Schleswig-Holstein
AfD fliegt aus erstem Parlament
Paukenschlag bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Die AfD ist erstmals nach einem Parlamentseinzug auf Bundes- bzw. Landesebene an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Mit 4,4 Prozent verfehlte die Partei von Spitzenkandidat Jörg Nobis den Wiedereinzug ins Kieler Landeshaus. 2017 schaffte man noch 5,9 Prozent.
Bis kurz vor der Wahl sahen die Umfragen der Demoskopen die AfD zwischen fünf und sechs Prozent. Lange Gesichter deshalb unter den Parteianhängern auf der Wahlparty in Kiel, weil schon nach den ersten Prognosen keine Fünf mehr vor dem Komma stand. Im Saarland wurde das Wahldebakel zuletzt im März bei 5,7 Prozent gerade noch so verhindert, in Schleswig-Holstein, ohnehin keine AfD-Hochburg, reichte es nun nicht mehr für eine zweite Legislaturperiode.
Laut infratest-dimap verlor die AfD 7.000 Wähler an die CDU, 6.000 an die FDP und ebenso 6.000 ins Lager der Nichtwähler. Das zunehmend weggebrochene Thema Corona sowie Aussagen gegen eine militärische Ukraine-Unterstützung durch Deutschland sorgten wohl auch maßgeblich für schwindenden Zuspruch. Zum selbst ernannten Wahlkampfhöhepunkt am 30. April in Lübeck mit bundespolitischer Prominenz kamen nicht einmal 100 Besucher. Parteichef Tino Chrupalla, dazu Beatrix von Storch und Leif-Erik Holm waren dort jedenfalls nicht die erhofften Zugpferde.
Seit Monaten Querelen
Nobis und Co. starteten ihren Wahlkampf im Vergleich zu den anderen Parteien erst mit Verspätung. Ein nach eigenen Angaben niedriger sechsstelliger Wahlkampfetat, der der Partei immerhin 25.000 Wahlplakate erlaubte, verpuffte. Im AfD-Landesverband Schleswig-Holstein mit seinen rund 900 Mitgliedern rächte sich zudem, dass es hinter den Kulissen immer wieder Richtungs- und Grabenkämpfe gab, die Wahl eines seit 2019 vakanten Landesvorsitzenden mehrfach aufgeschoben wurde.
Die wegen rechtsextremer Kontakte bekannt gewordene, aber einflussreiche Doris von Sayn-Wittgenstein liefert sich seit Monaten zudem einen offenen Streit mit Nobis und anderen aus dem der gemäßigten Strömung zuzurechnenden Parteilager. Die ehemalige Landesvorsitzende wurde in der letzten Legislaturperiode aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen, ehe diese im November 2020 mit dem Abgang des Abgeordneten Frank Brodehl dann zerbrach. Gegen ihren Parteiausschluss wehrte sich von Sayn-Wittgenstein bisher hingegen erfolgreich.
Spitzenkandidat abwesend
Das beste Ergebnis beim aktuellen Urnengang erzielte die AfD im Wahlkreis Neumünster-Boostedt mit 5,9 Prozent, alleine in der kreisfreien Stadt Neumünster reichte es sogar für 6,1 Prozent, wobei die FDP überflügelt wurde. In Dithmarschen-Süd kam die AfD ebenfalls auf 5,9 Prozent, in Lauenburg-Süd auf 5,7.
Zur Aufarbeitung des aus eigener Sicht enttäuschenden Ergebnisses ließ sich am Montag bei der üblichen Wahl-Nachlese mit dem Bundesvorstand in Berlin Jörg Nobis entschuldigen. Er schickte nach Informationen des Senders Phoenix dafür Julian Flak, Fraktionsvorsitzender im Kreistag von Segeberg und der gesamten Partei als bekanntes Parteitagspräsidiumsmitglied bekannt.
Die Basis knabberte am AfD-Wählerreservoir
Die standesgemäße Bundespressekonferenz scheiterte hingegen, weil sich Tino Chrupalla einmal mehr weigerte, dem Gremium der bundespolitischen Hauptstadt-Journalisten seinen Corona-Impfstatus offenzulegen und somit aus Hygieneschutz-Hausrecht keinen Zutritt erhielt. Damit entging man mit Sicherheit vielen kritischen Fragen der Medien, die nun schon gespannt auf die Landtagswahl am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen schauen, wo die AfD in den Umfragen auch gerade nur noch bei sechs Prozent gehandelt wird.
Potentielle Stimmen verlor die AfD in Schleswig-Holstein an die erstmals im Norden angetretene Partei Die Basis, die es auf 1,2 Prozent der Stimmen brachte. Die mit Verschwörungsmythen gerade auch zum Thema Corona aufwartende Partei holte ihre besten Ergebnisse in den Wahlkreisen Flensburg-Land (1,7 Prozent), Flensburg (1,5), Plön-Ostholstein (1,5) und Lauenburg-Nord (1,5). Andere rechtsextreme Parteien wie zum Beispiel die NPD hatten sich gar nicht erst um eine Kandidatur bemüht.