenzung auf einer Demo der Identitären Bewegung, was ihm im Landesverband nicht geschadet hatte und war für mehrere Jahre Mitglied des Landesvorstandes.
Nolte hatte im Wahlkampf gemeinsame Termine mit Björn Höcke und dem Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich, der wegen seiner inhaltlichen Positionierung nicht in die Bundestagsfraktion aufgenommen wurde. Durch einen früheren rassistischen Vorfall ist er medial als „Bananen-Nolte“ bekannt.